Unwirtschaftlichkeit und Interessenskonflikte am Beispiel von gescheitertem ÖPP-Projekt in Köln

Bild: B. von Schröder Großmarkt in Berlin, commons.wikimedia.org
Bild: B. von Schröder Großmarkt in Berlin, commons.wikimedia.org

Seit der Sitzung am 8.6.2015 im Stadtrat Köln ist klar: Aus für den Neubau des Frischezentrums als Öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP oder PPP, Public Private Partnership). Außer der FDP gab es keine weiteren BefürworterInnen für die ÖPP-Variante, die die Wirtschaftsdezernentin Ute Berg vorgelegt hat. Demnach sollte das 70-Millionen-Projekt als ÖPP realisiert werden, bei dem die Stadt jährlich eine „Deckungslücke“ übernehmen sollte, wobei den beteiligten Unternehmen garantierte Einnahmen zugesprochen werden. Das Gutachten für das ÖPP-Projekt, erstellt von der Partnerschaften Deutschland AG, überzeugte die EntscheiderInnen nicht. Laut Kölner Stadt-Anzeiger sah es vor, „[…] dass ein Privatunternehmen das Gebäude für den Großmarkt plant, baut und betreibt. Die Stadt bleibt Eigentümer, übernimmt aber auch den eigentlichen Marktbetrieb einschließlich der Vermietung der Flächen an die Händler. Selbst wenn alle Flächen zum höchst möglichen Preis vermietet werden können, bleibt Köln jedes Jahr auf mindestens 1,7 Millionen sitzen. Der private Partner hat über Jahrzehnte garantierte Einnahmen, während die Stadt mit dem Vermietungsrisiko allein bleibt.“ (Weitere Presseberichte zu diesem Projekt am Ende des Artikels)

Die Grundlage für die Kritik an diesem ÖPP-Projekt und am Gutachten von Partnerschaften Deutschland AG lieferte die Studie von Joachim Fritz: s. u. oder hier als PDF herunterladen.

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Wertung der betriebswirtschaftlichen Machbarkeitsstudie zum Frischezentrum Köln-Marsdorf (Eigenrealisierung durch die Stadt vs. ÖPP-Inhabermodell)

Von Joachim Fritz

ÖPP Deutschland AG, PPP Task Force NRW, Bulwiengesa AG

Ersteller der Machbarkeitsstudie ist die „ÖPP Deutschland AG“. Laut der Machbarkeitsstudie wird die Behauptung aufgestellt, die „ÖPP Deutschland AG sei ein unabhängiges Beratungsunternehmen (s. S18).

Die „ÖPP Deutschland AG“ wurde 2008 auf Initiative der Finanzlobby-Vereinigung „Initiative Finanzstandort Deutschland“ gegründet. Beteiligt an der AG sind neben dem Bund ca. 70 Unternehmen, die von ÖPP-Projekten profitieren (Deutsche Bank, Commerzbank, Bundesverband Private Public Partnership, Bertelsmann-Tochter Arvarto, Bilfinger Berger, Hochtief, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie etc.)

Die „PPP-Task Force NRW“ (deutsche Übersetzung: „ÖPP-Kampftruppe NRW“) sponserte diese Machbarkeitsstudie mit € 20.000. Die „PPP-Task Force NRW“ definiert sich auf Website selbst wie folgt:
„Die ÖPP-Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen setzt sich für eine Etablierung von Partnerschaften zwischen Öffentlicher Hand und privaten Unternehmen bei der Realisierung von Infrastrukturprojekten ein.“
Die Bulwiengesa AG bezeichnet sich selbst als unabhängiges Analyseunternehmen der Immobilienbranche. Auftraggeber sind nach eigenem Bekunden die Deutsche Bank, JP Morgan, Hochtief, Morgan Stanley, Wayss&Freitag, Allianz und viele andere Unternehmen, die von ÖPP-Geschäften profitieren.
Ob von den genannten Organisationen ein neutrales und seriöses Gutachten zu erwarten ist, wird angezweifelt.

