Privates Kapital in öffentlicher Infrastruktur: einige Tricks

Bild: PPP-Irrweg-Kampagne

Bild: PPP-Irrweg-Kampagne

Von Carl Waßmuth / GiB

Versteckte Schuldenaufnahme

Privates Kapital in öffentlichen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge stellt eine versteckte Schuldenaufnahme dar. Zahlreiche Erfahrungen liegen dazu mit Public Private Partnerships (PPPs) vor. Mehrfach hat der Bundesrechnungshof darauf hingewiesen, zuletzt im Mai diesen Jahres: Mit den PPPs des Bundes wird die Schuldenbremse umgangen.

Beispiel 1:
In Spanien sind aktuell neun von zehn PPP-Betreiber der dortigen Autobahnen insolvent, der zehnte steht kurz vor der Insolvenz. Zugehörige Schulden von wenigstens 2,4 Milliarden Euro muss der spanische Staat übernehmen1.

Beispiel 2:
Griechenland wurde 2009 und in den Folgejahren vorgeworfen, es habe seine Schuldenstatistik frisiert, Tatsächlich waren darin zahlreiche PPP-Projekte nicht als Schulden verbucht worden, insbesondere die Mautstraße Maliakos-Kleidi zwischen Athen und Thessaloniki, der Flughafen Athen, die Autobahn Elefsina-Patras-Tsakona, der Unterwassertunnel und sowie die U-Bahn in Thessaloniki und längste Schrägseilbrücke der Welt, die Brücke über den Korinth. Experten aus EU-Kommission, der Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), fanden insgesamt eine Lücke im griechischen Staatshaushalt von 20 Mrd. Euro.

Höhere Kosten

PPPs und vergleichbare Formen von privatem Kapital in öffentlichen Infrastrukturen der Daseinsvorsorge sind eine deutlich teurere Form von Verschuldung als jede normale öffentliche Beschaffung und Finanzierung. Auch wenn die neuen Formen von privatem Kapital in öffentlichen Infrastrukturen künftig nicht mehr PPP genannt werden sollten – die Gesamtkosten betragen durch die unvermeidbar hohen Zinsen das zwei-bis vierfache der Investitionskosten. Soll die Rückzahlung der Investitionen über die Nutzerinnen und Nutzer erfolgen, so bedeutet das eine versteckte, aber massive Erhöhung von Gebühren. Statt explizite Schulden zu machen, würden die Einnahmen der Zukunft verpfändet, und das ebenfalls zu dem sehr hohen Zinssatz des privaten Kapitalmarkts. Gebührenerhöhungen dieser Art sind obendrein in großem Maße sozial ungerecht – als Verbrauchergebühren haben sie einen ähnlichen Effekt wie Mehrwertsteuererhöhungen und belasten vor allem die kleinsten und kleinen Einkommen sowie die konjunkturelle Entwicklung.

Beispiel 1:

Ein Unterschied in der Höhe der Kreditzinsen von vier Prozent führt bei einem 30 Jahre laufenden Annuitätendarlehen (nach 30 Jahren vollständig getilgt) zu 60 Prozent höheren Gesamtkosten. Zahlt der Bund zwei Prozent Zinsen für eigene Staatsanleihen, so kostet eine Investition von 10 Milliarden Euro mit Zinsen insgesamt 13,4 Milliarden Euro Zahlt er hingegen sechs Prozent für Bankkredite, so kostet eine Investition von 10 Milliarden Euro mit Zinsen insgesamt 21,8 Milliarden Euro, d.h. 63 Prozent mehr.

Das Insolvenzrisiko trägt der Staat

Im Vorfeld von PPP-Projekten ist häufig von Risikotransfer die Rede. Jeder solle in den Partnerschaften genau die Risiken übernehmen, die er am besten steuern und somit deren Kosten minimieren kann. In der Folge werden in den PPP-Verträgen angeblich zahlreiche Risiken gegen Vergütung an die Privaten übertragen. Tritt beim Privaten ein Risikofall ein und ist auch vor Gericht nicht abzuwenden, meldet er jedoch möglicherweise Insolvenz an. Sofern es für Infrastrukturen eine gesetzliche Vorsorgepflicht gibt, sind echte Privat-Insolvenzen in diesem Bereich jedoch gar nicht möglich. Straßen müssen sicher sein, Krankenhäuser funktionsfähig, Trinkwasser sauber etc.

