SPD verhindert die Privatisierung schon wieder – nicht

Ein Kommentar von Carl Waßmuth / GiB

Die Berliner Zeitung hat einen Änderungsentwurf zur Grundgesetzänderung zur Autobahnreform veröffentlicht. Klingt kompliziert und ist es auch. Aber mit etwas Geduld lässt sich das vereinfachen. Und das geht so: Die Autobahnverwaltung soll privatisiert werden, Bau und Betrieb werden geöffnet für private Investoren. Privatisierung also? Nicht mit der SPD! – sagte Fraktionschef Thomas Oppermann gegenüber der ARD-Sendung Monitor. „Auch grundgesetzlich?“ – fragte das Team noch. Doch Oppermann entschwand und sagte nur noch über die Schulter: „Das klären wir in der Beratung.“ Gut gebrüllt, Löwe. Die Beratung war jetzt, und herausgekommen ist: Murks. Noch schlimmer: Murks am Grundgesetz. Am schlimmsten ist: Mit diesem Murks kann künftig fröhlich privatisiert werden.

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In GG Art 90 Entwurf Absatz 2 soll künftig stehen: „Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen.“ Das wäre bezogen auf Privatisierung das ‚Loch der Löcher‘. Dieses Loch (manche sagen verschämt „Hintertür“) erlaubt, dass die Verwaltung zu einem Privatunternehmen wird. Bisher steht dort „bundeseigene Verwaltung“ und damit ist die Gemeinwohlverpflichtung sichergestellt. Die Umwidmung zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen installiert das Prinzip ‚Gewinnmaximierung vor Gemeinnutzen‘.

Alle anderen Privatisierungslöcher folgen aus dieser Entscheidung. Und diese Entscheidung blieb leider in der Oppermannschen „Beratung“ unangetastet. Das bedeutet auch: Eine materielle Privatisierung ist weiter möglich. Die Unveräußerlichkeit der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften schützt davor nicht. Verkauft werden können Grundstücke, Rechte, Verträge, Aufträge uvm. Außerdem kann man Private auch ohne Vollverkauf beteiligen: über stille Beteiligungen oder Genussscheine. Das kostet viele Milliarden Euro an zusätzlichen Zinsen und räumt Privaten indirekt erhebliche Mitspracherechte ein. Die Berliner Wasserbetriebe wurden so privatisiert. Das wird alles im Grundgesetz nicht ausgeschlossen. Dazu kommen jetzt „einfachgesetzliche Schranken“. Einfachgesetzlich bedeutet, kann mit einfacher Mehrheit schnell aufgehoben werden.

Es gibt ein Begleitgesetz, das in Artikel 13, § 5 Absatz 2 regeln soll: „Die Gesellschaft kann sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen.“ Auch das wird nicht angetastet. Die Folge ist ein Riesen-Privatisierungsloch. Massives Outsourcing und ÖPP werden ermöglicht. Durch dieses Loch kann das wesentliche Volumen der Gesellschaft an Private abgegeben werden – ohne einen einzigen echten Verkauf. Die Gesellschaft kann theoretisch nur ein paar 100 Beschäftigte haben. Die Länder müssen ihren Leute betriebsbedingt kündigen, wenn der Bund sie nicht übernimmt. Oder sie bezahlen die Leute jahrzehntelang, ohne sie beschäftigen zu können. Was macht man mit einem 35 Jahre alten verbeamteten Autobahnmeister, wenn man keine Autobahnen mehr hat?

Altschulden“ sollen ausgeschlossen werden. Aber das ist ein fragwürdiger Begriff. Eine Gründungsverschuldung ist damit auch nicht ausgeschlossen. Die Gründungsverschuldung entsteht durch den auf der Nutzungsrechte. Das können schnell 60 oder 80 Mrd. Euro sein, die man dem Bundeshaushalt rüberschiebt. Geschweige denn eine spätere Verschuldung. Dazu verschuldet sich die Gesellschaft eben selbst, sie bekommt die Altschulden dann ja nicht übertragen. Pure Bankkredite werden auch ausgeschlossen. Das schließt allerdings nicht aus, dass sich die Gesellschaft anderweitig verschuldet (s. stille Beteiligungen, Genussscheine) und ÖPP).

Ausgeschlossen werden sollen ÖPPs über 100 km. Alle bisherigen ÖPP lagen unter 100 km, keines davon wäre also wegen der neuen Regel ausgeschlossen worden. Die ÖPP-Strecke auf der A7 war beim letzten „financial close“ 65 km lang und kostet (bisher) über die 30 Jahre Laufzeit 1,6 Mrd. Euro. Wäre die Strecke 100 km lang, müssten proportional 2,5 Mrd. Euro bezahlt werden. Wir haben 13.000 km Autobahnen! Platz für 130 mal 2,5 Mrd. Euro an ÖPP-Projekten – über 300 Mrd. Euro vom Staat für Versicherungen und Banken! ÖPPs sollen zudem „nicht verbunden“ werden. Das schließt aber Netz-ÖPP nicht aus. ÖPPs sind handelbar! Jeder, der viel Geld hat (wie z.B. institutionelle Anleger oder Hedge-Fonds), kann sich sein Teilnetz aus 100-km-Stücken zusammenkaufen. Außerdem ist der wesentliche Kostentreiber gar nicht der Netz-Charakter von ÖPP, sondern ÖPP an sich. Das will heißen: Teuer wirds auch, wenn es jede Menge 50 km-Stücke gibt.

Die neue Gesellschaft soll doch nicht „Mautgläubigerin“ werden, sprich Lkw- und Pkw-Maut einziehen. Das ist erst mal gut, wenn man auch sagen muss, dass so was heute auch schon nicht geht. Es wird also in diesem Punkt nicht schlechter. Teilweise. Denn nicht ausgeschlossen werden damit andere Konzessionsformen. Nicht ausgeschlossen werden vor allem erhebliche Mautsteigerungen. Der Bund wird bei der vorgeschlagenen Rechtskonstruktion nämlich zum Mauteintreiber für die Privaten. Die Privaten können nach einer Übergangsphase den Staat leicht erpressen. Der hat dann kein Personal mehr, aber die hoheitliche Verantwortung für die Sicherheit auf den Autobahnen. Wenn ein Konzessionär z.B. aufgrund zu geringer Mauteinnahmen pleitegehen würde (das haftende Eigenkapital beträgt üblicherweise nur 25.000 Euro) könnte der Staat nicht mehr einspringen. Also besorgt er dem Konzessionär die Einnahmen, die er fordert. Ein bekanntes Beispiel sind die Berliner Wasserbetriebe, bei denen das Land Berlin Veolia und RWE über stark steigende Wassergebühren die Gewinne besorgt hat. Im britischen Schienenverkehr gibt es gut zwei Dutzend Konzessionäre, die regelmäßig mit Insolvenzdrohungen mehr Geld erpressen . In der Folge ist Bahnfahren in Großbritannien im weltweiten Vergleich irre teuer, siehe z.B. den McNulty-Report.

Sie wollen das alles nicht? Dann schreiben Sie Ihren Abgeordneten im Wahlkreis! Die können das tatsächlich verhindern. 17 Prozent der Abgeordneten aus den Regierungsfraktionen reichen aus! Wenn so viele „Hinterbänkler“ mit Nein stimmen, kommt die zwei-Drittel-Mehrheit am 19. Mai im Bundestag nicht zustande.

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