Offener Brief an die Berliner SPD-Fraktion

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Offener Brief an die Berliner SPD-Fraktion

Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden, CC 2.5

Sehr geehrter Herr Saleh,

leider haben Sie unser Schreiben vom 13.10.2017 noch nicht beantwortet und auch noch nicht auf unsere Erinnerung vom 17.11.2017 reagiert. Auch deswegen sahen wir uns gezwungen, am 3.01.2018 die Volksinitiative „Unsere Schulen“ zu starten (siehe Presseschau unten), um eine Befassung des Parlaments mit den für viele Berlinerinnen und Berliner wichtigen Fragen und Sorgen notfalls zu erzwingen.

Die Volksinitiative ersetzt jedoch nicht den direkten Dialog. Es ist unserer Einschätzung nach nicht zu viel verlangt, wenn Regierungsfraktionen auf dringende Fragen von Bürgern antworten. Wir fragen deswegen hiermit noch einmal an, bis wann wir mit Ihrer Antwort rechnen können. Oder möchte die SPD keinen Bürgerdialog mehr führen? Um gegenüber unseren Mitgliedern und den vielen Menschen, die unsere Volksinitiative unterzeichnen, den Fortschritt der Gespräche darstellen zu können, formulieren wir diesen Brief als offenen Brief und dokumentieren ihn auf unserer Webseite gemeingut.org. Wir senden auch eine Kopie an andere Fraktionen im Abgeordnetenhaus.

Mittlerweile haben Sie sich in einer Fraktionsklausur mit dem Thema des Schulbaus befasst. Einen Strukturumbau hin zu einer GmbH ist nicht Teil der von Ihnen erarbeiteten Lösungsansätze. Das freut uns sehr! Sie haben diese Lösungen zum Schulbau bereits in Flugblätter zur Bürgerinformation eingearbeitet, die auch uns erreicht haben. Auch dort kommt die GmbH-Variante nicht mehr vor. Wir gehen damit davon aus, dass die GmbH-Variante im Schulbau damit ein für alle Mal vom Tisch ist. Alles andere wäre ja eine eklatante Wählertäuschung – nach außen hin die GmbH verschweigen und hinter verschlossener Tür doch daran weiterzuarbeiten. Wir möchten Sie daher ergänzend zu den von uns bereits am 13.10.2017 geäußerten Sorgen fragen, wann Sie diese Beschlüsse der Fraktion im Abgeordnetenhaus auch offiziell beschließen? Ein solcher formeller Ausschluss einer GmbH-Variante im Schulbau ist auch für die Howoge wichtig, deren Geschäftsführung sich unserer Kenntnis nach ja bisher intensiv auf die neue Aufgabe im Schulbau vorbereitet und dafür auch Gelder aufwendet. Hier muss der sofortige Stopp signalisiert werden, damit der Howoge (und damit indirekt dem öffentlichen Vermögen) nicht noch weitere unnötige Kosten entstehen.

Wir erwarten Ihre Antwort zum 10. Februar 2018 und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Carl Waßmuth
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Gemeingut in BürgerInnenhand
www.gemeingut.org
Weidenweg 37
10249 Berlin

 

Am 17.11.2017 um 16:06 schrieb Carl Waßmuth | Gemeingut:

Sehr geehrter Herr Saleh,

wir haben gestern kurz im Treppenhaus des AGH zur Frage Schulprivatisierung gesprochen. Hier noch einmal die offizielle Nachfrage, die zu stellen mich unsere Mitglieder beauftragt haben:

Wir vom Verein „Gemeingut“ hatten die Mitglieder Ihrer Fraktion am 13.10. dazu angeschrieben (Betreff: „Schulbau und -sanierung: Ja zu Kooperation, Nein zu Schattenhaushalten und Privatisierung“).
Bisher haben wir aber noch keine Antwort erhalten.

Wie wir der Debatte gestern im Abgeordnetenhaus entnehmen können, ist die SPD gegen Privatisierung. Gleichzeitig befürwortet sie die formelle Privatisierung im Rahmen einer GmbH (als Tochter der HOWOGE) und will eine Organisationseinheit Schulen (inklusive der Grundstücke) übertragen, die eigenständig Öffentlich-Private Partnerschaften eingehen kann.
Diese Widersprüche würden wir gerne verstehen.

Der Finanzsenator ging in einem Schreiben an die „Delegierten und Gäste“ des Landesparteitags auf Argumente zu Privatisierung ein.
Dabei handelt es sich jedoch überwiegend nicht um unsere Argumente, teilweise sind Aussagen von uns aufgegriffen, aber verfälschend verkürzt.
Diese Darstellung findet sich auch auf der privaten Internetseite des Senators: http://www.kollatz-ahnen.de/meldungen/5-5-mrd-eur-fuer-berlins-zukunft-fakten-zur-schulbauoffensive/

Die Antwort auf die Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern durch den Finanzsenator, die wir an Sie und die Kollegen in der Fraktion herangetragen haben, erscheint uns wenig dialogorientiert:
„Das ist schlicht falsch“,  „das ist falsch“, „das ist alles falsch“, „das ist grob falsch“, „das ist Unsinn, „das ist falsch“, „die  Finanzierung ist transparent“, das ist falsch“. Belege für diese Aussagen fehlen leider.
Insbesondere zu den Mehrkosten durch die Verzinsung nennt der Finanzsenator den Zinsunterschied „minimal“ – aber wie hoch soll bzw. dürfen diese Mehrkosten Ihrer Auffassung über die Laufzeit sein (in Mio. Euro ausgedrückt)? Und welcher Mehrwert steht diesen Mehrkosten gegenüber?

