Berlin ist dabei, in die ÖPP-Falle zu laufen

Sie nennen es ÖÖP, aber die Auswirkungen werden nicht wesentlich anders sein als bei PPP

Von Herbert Storn

Berlin steht mit seinen Bezirken als Schulträger vor ähnlichen Problemen wie andere Kommunen auch, die Erhalt oder gar Ausbau ihrer Schulinfrastruktur in den vergangenen Jahrzehnten gemäß der Ideologie des „schlanken Staates“  und des Leitprinzips „Privat vor Staat“ sträflich vernachlässigt haben. Da die kurz- und mittlerweile auch die langfristigen Folgen dieser Politik bei der Bevölkerung zunehmend auf Widerstand stoßen, erhielten Rekommunalisierungs-Konzepte immer mehr Zustimmung. Um diesen den Wind aus den Segeln zu nehmen und zu verhindern, dass Staat und Kommunen über den klassischen Weg der Staatsanleihen, Kommunalobligationen oder anderer Formen staatlicher Fonds zur Rettung der Infrastruktur gehen, wurde über den europäischen Fiskalpakt und insbesondere die Einführung der „Schuldenbremse“ dieser Weg weitgehend versperrt. Stattdessen werden wesentlich teurere und intransparentere Verschuldungsformen geduldet und propagiert, die Staat, Kommunen und letztlich die Bevölkerung auf Jahrzehnte in die Abhängigkeit von Banken und Versicherungen bringen, damit diese die niedrigen Zinsen mit erheblichen Gewinnmargen umgehen können. Die Rede ist von PPP – Public Private Partnerships, deutsch Öffentlich Private Partnerschaften.

Der große (und zuletzt von der Fratzscher Kommission vorbereitete) Triumph von globalen Baukonzernen, Banken, Versicherungen und Beraterkonzernen war der 1. und 2. Juni 2017. An diesem Tag wurde von Bundestag und Bundesrat die Möglichkeit, Autobahnen und Fernstraßen per PPP von privaten Gesellschaften bauen, sanieren und bewirtschaften zu lassen, sogar ins Grundgesetz gehievt. Mit Begleitgesetzen und einer umgewandelten Lobbyorganisation wurde der Weg für PPP-Schulprojekte geebnet. Bereits 2016 haben die an der Fratzscher-Kommission beteiligten Gewerkschaften sich von diesem Weg distanziert und ein eigenes Modell eines staatlichen Infrastruktur-Fonds propagiert. Vergebens: Denn die „Schuldenbremse“ soll dieses für Staat, Kommunen und Bevölkerung vorteilhafte Projekt ja gerade verhindern und diejenigen, die sich für Erhalt und Ausbau einer guten staatlichen Infrastruktur einsetzen, wie Schafe entlang eines Gatters in die Arme von privaten Banken und Versicherern treiben.

Diese Form der Verhinderung staatlicher Zukunftsinvestitionen durch ein Verschuldungsverbot muss endlich überwunden werden, und sei es durch eine Modifizierung der gesetzlichen Regelungen! Millionen haben sich seinerzeit einfangen lassen von schief geratenen Kunstfiguren wie derjenigen der „schwäbischen Hausfrau“, die nicht mehr ausgeben könne als sie einnehme. Kein Wort zu den schwäbischen „Häuslebauern“, die sich selbstverständlich verschulden müssen, um ihren Nachkommen etwas zu hinterlassen. Nicht umsonst sind viele Bausparkassen im Schwäbischen zuhause. Anstatt nun aber die Kampagne gegen die verheerenden Wirkungen und bizarren „Argumentationsmuster“ der „Schuldenbremse“ wieder aufzunehmen, wie sie beispielsweise 2011 in Hessen geführt worden ist, versuchen insbesondere eher „linke“ Regierungen, den „Teufel mit dem Beelzebub“ auszutreiben.