Erfahrungen bei den Kölner Schulsanierungen

Vom Wirtschaftsdezernat wird auf die positiven Erfahrungen bei den Kölner Schulsanierungen hingewiesen und ein Vorteil von 2,5-8,0% dargestellt. Zu diesen Zahlen liegen mir die Methoden für die Ermittlung nicht vor. Generell sollten die Zahlen aber kritisch betrachtet werden, da erst nach Vertragsablauf belastbare Werte vorliegen werden. Bleibt zu hoffen, dass dies auch der Fall sein wird. Zudem wurden die prognostizierten 20% Ersparnis bei Weitem nicht erreicht. Eine Interpretation der Ergebnisse könnte also auch derart erfolgen, dass bei den damaligen Wirtschaftlichkeitsberechnungen die Ersparnisse um 12,0-17,5% zu hoch angesetzt waren. Legt man nun diese Erfahrungen zugrunde, müsste die ÖPP-Variante für das Frischezentrum verworfen werden. Dass die Schulleiter, Eltern und Schüler mit der Sanierung zufrieden sind steht sicher außer Frage. Dies wären Sie aber auch bei einer Eigenrealisierung gewesen! Gleiches gilt wahrscheinlich auch für die Termintreue und Bauzeitensicherheit.

Hinweis: Der Verweis auf die Erfahrungen bei den Kölner Schulsanierungen ist nicht Bestandteil der Machbarkeitsstudie, sondern erfolgte durch die Verwaltung der Stadt Köln.

Lebenszyklusmodell

Das Lebenszyklusmodell wird durchgängig als vorteilhaft für die Kommune beschrieben. Völlig außer Acht gelassen wird hierbei, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes in der Realität 80-100 Jahre beträgt. Im vorliegenden Fall wird von einer Vertragsdauer von 30 Jahren ausgegangen. Danach fällt das Objekt wieder in die Verantwortung der Stadt. D.h. das Gebäude wird vom Projektpartner alleine aus betriebswirtschaftlich zwingender Logik in einer Qualität errichtet werden, dass ein wirtschaftlicher Betrieb 30 Jahre lang möglich ist und nicht wie üblich 80-100 Jahre. Für das, was nach Ablauf der 30 Jahre mit dem Objekt geschieht zeichnet sich der Projektpartner schließlich nicht mehr verantwortlich.

Selbst der Bundesrechnungshof kann aufbauend auf seinen Prüfungserkenntnissen keinen spezifischen Vorteil des Lebenszyklusmodells erkennen, sondern im Gegenteil stellten sich bei den untersuchten Projekten Nachteile des Modells heraus. Die starre Projektlaufzeit (idR. 30 Jahre) erlaubt kaum auf Änderungen zu reagieren, da angenommene Indizierungen nur Annahmen aus der Vergangenheit für die Zukunft sind, die normalerweise so nicht eintreten. Ebenso kann auf technische Innovationen im Gegensatz zur Eigenregie nur träge oder gar nicht reagiert werden. Selbst durch Anpassungsklauseln kann nicht flexibel genug reagiert werden. Der gesamte Betrieb und die Dienstleistungen werden für 30 Jahre dem Wettbewerb entzogen. Dies wird in der Studie verschwiegen, bzw. sogar positiv hervorgehoben.

Weitere Eventualitäten können unmöglich für 30 Jahre vorhergesehen und vertraglich definiert werden. Dies wird auch einem bestens aufgestellten Vertragsmanagement unmöglich gelingen. Dieser Sachverhalt führt bei den vom Bundesrechnungshof untersuchten Projekten zu teils erheblichen Zusatzkosten im Laufe der Vertragslaufzeit. Im vorliegenden Gutachten müssten hier eigentlich entsprechend hohe Risikozuschläge für die ÖPP-Varianten eingepreist werden. Tatsächlich aber werden alle Risikozuschläge für die ÖPP-Varianten niedriger angesetzt als für die Eigenrealisierung.