Wir bitten Sie, uns zu sagen, wie Sie als Fraktion zu dieser Sache stehen.

mit freundlichen Grüßen

Carl Waßmuth

2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Waßmuth,

    vielen Dank für Ihren erneuten Brief. Gerne gebe ich Ihnen ein weiteres Mal Antwort und Auskunft. Sie haben mir bereits in persönlichen Gesprächen Ihre Befürchtungen mitgeteilt, was eine – von Ihnen so bezeichnete – „Schulprivatisierung“ betrifft. Wie Sie bereits im Oktober völlig richtig geschrieben haben, hat sich die rot-rot-grüne Koalition entschlossen, „den Sanierungsstau der Berliner Schulen aufzulösen und für den wachsenden Bedarf auch Schulen neu zu bauen“. Das begrüßen Sie ausdrücklich.
    Allerdings gibt es offenbar ein Missverständnis von Ihrer Seite: Die SPD-Fraktion ist gegen die Privatisierung von Schulen, was Sie selbst in Ihrem Brief zutreffend geschrieben haben. Mehr noch: wir setzen uns seit Jahren sogar für den Rückkauf von Gemeingut ein, also für den Rückkauf von einstmals städtischem Besitz.

    Uns, der SPD-Fraktion, eine Privatisierungs-Politik vorzuwerfen geht ins Leere. Das Gegenteil ist der Fall. Daher nochmal – wie bereits in persönlichen Gesprächen mit Ihnen ausgeführt: wir nehmen Ihre Anliegen sehr wohl sehr ernst. Auch wir wollen keine Privatisierung von Landeseigentum.
    Auch Ihre Kritik dem SPD-Finanzsenator gegenüber ist ungerechtfertigt. Matthias Kollatz-Ahnen ist mitnichten „wenig dialogorientiert“, wie Sie schreiben. Der Finanzsenator hat sich – wie Sie ebenfalls selbst ausführen – mit Ihrer Argumentation Punkt für Punkt beschäftigt. Allerdings gibt er Ihnen in vielen Punkten eben nicht recht.

    Wir freuen uns auf jeden Fall, dass Sie sich so intensiv mit der Thematik beschäftigen. Hier bekommen Sie weitergehende Informationen über die jüngsten Entscheidungen der SPD-Fraktion zu der Thematik:
    https://www.spdfraktion-berlin.de/system/files/gesamtresolution_spd-fraktion_2018.pdf
    http://www.spdfraktion-berlin.de/sites/default/files/documents/jahresbilanz-2017-ansicht-final.pdf (S. 25)

    Wie Sie ebenfalls richtig schreiben, arbeitet die SPD-Fraktion gemeinsam mit den beiden anderen Koalitionsfraktionen an einer funktionierenden Lösung für die anstehende Schulbauoffensive.
    Auch hierüber werden wir Sie weiterhin informieren.

    Mit freundlichen Grüßen, Ihr Raed Saleh

  2. Sehr geehrter Herr Saleh,
    vielen Dank für Ihre Antwort. Allerdings müssen wir Sie in zwei wichtigen Punkten korrigieren:
    Zum einen handelt es sich mitnichten um „ein weiteres Mal“, in dem Sie Antwort und Auskunft geben. Ihr Schreiben die erste Antwort, die wir von Ihnen oder der SPD-Fraktion erhalten. Dies zuzugestehen mag Ihnen (zu Recht, wie wir finden) peinlich sein. Aber es gebietet die Ehrlichkeit.
    Auch hat es bisher keinerlei persönliche (oder sonstige) Gespräche zwischen Ihnen und uns gegeben. Wir wissen nicht, mit wem Sie gesprochen haben, aber mit uns war es nicht. Vertretungsberechtigte Vorstände von GiB sind Laura Valentukeviciute, Dorothea Härlin und Carl Waßmuth. Das steht auf unserer Webseite und auch im Vereinsregister. Wir sind einigermaßen schockiert darüber, dass Sie nonchalant solche Gespräche behaupten. Stellen Sie sich vor, wir würden behaupten, in persönlichen Gesprächen hätte uns die SPD dieses und jenes zugesichert, ohne dass es Gespräche mit einem für solche Verhandlungen mit Dritten mandatiertes Mitglied der Fraktion gegeben hat. Wir bitten Sie daher, auch in diesem Punkt bei der Wahrheit zu bleiben.
    Was die Inhalte Ihres Schreibens betrifft:
    Die Beschäftigung von Finanzsenator Kollatz-Ahnen erfolgte nicht mit unserer Argumentation, sondern mit von ihm selbst erdachten fiktiven Gegenpositionen. Gleichzeitig hat er uns selbst nicht geantwortet. Beides können wir nicht als dialogorientiert ansehen.
    Auch Ihr gestriges Schreiben können wir als Antwort nicht akzeptieren. Ihre Beteuerungen, nicht privatisieren zu wollen in allen Ehren: Seit 2016 betreiben Senatoren Ihrer Partei, der Berliner SPD, die formelle Privatisierung im Schulbau. In Papier des Senats vom 27.6.2017 steht deutlich, dass einer GmbH Aufgaben des Schulbaus übertragen wollen. Schon das nennt man formelle Privatisierung, zudem ermöglich dieser Schritt weitere Privatisierungen auf Projekt- und Gesellschaftsebene. Ist es zutreffend, dass Sie das nun nicht mehr weiter betreiben? Das geht aus Ihrer Antwort nicht hervor. Zudem hatten wir Sie gefragt, wann Sie das – wenn Sie die GmbH-Lösung nun fallenlassen – auch formell im Abgeordnetenhaus beschließen.

    Wir erwarten Ihre Antwort weiterhin bis zum 10. Februar 2018.

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