PPP: noch höhere Verschuldung durch Doppelzinseffekt und Mehrwertsteuer

A. Luggenhölscher, Bild: GiB

A. Luggenhölscher, Bild: GiB

Vortrag von Alfred Luggenhölscher beim Kongress „Für starke, demokratische und solidarische Kommunen“ am 25.10.2014 in Erfurt

Die Steuereinnahmen sind so hoch wie noch nie, aber Deutschland steckt in der Schuldenfalle. Das ist unter anderem das Ergebnis einer konzertierten Aktion von Banken, Beraterfirmen und Baukonzernen, die öffentliches Eigentum und staatliche Infrastruktur der privaten Nutzung zur ma­ximalen Gewinnabschöpfung zuführen soll. 

Eine der Speerspitzen dieser unheiligen Allianz ist PPP.

PPP kommt immer dann zum Zuge, wenn die öffentlichen Finanzen eine direkte Finanzierung von Infrastruktur nicht mehr hergeben. Oder wenn ein Minister wie aktuell Herr Dobrindt, dies behaup­tet, was ebenfalls den PPP-Verfechtern den Ball zuspielt.

Die Verflechtung von PPP-Lobby und Staat über die „Partnerschaften Deutschland AG“ sind offen­sichtlich.

Das Prinzip klingt zunächst verlockend:

Ein privates Konsortium finanziert die Maßnahme vor, betreibt die Realisierung und übernimmt dann für eine bestimmte Zeit auch den Betrieb und die Instandhaltung. 

Der öffentliche Partner zahlt „nur“ ein monatliches Nutzungsentgelt.

Es gehört schon viel Optimismus dazu, anzunehmen dass ein privater Investor dem Staat oder einer Kommune Geld schenkt: Im Nutzungsentgelt sind nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch die Kapitalzinsen und natürlich die Gewinne der Baukonzerne, Banken und Berater enthalten. Enthalten ist auch Mehrwertsteuer auf den Kapitaldienst und die Bruttolöhne der vom Betreiber gestellten Beschäftigten, z.B. Reinigungskräfte und Hausmeister, die bei Eigenregie nicht anfallen würde.

Schon aus diesem Grunde sollte jeder denkende Mensch erkennen, dass PPP nicht günstiger als eine staatliche oder kommunale Eigenerstellung des jeweiligen Projektes werden kann.

Die so genannten „Effizienzvorteile“ werden von den eingepreisten Zinsen der Bauunternehmen, Berater-Gewinnen und höheren Mehrwertsteueranteilen und erst recht bei „Doppelzinsen“ wieder aufgefressen, abgesehen davon, dass „Effizienzvorteile“ nur behauptet werden können, wenn man die Baufachleute im öffentlichen Dienst als völlig inkompetent und ineffizient abstempelt. In Wahrheit haben diese Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit freien Architekten und Ingenieuren je­doch schon tausendfach große Projekte erfolgreich gemeistert.

Hat ein öffentlicher Partner erst einmal dem PPP-Vertrag zugestimmt, verlangt die Bank eine so genannte „Forfaitierung mit Einredeverzicht“. Damit tritt der öffentliche Partner alle Verpflichtungen gegenüber dem „privaten“ Partner als Paket an eine Bank ab ohne später daran noch etwas än­dern zu können. Durch diesen Trick wird ein Gebäude oder eine Straße zu einem anonymen Fi­nanzprodukt, das auf den Finanzmärkten gehandelt wird. So verkauft man die Zukunft unserer Kin­der.

Diese Konstruktion sowie die übliche Geheimhaltung der Verträge macht es enorm schwer, einen PPP-Vertrag zu analysieren und wieder aufzulösen wenn er sich nach einigen Jahren als äußerst nachteilig für den öffentlichen Partner erweist.

Die an die Banken verkauften Nutzungsgebühren liegen auf Jahre hinaus fest. Betriebskosten sind aber meist an Indizes gekoppelt und steigen mit der Zeit, was die Gesamtkosten weiter in die Höhe treibt. Die vielgerühmte „Lebenszeitbetrachtung“ bei PPP ist daher kaum verlässlicher als die Wet­tervorhersage.