Beispiel 1:
In Spanien sind aktuell neun von zehn PPP-Betreiber der dortigen Autobahnen insolvent, der zehnte steht kurz vor der Insolvenz. Zugehörige Schulden von wenigstens 2,4 Milliarden Euro muss der spanische Staat übernehmen2. Auch die bundeseigene (und PPP-freundliche) VIFG3 hatte bereits 2012 auf diese Entwicklung hingewiesen.

Beispiel 2:
In Baden-Württemberg hatte der dortige PPP-Betreiber auf der A5 „via solutions“ im Frühjahr 2014 zweitweise den Bau gestoppt, Ursache sollen Finanzierungsschwierigkeiten gewesen sein.4 Das Land Baden-Württemberg sollte nachzahlen – auf Kosten der öffentlichen Hand.

Beispiel 3:
Der Vertrag mit Toll Collect war einer der ersten großen PPP-Verträge Deutschlands. Wegen einer fast drei Jahre verspäteten Einführung fordert die Bundesrepublik Schadensersatz in Höhe von sieben Milliarden Euro von Toll Collect. Diese geben aber an, für die Forderung keine Rückstellung zu bilden – und deuten damit an, dass sie selbst dann nicht zahlen, wenn das private Schiedsgericht die Ansprüche für rechtsgültig erklärt.

Es gibt bei PPP keine gesetzlichen Eigenkapitalmindestvorschriften

PPP-Projekte werden ausnahmslos über extrem eigenkapitalschwache Zweckgesellschaften abgewickelt. Es gibt keine Eigenkapitalmindestvorschriften. Verkalkuliert sich der Staat im Vorfeld eines PPP-Vertrags, zahlt er mehr oder bekommt weniger. Verkalkuliert sich der Private, stellt er Nachforderungen oder meldet Insolvenz an. Im Insolvenzfall muss der Staat die Schulden übernehmen und zusätzlich in der Bauphase für teures Geld in ein zeitkritisches Bauprojekt einsteigen. In der Betriebsphase muss der Staat mit ebenfalls teuren Sofortmaßnahmen z.B. die Verkehrssicherheit gewährleisten. Das nun wieder benötigte Personal wurde zuvor abgebaut, die mit den erforderlichen Kapazitäten und dem zugehörigen Know-how ausgestatteten Autobahnmeistereien geschlossen. All das muss ebenfalls eilig und somit teuer wiederhergestellt werden. Dass das Eigenkapital im Fall der Insolvenz weg ist, hilft der öffentlichen Hand nichts, es gilt, die Insolvenz zu verhindern.

Beispiel 1:
Bei der A1 mobil GmbH beträgt das haftende Eigenkapital 35.000 Euro 5. Das Projektvolumen beträgt 650 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote liegt somit bei 0,05 Promille.

Beispiel 2:
In der letzten Bundestagsanhörung zu PPP6 beantwortete der Vertreter der bundeseigenen VIFG, Prof. Torsten R. Böger, eine Anfrage zu Eigenkapitalmindestvorschriften bei PPP wie folgt:
[…] Abg. Sabine Leidig (DIE LINKE.): „Und zwar möchte ich noch mal nach den Risiken fragen, […] die die Möglichkeit betreffen, dass PPP-Vertragsnehmer Pleite gehen können. Also, das Insolvenzrisiko – da möchte ich konkret danach fragen, ob es Eigenkapitalmindestvorschriften gibt für private Vertragspartner.“
Prof. Torsten R. Böger (VIFG): „Sie haben die Frage Insolvenz gestellt – wie sieht dann die Position der öffentlichen Hand aus? Da muss man sagen, die Verträge sind so gestaltet, dass die Vermögensposition der öffentlichen Hand im Rahmen der Insolvenz über den gesamten Zeitablauf eine positive ist. Es ist ja nicht so, dass, wenn ein Privater in die Insolvenz geht, das Projekt so- zusagen der öffentlichen Seite vor die Füße gekippt wird und dann die öffentliche Seite alles übernehmen muss. Das Eigenkapital steht im Risiko. Und wenn die Insolvenz da ist, dann ist das Eigenkapital weg.“

