Wenn das Bistum versagt, ist die Behörde gefragt

Ein Gastbeitrag von Manuel Humburg

Laut einem Bericht des NDR verhandelt das Erzbistum Hamburg mittlerweile nur noch mit privaten Interessenten für die zukünftige Trägerschaft des Wilhelmsburger Krankenhauses Groß-Sand (NDR, 10.3.2021). Eine direkte Nachfrage zu der Meldung bestätigte das Erzbistum zwar nicht, dementierte sie aber auch nicht. Gleichzeitig gibt es Informationen, dass es gemeinnützige Bewerber mit evangelischer Ausrichtung gegeben haben soll, die vom Bistum aber eine Absage erhielten. Hamburgs Erzbischof Stefan Heße steht seit Monaten mit dem Rücken zur Wand. Nach der Kritik an seinem Management während des Kölner Missbrauchsskandals hat er inzwischen ein Rücktrittsgesuch beim Papst eingereicht. Die Mitglieder kehren der Kirche in Scharen den Rücken. Ist das Bistum jetzt auch noch bereit, die Seele des katholischen Wilhelmsburger Krankenhauses Groß-Sand für ein Linsengericht zu verscherbeln? Bekanntlich hängen dem Bistum Pensionslasten für Groß-Sand in Höhe von 27 Millionen Euro wie ein Mühlstein am Hals. Da können beim Poker um die neue Trägerschaft nur finanzkräftige Gesundheitskonzerne mithalten. Zwar stehen die christliche Glaubwürdigkeit und die soziale Verantwortung des Erzbistums auf dem Spiel. Aber: Die Ausführungen von Domkapitular Bertold Bonekamp im Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft am 5. Februar lassen erkennen, dass das Erzbistum zu einem Verkauf an einen renditeorientierten Gesundheitskonzern bereit ist. (Prot,GesA,22-07,2021-02-05)

Droht ein erneuter Deal mit Asklepios?

2004 privatisierte die regierende CDU um Ole von Beust den Großteil der städtischen Hamburger Krankenhäuser, den Zuschlag erhielt der Gesundheitskonzern Asklepios. Die Übernahme eines weiteren Krankenhauses, beispielsweise Groß-Sand, durch Asklepios sei ausgeschlossen, hört man immer wieder. Das sei kartellrechtlich nicht möglich, weil Asklepios schon jetzt eine Monopolstellung bei Hamburgs Krankenhäusern habe und mit 15 000 Mitarbeitenden Hamburgs größter Arbeitgeber sei.

Welchen Sinn hatte es dann, dass Asklepios beim Nachfolgepoker für Groß-Sand überhaupt mit am Tisch saß? Warum rückte eine Asklepios-Delegation aus der Bad Homburger Konzernzentrale für eine Hausbesichtigung in Groß-Sand an? Aus Sicht von Asklepios sind die circa 200 Betten und 380 Vollzeitstellen in Groß-Sand nur Spielfiguren. Die paar chirurgischen und internistischen Betten ließen sich mühelos in die Asklepios-Großkliniken nördlich und südlich der Elbe integrieren, die Rehaklinik und die neurologische Frührehabilitation könnten profitabel ausgegliedert werden, das Personal im Gesamtpool des Konzerns verschwinden. Für die Notfallversorgung könnte Asklepios gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung ein Medizinisches Versorgungszentrum am Standort aufbauen. Dabei würde sichergestellt, dass stationäre Fälle bei Asklepios landen. Und wer sich dann nicht zurechtfindet, könnte in einem „Gesundheitskiosk“ wie in Billstedt beraten werden. Die Kosten dafür übernehmen die Kassen gern, denn sie sparen mit dem Abbau von Bettenkapazitäten Geld. Das nennt man heutzutage eine Win-win-Situation, und die wäre kartellrechtlich kaum mehr zu greifen. Ob Asklepios sich inzwischen zurückgezogen hat oder einfach aus dem Rennen ist, weiß man nicht. Das Bistum hält in Sachen Verhandlungsstand dicht. Aber es gibt noch weitere private Player in Hamburg: die zum Fresenius-Gesundheitskonzern gehörende Helios-Gruppe (Endo-Klinik, Krankenhaus Mariahilf) und die Schön Klinik, die das Krankenhaus Eilbek betreibt, sowie die alanta health group, der die Praxisklinik Mümmelmannsberg gehört.