Mit Öffentlich-Öffentlichen-Partnerschaften (ÖÖP) sollen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: einerseits soll das Verschuldungsverbot umgangen werden, indem man sich privater Gesellschaften bedient, andererseits sollen diese Gesellschaften aber in öffentlicher Hand bleiben und von dieser kontrolliert werden. In Berlin sollen dafür die Schulgrundstücke samt Gebäuden ab einer bestimmten Größenordnung auf eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft übertragen und zurückgemietet werden. Die Wohnungsbaugesellschaft könnte dann, da sie ja ihre Einnahmen überwiegend privat erwirtschaftet und somit nicht unter die staatliche Schuldenerfassung fällt, so viele Kredite zur Sanierung, dem Bau und der Unterhaltung der Schulen aufnehmen wie sie will. Im Zweifel haftet der Staat. Trotzdem müsste sie als formell private Gesellschaft natürlich mehr für die Zinsen aufwenden als der Staat selber. Diese Wohnungsbaugesellschaften haben natürlich keine Expertise in Bezug auf Schulen. Die kaufen sie dann ein, wofür sie weitere private Untergesellschaften gründen können, was die Transparenz weiter verschlechtert und Investitionen verteuert. Die Bezirke als Schulträger sind zum Teil froh, das Problem loszuwerden, weil sie über die Jahre ja Fachpersonal in den Planungs- und Bauämtern eingespart haben. Dieses Personal hat zwar die Wohnungsbaugesellschaft auch nicht, sodass nicht sicher ist, dass sie die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen kann. Der Berliner Flughafen, der nach einer ähnlichen Methode geplant wurde oder auch die privatisierten Berliner Wasserbetriebe lassen grüßen. Vielleicht gelingt es der Wohnungsbaugesellschaft auch, auf den internationalen Märkten Fachpersonal aufzutreiben. Kümmern muss dies die Kredit gebenden Banken und Versicherungen erst einmal nicht. Denn für sie ist die Hauptsache, dass das Kreditvolumen nicht zu klein ausfällt, über Jahrzehnte läuft, die Rendite mit 7 Prozent und mehr überproportional hoch liegt und letztlich mit einer Staatsgarantie abgesichert ist. Solche Erfahrungen hat Berlin grade auch mit seinen Wohnungsbaugesellschaften schon früher gemacht. Dass solche Erfahrungen in den Wind geschlagen oder der allgemeinen „Vergesslichkeit“ überlassen werden, zeugt von einer verbreiteten politischen Unkultur und wird sich natürlich irgendwann rächen.

Trotzdem meint ausgerechnet die rot-rot-grüne-Regierung, den Tiger reiten zu können, alles im Griff zu haben und trotz einer Vielzahl privater GmbHs und anderer privater Rechtsformen eine demokratisch-transparente Kontrolle sicherstellen zu können. Dabei hilft ihr sicherlich der politisch-propagandistisch-psychologische Flankenschutz von Beraterkonzernen wie PricewaterhouseCoopers, die solch ein Modell propagieren, weil sie daran gut verdienen. Allzu sicher scheint sich die Berliner Koalition andererseits auch nicht zu sein, sonst würde sie eine öffentlich-kritische Debatte einem solchen Mega-Projekt vorschalten und nicht in abgeschotteten Gremien vollendete Tatsachen schaffen. Denn schon am 6.11.2017 – so ist zu hören – sollen in Berlin die entscheidenden Beschlüsse gefasst werden. Berlin ist nicht der erste Stadtstaat, der diesen Weg wählt, in Hamburg wurden bereits negative Erfahrungen gesammelt. Und die große Sorge ist, dass ein solchermaßen hochproblematisches rot-rot-grünes ‚Berliner Modell‘ schnell die Blaupause für weitere in den von Fiskalpakt und „Schuldenbremse“ eingehegten Ländern und Kommunen liefert.

 

 

2 Kommentare

  1. Pingback:Hinweise des Tages II | NachDenkSeiten – Die kritische Website

  2. Dieser Artikel sollte jeden Tag in die Zeitung und mit konkreten Lösungsvorschlägen. Leider hat Deutschland in den fetten Jahren zuviel Infrastruktur geschaffen und kann den Erhalt nun nicht mehr bezahlen. Es geht nicht mehr so weiter und wir müssen mit weniger Wohlstand klar kommen. Das getraut sich kein Politiker zu sagen und die Banken usw. freut’s.

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