Flexibilität? Anpassung an veränderten Bedarf oder evtl. sinkende Zinssätze? Fehlanzeige! Auch hier lauern Kostenfallen! Selbst wenn ein Objekt komplett überflüssig wird, müssen weiter die Nutzungsraten bezahlt werden.

Da PPP vor allem zur Umgehung von Haushaltssperren genutzt wird, wenn der öffentliche Partner keine Kreditgenehmigung für eine Eigenrealisierung bekommt, ist auch klar, dass die teuren Nut­zungsgebühren in der Folge nicht aus dem normalen Budget bezahlt werden können. 

Es werden also für die Zahlung der Monatsraten ständig neue Kredite aufgenommen. So häuft sich über die Laufzeit des Vertrages ein stetig wachsender Riesen-Kredit an, mit entsprechenden Zins­lasten. Aus der anfänglichen „Erleichterung“ wird eine Schuldenfalle.

Im Fall Gladbeck wird z.B. bei Herstellungskosten des Gebäudes von lediglich 16 Millionen € aus der Summe der Nutzungsgebühren (ca. 47 Millionen Euro) innerhalb von 25 Jahren ein Schuldenberg von 225 Mil­lionen Euro, ohne jede Chance, dies jemals zu tilgen.

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Wenn man die Schuldenentwicklung auf der Basis der bisher bekannt gewordenen Zinszahlungen weiter hochrechnet, werden die PPP-Rathaus-Schulden in Gladbeck im Jahre 2050 die Marke von zwei Milliarden überschreiten.

Welcher private Bauherr käme auf die Idee, zur Zahlung der Baukredit-Raten und Betriebskosten des Hauses ständig weiter sein Konto zu überziehen – mit Zinssätzen über 10%?

Der Ruin ist vorprogrammiert und die Banken werden sich mit der Zins-Beute straflos davonma­chen wenn hier keine Überprüfungen und Rückabwicklungen gesetzlich beschlossen werden.

Hätten die Beratungsfirmen diese vorhersehbar ruinöse Entwicklung den hoch verschulde­ten öffentlichen Part­nern1 schon vor Vertragsabschluss offen dargelegt, so wären die meis­ten PPP-Ver­träge nicht zu Stande gekommen.

Hier liegt die Schuld eindeutig bei den Beratungsunternehmen, die über die Langzeitfolgen der Verträge nicht informieren und PPP schön rechnen. Über entsprechende Regressforderungen soll­te man daher ruhig einmal nachdenken. Die Beratungsmängel könnten einen Fortfall der Ge­schäftsgrundlage begründen, die Verträge wären somit nichtig.

Auch der letzte Bericht des Bundesrechnungshofes macht die Unwirtschaftlichkeit von PPP deutlich:

Demnach liegen die Zinsen der Privatfirmen derzeit vier Prozentpunkte über jenen, die der Bund zu zahlen hat. Bei einer Kreditsumme von einer Milliarde Euro zahlt der Bund bei einem Zinssatz von einem Prozent in 30 Jahren insgesamt 1,3 Milliarden Euro, bei einem Zinssatz von fünf Pro­zent sind es 4,3 Milliarden.

Damit ist eindeutig klar, wer aus PPP Nutzen zieht und wer nicht. Die öffentlichen Kassen werden ausgebeutet, die Zeche zahlt der Steuerbürger.

Wie sieht es in Europa aus?

Gemäß einer Berechnung der GiB 2014 verbleiben nach der Teilrückzahlung seit 2003 in Europa Schulden für PPP-Projekte von 162 Milliarden Euro. (Berechnung GiB, 2014).

Analog zu der „Doppelzins“-Entwicklung in Gladbeck ist absehbar, dass die PPP-Verschuldung an­gesichts der Zahlungsunfähigkeit vieler EU-Länder ebenfalls in eine endlose Schuldenspirale über­geht.