Case-Betrachtungen, Berechnungsmethoden

Szenario-Analysen stellen im wirtschaftlichen Bereich eine gängige Vorgehensweise zur Entscheidungsfindung dar, die in den BWL-Lehrbüchern beschrieben sind. Hierbei werden Eintrittswahrscheinlichkeiten in der Spanne zwischen Best- und Worst-Case berechnet.

In der vorliegenden Machbarkeitsstudie werden lediglich der Base Case und der Best Case betrachtet. Eine Worst-Case-Betrachtung erfolgt nicht. Unwissenheit kann hier sicher nicht unterstellt werden, da es sich um BWL-Grundwissen handelt. Die Autoren müssen also andere Beweggründe gehabt haben, die aus dem Gutachten nicht hervorgehen.

Zudem fordert der Bundesrechnungshof einen bereinigten Wirtschaftsvergleich, d.h eine Szenario-Berechnung ohne Risikozuschläge. Auch diese Szenario-Betrachtung fehlt im vorliegenden Gutachten.

Barwertmethode

Neben dem Barwertvergleich verlangt der Bundesrechnungshof die Zeitwertmethode um die zukünftigen Haushaltsbelastungen darzustellen. Dieser Empfehlung folgen die Autoren nicht. Die Gründe hierfür bleiben offen.

Zeiten für Vertragsabschluss, Planung und Bau

Laut Gutachten ist mit einer Zeitspanne für Vorbereitungszeit bis zum Abschluss des ÖPP-Vertrages im Vergleich zur Eigenrealisierung zu rechnen, da diese „komplex und langwierig“ sei. Allerdings sollen die Planung und der Bau um bis zu 33% schneller gehen als durch Eigenregie. Die Zahl „33“ erscheint aus dem Nichts. Es wird nur darauf hingewiesen, dass von diesen 33% auszugehen ist. Die Zahl „33“ ist weder begründet noch nachvollziehbar berechnet. Woher stammt also diese Zahl und wie soll diese überhaupt bestimmt werden können, wenn der Vertrag noch gar nicht bekannt ist? Hinzu kommt, dass eine Aussage „bis zu 33%“ „Alles und Nichts“ bedeuten kann (Spanne: Minus Unendlich bis Plus 33%).

Durch eine Dringlichkeitsbegründung der Verwaltung wird zusätzlich Druck aufgebaut, da das Frischezentrum bis 2020 fertig gestellt sein müsste. Der Ratsbeschluss für die Verlagerung des Großmarktes wurde im Jahr 2007 gefällt, also vor 8 Jahren. Vor diesem Hintergrund ist es nur schwer verständlich, dass die Entscheidungsträger mit einer Dringlichkeitsbegründung unter Zeitdruck gesetzt werden und gleichzeitig suggeriert wird, dass dieser Zeitplan nur mit der ÖPP-Variante einzuhalten sei.

Vor- und Nachteile der Modellvarianten (Eigenrealisierung vs. ÖPP)

Auf den Seiten 80-81 werden für die Eigenrealisierung folgende angebliche Nachteile aufgeführt:

  • „Volle Risikotragung in Bezug auf Kosten- und Marktrisiken durch die Stadt“

Anm.: Auch im ÖPP-Modell trägt die Stadt die gravierendsten Risiken (Vermietungsrisiko, Insolvenzrisiko des ÖPP-Partners etc., s. Abschnitt „Risikoanalyse/-verteilung“)

  • „Kurz- bis mittelfristig ausgelegtes Modell, kein Lebenszyklusansatz“

Anm.: Bei Eigenrealisierung wird üblicherweise das Objekt für 80-100 Jahre geplant und ausgelegt. Das Lebenszyklusmodell ist somit ein Nachteil für das ÖPP-Modell und nicht für die Eigenrealisierung (s. Abschnitt „Lebenszyklus“)

  • „Kein bzw. eingeschränkter Leistungswettbewerb“

Anm.: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Bei Eigenregie hat die Stadt sowohl in der Planung, als auch beim Bau und beim Betrieb das Heft in der Hand. Hingegen wird beim ÖPP-Modell die Handlungsfähigkeit für die Planung, den Bau und die 30-jährige Betriebszeit aus der Hand gegeben. Der Leistungswettbewerb wird somit für drei Jahrzehnte ausgeschaltet!

