Sachsen-Anhalt: ÖPP-freies Bundesland!

Wappem Sachsen-Anhanlt, Quelle: Wikipedia
Wappem Sachsen-Anhanlt, Quelle: Wikipedia

Kommentar von Carl Waßmuth / GiB

Das Land Sachsen-Anhalt hat aufgrund der schlechten Erfahrung mit ÖPP, vor wenigen Tagen beschlossen, keine neuen ÖPP-Projekte zu machen.

„Sachsen-Anhalt beendet ein vor wenigen Jahren noch hoch gelobtes Experiment zur alternativen Finanzierung öffentlicher Bauvorhaben – die sogenannten PPP-Projekte. „Vom Land wird es derzeit kein PPP mehr geben“, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Felgner (SPD) auf Anfrage der Mitteldeutschen Zeitung. Hintergrund der Entscheidung des Finanzministeriums sind die massive Kritik des Landesrechnungshofs und des Finanzausschusses des Landtages. Beide sehen in PPP-Projekten keinen finanziellen Vorteil, sondern vor allem Risiken.

Zwischenzeitlich hat das Ministerium auch seine PPP-Taskforce aufgelöst: Für die Beratertruppe für Kommunen „gibt es keinen Bedarf mehr“, so Felgner.“

Quellen:

Ende des Finanzierungsexperiments. Land verabschiedet sich von PPP-Projekten“, Mitteldeutsche Zeitung, 15.8.2014

PPP-Projekte: Abkehr vom Wundermittel“, Mitteldeutsche Zeitung, 16.8.2014

GiB begrüßt diese Entscheidung

Für das Modell PPP haben Bund, Länder und Kommunen bereits Milliarden Euro an Steuergeldern bezahlt – und dafür weit weniger bekommen als bei konventioneller Vergabe. Die Rechnungshöfe prangern das seit Jahren an, endlich scheint die Botschaft anzukommen. Aber das ist noch nicht alles. PPPs sind ultralanglaufende Verträge. Zumeist wird eine Infrastruktur der Daseinsvorsorge über 30 Jahre einem privaten Investor ausgeliefert. Dessen PPP-Projektgesellschaften weisen immer nur das Minimum an haftendem Eigenkapital auf: die 25.000 Euro einer GmbH – und das oft bei Projektvolumen von mehreren hundert Millionen Euro. Werden diese Projektgesellschaften am Ende der Vertragslaufzeit mit Regressforderungen konfrontiert, melden sie sofort Insolvenz an. Das bedeutet, dass wir aus den aktuell laufenden PPPs Infrastrukturen zurückzuerhalten, die sich möglicherweise in einem schlechteren Zustand befinden als vor der Vergabe per PPP – ohne dass wir jemanden dafür haftbar machen können. Mehr Geld für schlechtere Infrastrukturen – das kann nicht das Modell der Zukunft sein.

Ist das ein Einzelfall oder werden auch andere Länder dem Beispiel folgen?

Die schlechten Erfahrungen mit PPP waren in den letzten Jahren sehr massiv: Bei der Hamburger Elbphilharmonie, einem 2007 mit dem „PPP-Innovationspreis“ ausgezeichnetem Projekt, haben sich die Kosten verzehnfacht – und der Bau ist noch lange nicht fertig. In Keitum wurde vor einer 14 Mio. Euro teuren PPP-Investitionsruine eine Gedenktafel angebracht: “Lernort PPP oder wie der Traum vom Thermalbad zum finanziellen Alptraum wurde.” Das Land Berlin macht schon lange keine PPPs (1). In Niedersachsen hat sich die Landesregierung massiv dagegen gewehrt, einen Autobahnabschnitt der A7 per PPP zu sanieren. Auch in Baden-Württemberg kriselt es mit den laufenden PPPs, Verkehrsminister Herrmann ist mit Baustopps und Insolvenzdrohungen des PPP-Betreibers auf der A5 konfrontiert, neue Projekte sind mehr als fraglich (3). Weitere Bundesländer werden vermutlich auch bald aus PPP aussteigen – die meisten vermutlich aber eher leise, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf die gleichfalls mitverantwortete Verschwendungspraxis zu lenken.

Welche Signalwirkung hat das für den deutschen PPP-Markt?

Die Signalwirkung dürfte enorm sein. Sachsen-Anhalt verzichtet nicht nur künftig auf PPP, es steigt konsequenterweise auch aus der staatlich finanzierten Lobby-Arbeit für PPP aus und löste seine PPP-Taskforce auf. Dem werden nicht nur andere Kommunen und Bundesländer folgen. Auch bei Anlegern und kreditgebenden Banken könnte wird sich die Angst verbreiten, ein totes Pferd zu reiten. PPP-Projekte haben heute schon ein BB+-Rating (4), in der Umgangssprache von Wirtschaftsjournalisten wird das zuweilen mit „Ramschstatus“ umschrieben. Mit dem neuen Glaubwürdigkeitsverlust tritt ein sich selbst verstärkenden Effekt in Kraft. Selbst wer noch PPP machen möchte, wird von den hohen Kreditzinsen für diese Hochrisikoanlagen abgeschreckt, das Rating wird in der Folge noch schlechter. Vermutlich wird die Bundesregierung bald der einzige staatliche Akteur sein, der in Deutschland noch auf PPP setzt. Bis das Thema auch dort in den Wahlkampf kommt.