Wenn die EU derzeit sogar noch Druck ausübt, die Privatisierung in den betreffenden Ländern vor­anzutreiben, ist die fortschreitende Überschuldung und der Verfall der öffentlichen Infrastruktur in Europa ebenso unaufhaltbar wie in vielen Kommunen Deutschlands.

Deutschland wird auch die Europäischen PPP-Schulden zum großen Teil mit tragen müssen. Eine gründliche Evaluierung mit nachfolgenden Umschuldungen in ganz Europa ist daher auch im deut­schen Interesse dringend angeraten.

Warum gibt es so wenig Überprüfung und Transparenz?

Überwiegend ist es lobbygesteuerter Druck von oben, der die Aufklärung behindert. Ein Journalist brachte dies kürzlich in einer Sendung über den „Charakter des Geldes“2 auf den Punkt: „Die Fi­nanzoligarchie hat die Regierungen in den letzten zwei Jahrzehnten erfolgreich gekapert.“

Was sollte veranlasst werden, um die fortschreitende Verschuldung durch Privatisierung unserer Infrastruktur zu bremsen?

Es muss zunächst festgestellt werden, wie hoch der bisherige Schaden ist. Eine unabhängige Evaluierung der bestehenden Projekte ist unerlässlich.

Die Untersuchungen der PPP-Taskforce, der Partnerschaften Deutschland AG oder der von diesen beauftragten Dienstleister (z.B. Universität Freiberg) sind nicht aussagekräftig, da kritische Fakten ( z.B. doppelte Verzinsung und Mehrwertsteuer auf Kapitaldienst und Löhne) stets unterdrückt wer­den und so das wahre Ausmaß der Schulden nicht transparent wird.

Eine unabhängige Evaluierung könnte in der Regie des Bundesrech­nungshofes und der Landesrechnungshöfe durchgeführt werden, der sich bereits mehrfach verdient gemacht hat indem er die Unwirtschaft­lichkeit von PPP-Projekten nachwies und vor den Folgen warnte. Ggf. könnten auch die Bundes­architekten­kammer und der Bund der Steuerzahler bei der Evaluierung mitwirken.

Alle öffentlichen Partner mit bestehenden PPP-Verträgen sollten vorab folgende Schlüsselfragen beantworten:

  • Laufzeit der Verträge
  • Höhe der vertraglich vereinbarten Gesamtkosten für das jeweilige Objekt
  • Höhe der monatlichen Zahlungen für das PPP-Projekt (Nutzungsgebühr)
  • Aufteilung der Nutzungsgebühr in Kapitaldienst und Betriebskosten
  • Bisher verstrichene Laufzeit der Verträge und bisher gezahlte Zinsen / Tilgungen für Folge­kredite zur Zahlung der Nutzungsentgelte.
  • Gesamtschuldenstand des öffentlichen Partners

Aus diesen abgefragten Daten, die allen öffentlichen Partnern vorliegen, kann innerhalb nur eines Monats überblickt werden, wie teuer die bestehenden PPP-Projekte wirklich sind damit anschließend geprüft werden kann ob eine Auflösung der Verträge, ein Rückkauf der Objekte mit anschließender Neufinanzierung oder sogar ein Schul­denschnitt angestrebt werden sollte.

Auch die Frage nach möglichen Regressforderungen gegenüber den jeweiligen Beraterfirmen kann auf der Grundlage dieser Daten geklärt werden. Es wäre wegen der offensichtlichen Mängel bei der Beratung keineswegs angemessen, wenn die beteiligten Banken Vorfälligkeitsentschädi­gungen bei Rückkauf der Darlehen verlangten.

Noch ein Vorschlag:

Wenn die EZB den durch PPP geschädigten öffentlichen Partnern für eine Umschuldung Direktkre­dite den gleichen niedrigen Zinssatz einräumen würde, für den sich die Geschäftsbanken bei der EZB mit Geld bedienen, würden viele Milliarden Steuergelder ganz einfach eingespart! Die Zukunft für die durch PPP gebeutelten öffentlichen Partner in Deutschland und den anderen europäischen Ländern sähe dann weniger dramatisch aus.