Auf der Seite 82 werden für das ÖPP-Modell folgende Vorteile aufgeführt:

  • „Volle Steuerungsmöglichkeiten (aber eingeschränkte Eingriffsmöglichkeiten) der Stadt für alle mit dem Frischezentrum zusammenhängenden Leistungen“

Anm.: Dem ist mitnichten so. Die Stadt kann nur in dem Rahmen steuern, der vertraglich vereinbart wurde. Und dieser vertragliche Rahmen ist dann für die nächsten 30 Jahre festgelegt. Es können unmöglich 30 Jahre im Voraus alle Eventualitäten erfasst und durch Regeln und Anpassungsklauseln vorausgesehen werden.

  • „Systematische Risikoverteilung zwischen dem privaten Partner und der Stadt möglich“

Anm.: Das wäre vielleicht annähernd möglich. Laut Wirtschaftlichkeitsgutachten werden die Risiken allerdings sehr ungleichmäßig zum Nachteil der Stadt verteilt (s. Abschnitt „Risikoanalyse/-verteilung“)

  • „Vertraglich fixierte Anreizmechanismen führen zur Kosten- und Leistungsoptimierung“

Anm.: Das ist eine Behauptung, die erst unter Beweis gestellt werden muss. Erfahrungen in anderen ÖPP-Projekten zeigen, dass diese „Anreizmechanismen“ in Lohndumping, Sub-/Subunternehmertum, prekären Arbeitsverhältnissen und Qualitätseinbußen münden.

  • „Langfristig ausgelegtes Modell, Lebenszyklusansatz wird berücksichtigt“

Anm.: Im Vergleich zur Objektbetriebsdauer bzw. Lebensdauer (80-100 Jahre) ist das ÖPP-Modell eher kurzfristig ausgelegt. Das Lebenszyklusmodell ist ein Nachteil und kein Vorteil (s. Abschnitt „Lebenszyklus“)

  • „Leistungen werden im Wettbewerb vergeben“

Anm.: Das mag für die Planung und den Bau zutreffen, würde aber ebenso bei Eigenrealisierung zutreffen. Hinzu kommt, dass die Stadt keine Einflussmöglichkeiten hat auf die Auftragsvergaben einzuwirken. Dies obliegt alleine dem ÖPP-Partner. Erfahrungen in anderen ÖPP-Projekten zeigen, dass die Leistungen eher an internationale Großkonzerne statt an regionale Mittelständler vergeben werden. Nach der Bauphase werden dann alle Betriebsleistungen für 30 Jahre dem Wettbewerb entzogen.

Forfaitierung mit Einredeverzicht

Forfaitierung mit Einredeverzicht bedeutet Folgendes: Die ÖPP-Projektgesellschaft verkauft die Forderungen der Baumaßnahme gegenüber der Stadt idR. unmittelbar nach Vertragsabschluss an eine Bank. Die ÖPP-Projektgesellschaft haftet dann nicht mehr für die Rückzahlung, sondern die Stadt, unabhängig davon, ob der ÖPP-Partner seine Leistungen erbringt (Einredeverzicht). Für die Stadt würde die Miete für das Frischezentrum dadurch faktisch in einen Privatkredit zu deutlich schlechteren Konditionen umgewandelt. Für die Zinsen und die Tilgung haftet nun die Stadt in jedem Fall egal was die ÖPP-Projektgesellschaft liefert! Es handelt sich hierbei um kreditähnliches Rechtsgeschäft. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Stadt faktisch einen Privat- statt Kommunalkredit aufgenommen hat bei gleichzeitiger Risikoübernahme vom ÖPP-Partner. In diesem Fall summiert sich dieser Nachteil zu Lasten der Stadt auf mehrere Millionen Euro (alleine ca. 1 Million Euro Gebühren für die Arrangierung des Kredits). Zudem besteht die Gefahr, dass der Kredit weiterverkauft und/oder in handelbares Wertpapier umgewandelt werden (ABS = Asset Backed Securities)