Rot-Grün könnte drohende Privatisierung noch verhindern

Die zuständige Senatorin Melanie Leonhard agiert undurchsichtig und widersprüchlich: Einerseits bekräftigte sie mehrfach den wünschenswerten Erhalt von stationärer Grund-, Regel- und Notfallversorgung in Wilhelmsburg, andererseits sieht sie aber keine Möglichkeit, das behördlicherseits sicherzustellen. Bisher hieß es immer aus der Behörde: Groß-Sand ist nicht unser Haus, wir müssen abwarten, wie sich das Bistum entscheidet. Aber worauf wollen Senatorin und Senatsverwaltung jetzt noch warten? Wenn eine Privatisierung noch verhindert werden soll, dann muss die Behörde jetzt steuernd eingreifen. Abwarten bedeutet, vollendete Tatsachen zuzulassen und zu befördern. Privatisierung macht Gesundheit zur Ware; das Ziel privater Krankenhäuser ist die Rendite der Aktionäre. Soll später keiner sagen: Das haben wir nicht gewusst, so haben wir das nicht gewollt! Warum sitzen im „Lenkungsausschuss Groß-Sand“ neben Bistum und Behörde nur noch Vertreter von Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung mit am Tisch? Warum ist niemand vom Personal oder aus dem betroffenen Stadtteil mit dabei?

„Gesundheit ist keine Ware. Das wissen wir nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die grundsätzliche Entscheidung mit Krankenhäusern Gewinn und Rendite zu erzielen, ist falsch und muss korrigiert werden.“ Könnte sich dieser Erkenntnis des Bundestagsabgeordneten Metin Hakverdi (SPD), geäußert gegenüber dem Elbe-Wochenblatt vom 22. Januar, nicht auch Hamburgs sozialdemokratische Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration anschließen? Hakverdis Schlussfolgerung ist: Deshalb sollten Krankenhäuser wieder verstärkt in kommunale Hände überführt werden! Die Kommunalisierung bedrohter Krankenhäusern ist bundesweit wieder im Kommen, vor allem bei sozialdemokratisch geführten Verwaltungen. Beispiele sind Krankenhäuser in Peine, Prignitz, Wolfhagen, Hofgeismar. Die Rettung von Krankenhäusern wird in den kommenden Wahlkämpfen ein wichtiges Thema sein. Warum ist das Thema Kommunalisierung in Hamburg tabu? Es sind sich doch alle einig, dass die Privatisierung des kommunalen Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) im Jahre 2004 ein Fehler war. Gegen einen eindeutigen Volksentscheid, in dem 76,8 Prozent, fast 600 000 Menschen, für einen Verbleib in kommunaler Hand votierten, wurde sie damals durchgezogen. Auch finanziell ein Desaster für die Stadt. Wenig bekannt ist allerdings über einen angeblichen geheimen Vertrags-Zusatz, in dem sich die Stadt verpflichtet haben soll, auf erneute kommunale Trägerschaft von Krankenhäusern dauerhaft zu verzichten. Eine Ausnahme blieb immer das städtische Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, das UKE. Mit ihm als Träger gelang es, das von Schließung bedrohte Altonaer Kinderkrankenhaus zu retten. Unverständlich bleibt, warum das Modell nicht auch für den Erhalt des für die Versorgung im Hamburger Süden unverzichtbaren Krankenhauses Wilhelmsburg möglich sein soll. Zumal mit der Privatisierung dessen Zerschlagung droht und dazu ausgerechnet der Asklepios-Konzern seine marktbeherrschende Stellung in Hamburg missbrauchen könnte. Warum sollte es nicht möglich sein, dass die für das UKE zuständige grüne Senatorin für Wissenschaft und Forschung, Katharina Fegebank, und die sozialdemokratische Sozialsenatorin das Tabu überwinden und das UKE als möglichen Träger für Groß-Sand ins Spiel bringen? Es ist kein Geheimnis, dass es auch an der Basis von SPD und Grünen für eine solche Lösung große Sympathien gibt. Von der eindeutigen Erwartung der Belegschaft in Groß-Sand und den Menschen vor Ort mal ganz abgesehen. Und man darf ebenso davon ausgehen, dass das Erzbistum – auch jetzt noch – die Option ernsthaft prüfen würde. Für das Erzbistum böte sich die einmalige Chance für einen Abschied von Groß-Sand ohne weiteren Verlust an christlicher Glaubwürdigkeit und sozialer Verantwortung.

Weitere Informationen: www.zukunft-elbinsel.de
Copyright Foto: „Aktion Krankenhaus Groß-Sand bleibt!“

PS: Für den 12. Mai, den internationalen Tag der Pflege, rufen das Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus www.pflegenotstand-hamburg.de und die Aktion „Krankenhaus Groß Sand bleibt!“ www.zukunft-elbinsel.de zu einer Kundgebung um 17 Uhr auf dem Rathausmarkt auf.

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