Konzernhaftung wird vertraglich nicht vereinbart

Um einer Schädigung der öffentlichen Hand durch Insolvenz der (stets eigenkapitalschwachen) PPP-Projektgesellschaft vorzubeugen, wäre es sinnvoll, die Wirksamkeit der Konzernhaftung des Mutterkonzerns für die kleine Projektgesellschaft sicherzustellen. Dies kann durch Vorlage entsprechender Verträge oder durch vertragliche Vereinbarung geschehen. Zudem kann es Ausschreibungsbedingung sein. Genau dieser Durchgriff auf die Muttergesellschaft findet jedoch bei PPP nie statt. Die Kredite der PPP-Projektgesellschaft werden durch staatliche Zahlungsgarantien besichert, nicht durch Konzernhaftung. Aus diesem Mechanismus folgt, dass bei Insolvenz der Projektgesellschaft der Staat die Schulden weiter tilgen muss.

Beispiel 1:
Der PPP-Vertrag der Stadt Leimen mit dem Investor s.a.b. aqua balance Gesundheits- und Bäderpark Leimen GmbH & Co KG umfasste die Sanierung des Freizeit- und Hallenbads und 30 Jahre Betrieb. Ein Jahr nach Eröffnung wurde das Bad geschlossen, die Stadt Leimen musste alle Verpflichtungen des Investors übernehmen, insbesondere für die Rückzahlung des Darlehens für den Bau. Die Muttergesellschaft s.a.b. schloss eine Konzernhaftung aus. Trotz dieser und weiterer Insolvenzen von s.a.b.-Projektgesellschaften war s.a.b. weiterhin in über ein Dutzend Schwimmbad-PPPs in Deutschland involviert.

Der Werterhalt von Infrastrukturen ist bei PPP nicht gesichert

Im Zuge von PPP-Verträgen wird die Verantwortung über erhebliche Werte übertragen. Dieser potentiellen Schädigung stehen keinerlei Sicherheiten gegenüber, keine Bürgschaften, keine Rückstellungen, und auch kein nennenswertes Eigenkapital der verantwortlichen Zweckgesellschaft.

Beispiel 1:
2011 betrug das Bruttoanlagevermögen der Bundesautobahnen 129 Milliarden Euro, im Durchschnitt einer sechsspurigen Autobahn sind das 14 Millionen Euro pro Autobahn-km. Für den PPP-Abschnitt der A7 ergibt sich für die für den PPP-Betrieb vorgesehenen 71,8 km ein Anlagenwert von einer Milliarde Euro. Eine Anlagewertminderung von nur 10 Prozent (Grundsanierung nach 45 statt nach 50 oder nach 27 statt nach 30 Jahren) infolge Unterinvestition während des Erhaltungszeitraums verursacht somit einen Schaden von 100 Millionen Euro.