Der Bundesrechnungshof äußert sich zur Forfaitierung mit Einredeverzicht wie folgt:
„Im Gegensatz zur Projektfinanzierung kommt es bei dem Finanzierungsmodell der Forfaitierung mit Einredeverzicht zu einer eindeutigen Verschiebung der Risiken in Richtung öffentlicher Hand. Bei einer Insolvenz der Projektgesellschaft muss der öffentliche Auftraggeber nicht nur seine Verpflichtungen gegenüber der finanzierenden Bank erfüllen, sondern ggf. auch forfaitierte Leistungen in der Betriebsphase übernehmen bzw. neu ausschreiben. Das bedeutet unter Umständen, dass zumindest streckenweise die Entgeltzahlung für Leistungen fortdauert, die von der Projektgesellschaft nicht mehr erbracht werden.“

Es gibt keine Vorteile für die Stadt, sondern nur für den ÖPP-Partner, der sofort Kasse machen kann. Die Stadt zahlt mehr Geld für erhöhtes Risiko bei gleichzeitigem Verzicht auf die „Einrede“! Die Stadt gibt somit das wirksamste und letzten Endes einzige Druckmittel aus der Hand nämlich die Zurückbehaltung oder Verweigerung von Zahlungen bei Nichterbringung von Leistungen durch den ÖPP-Partner. Im Extremfall, muss die Stadt die vollen Forderungen bedienen, während der Projektpartner keinerlei Leistungen mehr erbringt (z.B. im Insolvenzfall, der durch das geringe Eigenkapital der Projektgesellschaft in Betracht gezogen werden muss.).

Risikoanalyse-/Verteilung

Auf Seite 94 findet sich folgendes Statement: „Vor dem Hintergrund, dass in einem ÖPP-Modell die Risiken übertragen werden sollten, die der Private besser und effizienter steuern kann, ist davon auszugehen, dass hierin ein Kostenvorteil des Privaten liegt“.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass alle schlecht und ineffizient zu steuernden Risiken bei der Stadt verbleiben und dieser somit ein Kostennachteil entsteht. Und so ist es offensichtlich auch geplant. So verbleibt das bei einem Mietobjekt größte Risiko, nämlich das Vermietungsrisiko zu 100% bei der Stadt. Die Stadt wird gegenüber dem ÖPP-Partner (oder bei Forfaitierung gegenüber der Bank) faktisch zum Generalmieter unabhängig davon, ob die Mieten der eigentlichen Mieter vollständig oder nur teilweise gezahlt werden und unabhängig davon ob die Flächen überhaupt vermietet werden. Für den ÖPP-Partner bzw. die Bank also volle Risikoabtretung an die Stadt bei gleichzeitiger Renditegarantie für die der Steuerzahler haftet.

Auf das Insolvenzrisiko des ÖPP-Partners wird in der Studie überhaupt nicht eingegangen, obwohl dies für die Stadt katastrophale Folgen haben könnte. Dies gilt insbesondere bei der Forfaitierung mit Einredeverzicht. Hier müsste ein ganz erheblicher Risikoaufschlag bei der ÖPP-Variante zugerechnet werden, was aber nicht erfolgt.

Zudem suggeriert die Aussage, dass ein Privater die Risiken besser und effizienter steuern könnte als die Stadt. Diese Aussage wird weder begründet noch mit Beispielen unterlegt, sondern lediglich auf „eigene“ Erfahrungen und Leitfäden verwiesen. Interessant ist diese Begründung, da es sich bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb eines Großmarktes/Frischezentrum um ein ÖPP-Pilotprojekt handelt.

Bei einer seriösen Berechnung dieser Risiken sollte sichergestellt sein, dass alle betrieblich relevanten Kenngrößen wie. z.B. Ressourcenkosten, Personalkosten, Mietpreisentwicklungen, Mietauslastung etc. für die nächsten 35 Jahre bekannt sind. Eventuelle Nutzungsänderungen des Objekts sind aber in dem Wirtschaftlichkeitsgutachten bei der Risiko-Berechnung nicht berücksichtigt. Ein Nutzungsprofil für das Objekt liegt noch gar nicht vor.