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Anmerkungen:

(1) https://www.spd-berlin.de/w/files/spd-parteitage/2013-05-25-lpt-beschluesse.pdf
Beschluss des Landesparteitags der SPD vom 25. Mai 2013, Seite 4, Thema: Privatisierung

Die SPD lehnt jede Form der Privatisierung staatlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge ab. Das gilt insbesondere für die Privatisierung in der Form der angeblichen Zusammenarbeit von Privaten und dem Staat (PPP). Die SPD setzt sich daher insbesondere dafür ein,
– dass die Zahlungsverpflichtungen aus PPP-Verträgen bundesweit in die Verschuldung eingerechnet werden, die Deutschland an Maastricht meldet,
– die ÖPP Deutschland AG aufgelöst wird,
– eine Verpflichtung zur Veröffentlichung aller PPP-Verträge gesetzlich einzuführen,
– Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nur von staatlichen Behörden anstellen zu lassen und dafür die personellen Grundlagen zu schaffen,
– die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben in der Daseinsvorsorge ohne private Finanzierung durchführen können

Privatisierungen – in welcher Form auch immer – durch die ein Monopol geschaffen wird, wie dies beispielsweise bei der Wasserversorgung der Fall ist, müssen rekommunalisiert werden.

(2) http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=na&dig=2014%2F03%2F15%2Fa0125&cHash=81779114b9e9520abe392c706a51bafc

(3) http://www.schwaebische.de/region/baden-wuerttemberg_artikel,-Die-Problemzone-der-A8-soll-weichen-_arid,10040838.html

PPPs gibt es bei Kliniken, Wasserversorgungen – und eben auch bei Straßen. Im Fall des Albaufstiegs sollten Autofahrer an Autobahnmautstellen für die Benutzung zur Kasse gebeten werden. Das Mauthäuschen zumindest sei vom Tisch, sagt Winfried Hermann. Er und seine Partei kritisieren PPPs grundsätzlich als schlecht für den Staat und gut für Unternehmen.

(4) Dass es bei PPP um üblicherweise um ein BBB oder BB+ Rating geht, darauf verweist die europäische PPP(-Lobby)-Agentur EPEC:
http://eib.europa.eu/attachments/thematic/epec_financing_ppps_with_project_bonds_en.pdf

Credit quality –
Bond investors typically invest in high quality assets (i.e. with a low loss probability). To meet investors’ expectations, the “arrangers” of bond issues (usually banks) involve rating agencies and seek to structure their transactions so as to achieve a credit rating of about A- or above. 2)
As the typical PPP project is structured to achieve a BB+ or BBB – rating, bond financings are likely to involve “credit enhancing” instruments (e.g. the EU 2020 Project Bond Initiative 3), debt tranching, fuller performance bonds) to achieve the rating required by investors.

2) This paper uses Standard & Poor’s rating scale (from excellent to poor): AAA, AA+, AA, AA-, A+, A, A-, BBB+, BBB, BBB-, BB+, BB, BB-, B+, B, B-, CCC+, CCC, CCC-, CC, C, D.
3) See http://www.eib.org/about/news/the-europe-2020-project-bond-initiative.htm

Man kann die Ramsch- oder Hochrisiko-Aussage auch aus den Finanzmarktberichten der VIFG lesen:
2013: „Die Margen bewegen sich in der Bandbreite von 200 – 400 Basispunkten für Verfügbarkeitsprojekte“ (= 2 bis 4 Prozentpunkte über dem Zins für Bundesanleihen mit AAA-Rating, Anmerkung C.W.)
2014: „Dabei sind die Konditionen und die Margen (200 – 400 Basispunkte) in den letzten Monaten stabil geblieben. Laut EPEC lag die Durchschnittsmarge in Europa bei 320 Bsp. in 2013 (340 Bsp. in 2012) und die Durchschnittslaufzeit der Finanzierungen bei 20 Jahren.“
Im Durchschnitt 3,2 Prozentpunkte mehr bedeutet, dass die Finanzmärkte PPP-Projekte als deutlich riskanter einschätzen als die allgemeine Verschuldung der Bundesrepublik.
Die VIFG ist keineswegs PPP-kritisch, was Prof. Beckers im einer Bundestagsanhörung am 24.10.2012 zu folgender Bemerkung veranlasste:
„Bei den Fehlanreizen muss man sich aber auch die öffentlichen, halböffentlichen Gesellschaften angucken. Es ist sicherlich sinnvoll solche Gesellschaften öffentlich zu haben, wie die VIFG. Aber man muss sich auch fragen: Kann es nicht einen Übergang von der Beratung zum Lobbying geben, wenn eine VIFG nicht für Procurement allgemein, sondern nur für PPP zuständig ist? Also die Bürokratietheorie sagt ja schon, man hat ein gewisses Interesse daran, seinen Tätigkeitsbereich auszudehnen. Da sind sozusagen viele ÖPP Projekte mehr als weniger.“

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