Umfang und Komplexität der Verträge macht eine Folgenabschätzung unmöglich

PPP-Verträge sind vielfach mehrtausendseitig. Daher ist es möglich, dass ein eigentlich übernommenes und extra vergütetes Risiko doch nicht vom Privaten getragen wird. Dazu gehört insbesondere die Rückübergabe am Ende der Vertragslaufzeit. Ein schlechter Zustand der den Privaten anvertrauten Infrastruktur kann leicht alle vorher generierten Effizienzvorteile konterkarieren. Alle lebensdauerrelevanten Entscheidungen für die Bauwerke, die bis zur PPP-Vergabe vom Bauherrn nicht getroffen werden konnten, trifft der Private während der Vertragslaufzeit im eigenen wirtschaftlichen Interesse, die Gewinne führt er ab, sie werden nicht für eventuelle Schadensforderungen in der Zweckgesellschaft akkumuliert. Es ist zu erwarten, dass PPP-Bauwerke keine Gesamtlebensdauer von sechzig oder achtzig Jahren erreichen werden, wie dies bisher in konventioneller Ausschreibung erzielt und erreicht wurde. PPP-Verträge sind hinsichtlich der Rückübergabe am Vertragsende juristisches Neuland. Ob die Vertragsregelungen in den komplexen Verträgen gerichtsfest sind, muss sich erst erweisen.

Beispiel 1:
Im Fall des PPP-Projekts zur Lkw-Maut mit dem Vertragspartner Toll Collect umfasste der Vertrag 17.000 Seiten in englischer Sprache mit Rechtsstand Schweiz. Der Bund konnte von seinen Forderungen wegen Vertragsverletzungen in Höhe von aktuell sieben Milliarden Euro bis heute nichts durchsetzen.

Beispiel 2:
Im Fall der PPP-Ausschreibung für 72,5 km Autobahn (A1 vom Bremer Kreuz bis zum Autobahndreieck Buchholz) betrugen allein die Ausschreibungs-Unterlagen nach Aussage des Bundesrechnungshofs 155 Leitz-Ordner. Der (nichtöffentliche) Vertrag soll nach einem Bericht des NDR 36.000 Seiten umfassen.7

Beispiel 3:
Im Fall des PPP-Projektes „Elbphilharmonie Hamburg“ (PPP-Innovationspreis 2007) kam es nach Vertragsabschluss zu einer Verzehnfachung der Kosten – von ursprünglich 77 Millionen Euro auf derzeit 789 Millionen Euro. Die Kostensteigerung konnte trotz der eigentlich für diesen Fall von der öffentlichen Hand im Vertrag vorgesehener Regelungen nicht abgewendet werden.

PPP-Verträge sind weltweit handelbar, die zukünftigen Vertragspartner unbekannt

Es ist unsicher, wer am Ende einer PPP-Vertragslaufzeit der Vertragspartner sein wird. PPP-Verträge sind handelbar und werden tatsächlich auch häufig weiterverkauft. PPP-Akteure sind üblicherweise trans­nationale Konzerne, die PPP-Verträge in Deutschland, Australien, Großbritannien, Griechenland und vielen weiteren Ländern abgeschlossen haben. Die Forderungen aus den Verträgen sind weiterverkäuflich und werden in internationalen Infrastrukturfonds gebündelt. Wurde zu Beginn ein PPP-Vertrag mit einer Zweckgesellschaft abgeschlossen, die einem großen und als seriös angesehenen deutschen Unternehmen gehört, kann und wird das am Vertragsende nach 30 Jahren eine ganz andere Eigentümerstruktur sein.

Beispiel 1:
Aus dem Wortprotokoll der öffentlichen Bundestagsanhörung zu PPP vom 24.10.2012:
[…] Abg. Sabine Leidig (DIE LINKE.): „.. da möchte ich konkret danach fragen, ob es eine Einschränkung für das Handeln von PPP-Anteilen gibt.“
Prof. Torsten R. Böger (VIFG): „Frage der Anteile, Eigenkapitalanteile… Das was handelbar ist, das sind Anteile an der Projektgesellschaft. Damit sind es Eigenkapitalanteile und die beziehen sich nicht auf die Frage: Wie leistet der Vertragspartner oder wechselt der Vertragspartner? Sondern da wird lediglich die Frage zu beantworten sein: Wer ist der Kapitalgeber und an wen ist die Rendite zu zahlen? In allen Verträgen ist festgelegt, dass die Projektkonstruktion mit den beteiligten Firmen und dem Know-how, welches das Projekt erstellen und auch betreiben soll, nicht verändert wird, unabhängig davon, wer Inhaber des Eigenkapitals ist.“

Beispiel 2:
Die bisher per PPP vergebenen Abschnitte deutscher Autobahnen werden von einem britisch-deutschen, zwei französisch-deutschen und einem französisch-niederländisch-deutschen Konsortium ausgebaut und betrieben.