Auf Seite 105 findet sich folgende Aussage: „Bislang liegen noch keine statistisch belastbaren Auswertungen darüber vor, ob die vertraglich vereinbarten Kosten bzw. Entgeltzahlungen (und damit auch die genannten Effizienzvorteile) an den privaten Partner auch während der Vertragslaufzeit und im Projektverlauf tatsächlich bestätigt werden, da sich viele Projekte noch in der Bauphase befinden oder keine Evaluation durchgeführt wurde.“

Trotzdem wird ein Effizienzvorteil beim ÖPP-Modell von 15% angesetzt mit der Begründung des „möglichen Optimierungsspielraumes im vorliegenden Projekt“. Dieser Spielraum liegt bei Eigenrealisierung natürlich genauso vor, es wird aber unterstellt, dass die Stadt diesen nicht nutzen würde.

Auf Seite 111 wird zu Nutzungskosten Folgendes ausgeführt: „Vor dem Hintergrund des möglichen Optimierungsspielraumes im vorliegenden Projekt, wurde der Effizienzvorteil der ÖPP-Modelle in Höhe von 15% der Instandsetzungskosten angesetzt“

Diese Effizienzvorteile können in Eigenregie natürlich genauso genutzt werden! Stattdessen werden Sachverhalte angeführt um diese Annahme zu stützen. Zum Beispiel, dass der ÖPP-Partner LED-Technik einbaut. Darf die Stadt das etwa nicht? Oder es werden im ÖPP-Modell niedrigere Reinigungskosten angesetzt weil der ÖPP-Partner eine andere Gebäudegeometrie und Materialien verwendet. Auch das soll bei Eigenregie nicht möglich sein? Es finden sich in dem Gutachten noch weitere derartige Beispiele für den angeblich wesentlich effizienteren ÖPP-Partner.

Runde und unbegründete Risikoaufschläge wie 15% oder 20% deuten im Übrigen eher auf eine willkürliche Festlegung als auf eine seriöse Berechnung hin.

Sonstiges

  • Auf den Seiten 75/76 wird die Durchschnitts-Miethöhe für Büroflächen in Marsdorf mit 8,00-12,00 € angegeben. Für den Großmarkt werden aber nur 7,00 € Mieteinnahmen für die Büroflächenvermietung eingeplant. Wie begründet sich diese Diskrepanz?
  • Auf der Seite 82 wird die Behauptung aufgestellt die zwischengeschaltete Projektgesellschaft hätte mehr Erfahrung als die Stadt und dies würde zu Effizienzvorteilen führen. Und das, obwohl nach eigenem Bekunden der Gutachter noch nie ein Großmarkt/Frischezentrum in ÖPP-Form in Deutschland errichtet oder betrieben worden ist. Eine neu zu gründende Projektgesellschaft soll also mehr Erfahrungen in diesem ÖPP-Pilotprojekt einbringen als die Stadt, die jahrzehntelange Erfahrungen in diesen Bereichen vorweisen kann?
  • Auf der Seite 89 findet sich folgende Aussage: „Der private Partner würde in den ÖPP-Modellen parallel für seine zu verantwortenden Betriebsleistungen ein eigenes Objektmanagement aufbauen“ Das ist kein Effektivitätsgewinn sondern ein Aufblähen der Verwaltung durch Parallelstrukturen. Dies wird allerdings bei den ÖPP-Modellen nicht als Nachteil aufgeführt.
  • Auf Seite 81 findet sich folgender Satz „Bisher ist kein Frischezentrum oder Großmarkt in Deutschland im Rahmen eines ÖPP-Modells realisiert worden. Aus diesem Grund unterstützt die PPP-Task-Force NRW die Stadt Köln als Pilotvorhaben“ Die Stadt Köln soll also mit dem Frischezentrum als Pilot dazu dienen um festzustellen ob ein Großmarkt/Frischezentrum in ÖPP-Form wirtschaftlich betrieben werden kann.
  • Auf Seite 92 werden die Finanzierungskonditionen für die Stadt mit 3,8% angeben. Nach aktuellen Recherchen ist diese Zahl weit überhöht und stellt somit einen wichtigen Parameter dar, der das Ergebnis zu Gunsten der ÖPP-Varianten beeinflusst.
  • Die Finanzierungskonditionen für das ÖPP-Modell werden auf Seite 117 mit 4,1% angegeben. Auf Seite 106 finden sich allerdings andere Zahlen (Zinsen: 4,76%, 1,5% Kredit-Arrangierungskosten, 0,5% Bereitstellungszinsen). Welche Zahlen der Berechnung zugrunde liegen geht aus dem Gutachten nicht hervor.