Wie weit sind wir?

Unsere bisherigen Versuche, eine solch unabhängige Evaluierung anzuregen wurden bisher von allen öffentlichen Stellen – auch vom Bundesfinanzminister- ignoriert. Stets wurde auf die Alibi-„Evaluierungen“ der „Partnerschaften Deutschland“ und ihrer Dienstleister verwiesen.

Nur konsequent aufgebauter und stetig erhöhter Druck auf die zur Kontrolle verpflichteten öffentli­chen Instanzen kann bewirken, dass die vollständigen Daten kurzfristig erhoben und transparent veröffent­licht werden.

Ich möchte daher alle hier Anwesenden auffordern, sich mit aller Kraft für eine unabhängige und bundesweite Evaluierung als Grundlage von Rückkauf/ Umschuldung bestehender Projekte und Vermeidung weiterer PPP-Projekte einzusetzen. Ein neutrales und unabhängiges Gremi­um von neutralen, sachkundigen Beratern sollte den betroffenen öffentlichen Partnern der PPP-Vorhaben bei ihrer Suche nach Lösungen für die Schuldenkrise zur Seite stehen.

Bundestag und Bundesregierung sollten – auch im eigenen Interesse – aufgefordert werden, die Evaluierung und Umschuldung auch in den anderen Ländern der EU durchzusetzen.

Je früher die Kontrollvorgänge eingeleitet werden desto eher könnten effektive Einsparungen und Umschuldungen die öffentlichen Kassen um Milliarden Euiro entlasten und damit Steuererhöhungen und Sozialleistungsabbau vermeidbar machen, die sonst Folgen der PPP-Defizite wären.

Hochrechnung der Schuldenentwicklung

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Schuldenentwicklung für das PPP-Rathaus in Gladbeck auf der Grundlage der bisherigen Zins-und Tilgungszahlungen der Stadt. Projektstart 2006. Bereits 2018 wird die Summe aller Nutzungsent­gelte für 25 Jahre Vertragslaufzeit erreicht sein. Danach steigt die Verschuldung rapide an, ohne jede Chance auf Tilgung. Der Vergleich von offiziell bei Vertragsabschluss genannten Kosten (47 Millionen) mit den tatsächlich auflaufenden zeigt die grundsätzliche Unwirtschaftlichkeit des Pro­jektes.

Derzeit hat die Stadt Gladbeck bereits einen Gesamtschuldenstand von ca.230 Millionen €uro.

Die exponentielle Zinslast sorgt dafür, dass derart hohe Schulden unmöglich getilgt werden kön­nen. Dies gilt im Übrigen auch für die Bundesrepublik und alle anderen Länder. Der Crash ist unver­meidlich und in jedem Fall nur eine Frage der Zeit.

Selbst wenn die Zinssätze der „Doppelzinsen“ sich zeitweise etwas günstiger als in der Hochrech­nung oben gestalten, bleibt durch den Exponentialfaktor das Grundproblem bestehen und damit der Handlungszwang zur schnellstmöglichen Schadensbegrenzung.

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Prognose des ungebremsten PPP- Schuldenanstiegs in Europa, analog zum Fall Gladbeck (Verdopplung der Schulden alle 6 Jahre!)

Von 146 Milliarden 2014 auf über 5 Billionen ( 5000 Milliarden!!!) in 2050!

Ohne schnelle Schadensbegrenzung und Schuldenschnitt werden die Zinslasten in den folgenden 20 Jahren astronomisch hoch, was den Zusammenbruch der Volkswirtschaften früher oder später hoch wahrscheinlich macht.

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1 „Partner“ ist in diesem Zusammenhang beschönigend – es handelt sich eher um „Beute“…

2 20.10.2014 21:45 Uhr Der Charakter des Geldes | 3sat http://programm.ard.de/?sendung=2800713049743064

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Der Vortrag als PDF zum Runterladen

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