Beispiel 3:
Allein in Großbritannien haben seit 1998 Weiterverkäufe von über 650 PPPs stattgefunden, das verkaufte Volumen umfasste mehr als 5 Mrd. britische Pfund (6,25 Mrd. Euro). Der durchschnittliche Gewinn der Verkäufe lag über 25 Prozent8.

Beispiel 4:
Wie komplex Regressforderungen an internationale Investoren sein können, zeigen Beispiele von Prozessen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in London versus Clifford Chance oder der Leipziger Wasserwerke gegen die Schweizer Bank UBS.

Beispiel 5:
Bekannte Beispiele für den Weiterverkauf von Eigenkapitalanteilen in Deutschland sind zum Beispiel der Verkauf von PPP-Anteilen von Schulen in Pforzheim, der Feuerwache Mülheim, dem Justizzentrum Wiesbaden, dem Gefängnis Burg und dem Verwaltungszentrum Unna. 9

Beispiel 6:
Bilfinger unterhält für den Handel mit seinen PPP-Projekten eine eigene Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg: Bilfinger Berger Global Infrastructure (BBGI)10.

Eine Finanzierung per PPP ist vor allem ein Geschäft für Banken

Bei PPPs und vergleichbaren Modellen von Privatkapital in öffentlichen Infrastrukturen geht es zu 90 Prozent und mehr um Bankkredite. Auf europäischer Ebene PPP wird im Zuge der „Projekt-Bond-Initiative“ gefördert. Zunächst sollen in einer Pilotphase Projekte für 4,6 Milliarden Euro gestartet werden – mit nur 230 Mio. als Einlage. Das von Baufirmen oder – gemäß den neueren Vorschlägen – von Versicherungen und Pensionsfonds eingelegte Geld beträgt stets nur einen kleinen Anteil des Gesamtvolumens, etwa fünf bis acht, selten zwölf Prozent. Der große Rest sind Bank- und Kapitalmarktkredite. Es ist ein zumindest erklärungsbedürftiges Modell, wenn zunächst die europäischen Staaten die EZB absichern und ihr gestatten, günstige Kredite auszugeben – um dann von den Banken, die sich dieses billige Geld geliehen haben, das Geld teuer für PPPs zurückzuleihen.

Beispiel 1:
Den Zusammenhang zwischen PPP und dem wenig bekanntem Begriff „Projekt-Bond-Initiative“ oder „Projektanleihe“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung im Juni 2012 hergestellt:

Ein solcher Pakt für Wachstum und Beschäftigung ist gestern bzw. heute vom Europäischen Rat verabschiedet worden, nicht nur in den klassischen Schlussfolgerungen, sondern als Entscheidung, um unsere Bestimmtheit deutlich zu machen, die darin genannten Ziele auch wirklich umzusetzen. Meine Damen und Herren, wir werden hierfür in etwa 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union in die Hand nehmen, nämlich 120 Milliarden Euro: durch eine verbesserte Anwendung von Strukturfondsmitteln in Höhe von 55 Milliarden Euro, durch Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Euro, die wir durch eine Aufstockung des Kapitals der Europäischen Investitionsbank erreichen, und durch eine Pilotphase und später erweiterte Anwendung von sogenannten Projektanleihen. Das kann man sich vorstellen wie Public Private Partnerships.“11

Beispiel 2:
Der Eigenkapitalanteil bei der europäischen PPPs, der „Projekt-Bond-Initiative“ beträgt nur fünf Prozent, wie ein Bericht der Deutschen Bank aufzeigt:

Für die Pilotphase der Project Bond Initiative werden der EIB aus dem bis Ende 2013 laufenden langjährigen Finanzrahmen der EU Mittel in Höhe von EUR 230 Mio. als Einlage zur Verfügung gestellt. […] Die EIB rechnet damit, dass sie aufgrund dieser Einlage in die Lage versetzt wird, etwa EUR 750 Mio. an PBCE-Mitteln zur Verfügung zu stellen. Damit sollen wiederum bis zu EUR 4,6 Mrd. an Fremdkapitalmitteln von institutionellen Investoren mobilisiert werden. Insgesamt – so die Hoffnung der Politik und der EIB – würden die EUR 230 Mio. aus dem EU-Haushalt durch die PBI also um das bis zu 20-fache gehebelt.“12

PPPs sind riskant und erhalten schlechte Ratings

PPPs sind auch immer Bauprojekte, und zumeist gleichzeitig Großprojekte. Unvorhergesehenes ist beim Bauen die Regel, zumal in modernen Großprojekten. Darunter fallen auch enorme Kostensteigerungen sowie Insolvenzen. Dementsprechend erhalten PPPs stets ein Rating von zumeist BBB oder schlechter. Teilweise wird versucht, das Rating durch die Vermischung der Risiken verschiedener Finanzierungsanteile der PPPs zu verbessern. Eine vergleichbare Vermischung unterschiedlicher Kreditrisiken war Auslöser der US-Immobilienkrise 2007, die mittelbar zur Weltwirtschaftskrise führte.

Beispiel 1:
Die europäische PPP-Agentur EPEC hat darauf hingewiesen, wie riskant PPPs ohne solche Vermischung aus Sicht von Kreditgebern sind:

[…] the typical PPP project is structured to achieve a BB+ or BBB- rating […] 13

Beispiel 2:
Das Rating von PPPs soll über den Umweg über die Europäische Investitionsbank EIB vermittels einer Vermischung verschiedener Kreditwürdigkeiten zu einer Erhöhung der Bonität der Projekte führen:

„Durch beide Varianten der von der EIB bereitgestellten PBCE soll das Ziel verfolgt werden, das Risiko-Rendite-Profil eines Infrastrukturprojekts aus Sicht institutioneller Investoren derart zu verbessern, dass es ihnen ermöglicht zu investieren. Denn grundsätzlich werden etwa bei Zahlungsschwierigkeiten des Infrastrukturprojekts zunächst immer die finanziellen Ansprüche der institutionellen Investoren bedient, was deren Projektrisiko verringert. Für die Investoren wirkt die PBCE wie eine „First-Loss-Tranche“, die sie nicht tragen müssen. Bezüglich der Bonität streben EU-Kommission und EIB mindestens ein Single-A-Rating für die Projekte an. Dies gilt als wichtige Schwelle für institutionelle Investoren, die aufgrund ihrer Anlagerichtlinien oftmals ein solches Rating benötigen, um überhaupt in Infrastrukturprojekte (oder andere Assets) investieren zu können.“14

PPPs dienen der Aushebelung des öffentlichen Vergaberechts

Im Falle von PPP wird nicht mehr öffentlich ausgeschrieben. Entsprechend sind zahlreiche Umgehungen vergaberechtlicher Restriktionen möglich, die mit volkswirtschaftlichen Nachteilen verbunden sind. Es sind insbesondere durch das Subunternehmersystem Dumpinglöhne und die Unterlaufung öffentlicher Tarif- und Umweltstandards möglich. Teilweise entstehen aber auch enorme rechtliche Risiken, Bieter klagen auf Berücksichtigung oder Entschädigung.