Fazit

  • Vorgaben des Bundesrechnungshofes wurden mehrfach ignoriert
  • Betriebswirtschaftliche Lehrbuch-Standards wurden ignoriert (z.B. Worst-Case wurde nicht betrachtet)
  • Unfaire Risikoverteilung zu Lasten der Stadt (z.B. 100% Vermietungsrisiko)
    Unbegründete/falsche/willkürliche Risikoaufschläge zu Lasten der Stadt.
  • Falsche Darstellung der Vor- und Nachteile (Vertauschung)
  • Unterschlagung von Risiken beim ÖPP-Modell (z.B. Insolvenz)
  • Stadt Köln trägt das „ÖPP-Großmarkt-Pilot-Risiko“
  • Massiv höhere Finanzierungskosten für die Stadt beim ÖPP-Modell
  • Beschneidung der Rechte der Stadt (Einredeverzicht)
  • Nahezu Ausschaltung des Wettbewerbs bis zum Jahr 2050
  • Steuerzahlergarantierte maximierte Rendite für den ÖPP-Partner bei gleichzeitiger Minimierung der Risiken
  • Unterschiedliche und nicht belegte Zahlen bei den Finanzierungskonditionen
  • Berechnungen im Gutachten sind nicht nachvollziehbar
  • Handelt es sich wirklich um ein seriöses/sorgfältiges und nach betriebswirtschaftlich üblichen Methoden erstelltes unabhängiges Gutachten?

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Auf der Internetseite der Stadt Köln sind die Unterlagen für den Beschluss zu finden: http://ratsinformation.stadt-koeln.de/vo0050.asp?__kvonr=46642&voselect=13751

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Presseschau:

11.06.2015 Kölner Stadt-Anzeiger: „Keine Mehrheit im Stadtrat für das ÖPP-Modell“

09.06.2015 Kölner Stadt-Anzeiger: „Kölner Großmarkt-Debatte als Musterbeispiel für Lobbyismus“

21.05.2015 Kölner Wochenspiegel: „Umstrittenes Gutachten: Stadt will neuen Großmarkt realisieren“

24.04.2015 Kölner Stadt-Anzeiger: „Großmarkt in Marsdorf ist ein Minusgeschäft für die Stadt“

24.04.2015 Kölner Stadt-Anzeiger: „Debatte aus Verzweiflung“

14.04.2015 Kölnische Rundschau: „Beschleuniger für den Großmarkt in Köln“

13.04.2015 Kölner Stadt-Azeiger: „Abenteuerliche Pläne für den neuen Kölner Großmarkt“

13.04.2015 Kölner Stadt-Azeiger: „Investor soll den neuen Kölner Großmarkt bauen“

1 comment

  1. Gut das die Kölner Bürger nicht so blöd sind, auf sich die Kosten eines Großmarktes abwälzen zu lassen.Handelskonzerne saugen Kommunen und Regionen blutleer und wollen dann dazu noch ihre Kosten für ihre Profite abwälzen.Solchen Selbstbedienungshebelziehern (Aktionären) und Weltruinören sollte man auf jeden Fall die rote Karte zeigen.

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