Beispiel 1:
In konventioneller Produktion und Vergabe ausgebaute Autobahnen sind aus Gründen der Verkehrssicherheit Mindestabstände von Autobahn-Baustellen und maximale Einzelbaustellenlängen vorgegeben, die A1 mobil durfte zwischen Hamburg und Bremen diesbezügliche Vorgaben ignorieren. Ob auch aus diesem Grund die Zahl der tödlichen Unfälle anstieg, ist nicht belegt. Belegt ist jedoch die zeitliche Übereinstimmung.15

Beispiel 2:
Im PPP-Projekts “Herkules“ mit einem geschätzten Volumen von sieben Milliarden Euro muss die siemenseigene BWI Services GmbH nach einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.06.2013 ihre Dienst- und Lieferleistungen im Bereich der nichtmilitärischen Informationstechnik der Bundeswehr öffentlich ausschreiben, da sie als öffentlicher Auftraggeber zu qualifizieren ist. Unerheblich ist, dass das Herkules-PPP-Projekt als Ganzes bereits nach Vergaberecht vergeben worden war. Bislang ohne förmliches Vergabeverfahren von PPP-Projektgesellschaften geschlossene Verträge könnten künftig bei vergleichbarer Rechtslage als defacto-Vergaben angreifbar sein mit der Folge, dass die Verträge nichtig sind.16

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1 Badische Zeitung, 03. April 2014: Der spanische Staat haftet für die Pleite von privaten Autobahnbetreibern. http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/kapitalismus-unter-amigos–82686346.html

2 Badische Zeitung, 03. April 2014: Der spanische Staat haftet für die Pleite von privaten Autobahnbetreibern. http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/kapitalismus-unter-amigos–82686346.html

3 VIFG: Newsletter September 2012

5 NDR: Todesfalle Autobahnbaustelle – NDR Markt vom 09.11.2009 20:15 Uhr

6 Wortprotokoll der öffentlichen Bundestagsanhörung zu PPP am 24.10.2012 zu den Anträgen der Fraktion der SPD („Für einen neuen Infrastrukturkonsens: Öffentlich-Private Partnerschaften differenziert bewerten, mit mehr Transparenz weiterentwickeln und den Fokus auf die Wirtschaftlichkeit stärken“, BT-Drucksache 17/9726) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN („Transparenz in Public Privat Partnerships im Verkehrswesen“, BT-Drucksache 17/5258)

7 „Todesfalle Autobahnbaustelle“ – NDR Markt vom 09.11.2009 20:15 Uhr

8 Stand: Oktober 2012, Daten bereitgestellt von Dexter Whitfield, Director, European Services Strategy Unit, and Adjunct Associate Professor, Australian Institute for Social Research, University of Adelaide

9 Aus einem PPP-Anleger-Prospekt der Gruppe Hannover Leasing: „Feuerwache Mülheim: Ein langfristiger Mietvertrag mit der Stadt sorgt für Planungssicherheit und stabile Erträge.“
„Der Geschlossene 6b-Immobilienfonds Vermögenswerte 5 investiert in das Justiz- und Verwaltungszentrum Wiesbaden, das für 30 Jahre fest an das Land Hessen und die Stadt Wiesbaden vermietet ist.“

10 Aus einer Bilfinger-Pressemitteilung vom 14.12.2011: „Der Verkauf von 18 Public Private Partnership (PPP)-Projekten aus dem Bilfinger Berger Portfolio an den Fonds soll im ersten Quartal 2012 wirksam werden und im kommenden Geschäftsjahr zu einem Nettoverkaufserlös von rund 240 Mio. € führen. Der zu erwartende Buchgewinn liegt in einer Größenordnung von rund 50 Mio. €.“ http://www.bilfinger.com/presse/pressenotizen/artikel/article/678/

11 Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 188. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2012, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/17/17188.pdf

12 Deutsche Bank AG DB Research, “Project Bond Initiative: Projektauswahl für Erfolg entscheidend”, 23. August 2013, http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000318854/Project+Bond+Initiative%3A+Projektauswahl+f%C3%BCr+Erfolg+entscheidend.PDF

13 “Financing PPPs with project bonds Issues for public procuring authorities”, European PPP Expertise Centre (EPEC), 10/2012, http://www.eib.org/epec/resources/Financing%20PPPs%20with%20project%20bonds%20-%20October%202012.pdf

15 NDR: Todesfalle Autobahnbaustelle – NDR Markt vom 09.11.2009 20:15 Uhr

16 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013, VII-Verg 55/12

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