GiB-Infobrief: Star-Ökonomen: Öffentliches Eigentum schwindet rasant

Jetzt stoppen: Schulen mit beschränkter Haftung. Grafik (c) GIB

Liebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,

seit Jahren wehren wir uns gegen Privatisierungen: mit einzelnen konkreten Kampagnen wie zuletzt bei der Autobahn oder wie aktuell bei den Schulen in Berlin. Und wir kämpfen auch ganz grundsätzlich gegen den Trend an: mit Informationen auf gemeingut.org, mit Gastbeiträgen und Interviews. Wir führen oder beauftragen Umfragen, recherchieren Fakten und leisten Vernetzungsarbeit. Mal haben wir Erfolg wie beim Berliner Wasser, das rekommunalisiert wurde, oder wie beim Museum der Moderne, das doch nicht als ÖPP-Projekt umgesetzt wurde. An anderer Stelle ist die Macht der Lobby und auch die faktische Macht der Regierungen erdrückend – so war es zuletzt bei der Autobahn, als für eine Privatisierung sogar das Grundgesetz geändert wurde.

Eine Schwierigkeit, mit der wir oft zu kämpfen haben, ist die Aufsplitterung in die verschiedenen Sektoren. Was haben Krankenhäuser mit Schulen, was Schulen mit Autobahnen und was Autobahnen mit der Wasserversorgung zu tun? Eine ganz neue Übersicht lieferten dazu nun über hundert internationale Forscherinnen und Forscher. Der spannende Bericht zur weltweiten Ungleichheit, der mitinitiiert wurde von dem französischen Star-Ökonom Thomas Piketty, ist für die Entwicklung von öffentlichem Vermögen so etwas wie eine Satellitenaufnahme: Man sieht alles auf einen Blick. Das öffentliche Kapital – also alle Vermögen und Schulden der öffentlichen Hand zusammengerechnet – wurde in vielen Ländern der Welt in den letzten 40 bis 50 Jahren halbiert. Diese Entwicklung gab es auch in Deutschland: Von 1970 bis 2016 fiel der Wert des öffentlichen Nettovermögens im Verhältnis zum jährlichen Nationaleinkommen von 28 auf 12 Prozent. Was bedeuten diese Zahlen? Die regierende Politik in Bund, Ländern und Kommunen hat Infrastrukturen verkauft, aber dafür viel weniger Geld eingenommen, als sie wert waren. Sie haben andere Einrichtungen der Daseinsvorsorge an Private abgegeben, per Konzession oder über Öffentlichen-Privaten Partnerschaften (ÖPPs). Die „Partner“ haben zwar das Geld eingesteckt, aber die ihnen anvertrauten Versorgungsnetze verfallen lassen. Und dort, wo privatisierte Bereiche von der öffentlichen Hand zurückgekauft wurden, musste dafür viel mehr bezahlt werden, als diese Einrichtungen nach der Privatisierungsphase noch wert waren. In der Piketty-Studie kommt man zu dem Schluss: „Die Kombination aus umfangreicher Privatisierung und wachsender Einkommensungleichheit innerhalb der Länder hat den Anstieg von Vermögensungleichheit unter Individuen verstärkt.“

Wir denken daher: Privatisierung und ihre Verhinderung bzw. Rückabwicklung wird eines der großen Themen der nächsten Jahrzehnte werden. Wenn das öffentliche Vermögen noch einmal halbiert wird, dann wird die öffentliche Hand weitgehend machtlos. Dann spielt es keine Rolle mehr, wer regiert, dann ist nahezu alles privatwirtschaftlichen Interessen unterworfen. Soweit wollen wir es nicht kommen lassen! Was in unserer Macht steht, wollen wir tun. Dazu gehört die Vernetzung privatisierungskritischer Stimmen: Auf unserem bundesweiten Treffen am 27./28. Januar in Leipzig wollen wir neue Strategien schmieden, wie wir der privatisierungstreibenden Schuldenbremse Herr werden – die ja den Verlust des öffentlichen Vermögens gerade nicht bremst. Und wir wollen überlegen, ob man nicht den unseligen ÖPPs – die außer einigen in der CDU/CSU/FDP niemand mehr will – ein für alle Mal loswerden kann, zum Beispiel durch ein Verbot. Wenn Sie Zeit und Lust haben – kommen Sie doch dazu! Informationen zum Treffen finden Sie auch auf unserer Website. Wir freuen uns selbstverständlich über weitere Ideen und Anregungen!

 

Katrin Kusche und Carl Waßmuth
für das Gemeingut-Team

PS: Unseren letzten Unterschriftenaufruf konnten viele von Ihnen nicht unterschreiben. Dafür entschuldigen wir uns! Wir müssen bei der Hard- und Software für unsere Website dringend nachrüsten. Wenn Sie möchten, können Sie uns dabei mit einer Spende unterstützen, Stichwort: Website

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PRESSESCHAU (Auswahl!)

Unsere gut zweistündige Pressekonferenz „Unsere Schulen.  Volksinitiative in Berlin gegen Schulprivatisierung gestartet“ stieß in der Presse auf ausgezeichnete Resonanz.  Das „Katerfrühstück“ am 3. Januar 2018 war eine Kooperation mit Attac Berlin und der AG Privatisierung von Attac. Es gab folgende Beiträge:

3. Januar. Ralf Schönball berichtete in seinem Artikel im Tagesspiegel ausführlich über die Pressekonferenz und ging auf die Referate der PodiumsteilnehmerInnen Dorothea Härlin, Herbert Storn, Werner Rügemer sowie Carl Waßmuth ein. Etwas irreführend war leider die Überschrift des Beitrags: „Neue Volksinitiative will Plan zur Schulsanierung kippen“. Gemeingut in BürgerInnenhand ist ausdrücklich für eine Sanierung der Schulen, allerdings nicht unter dem Dach einer GmbH.

4. Januar. Die Schlagzeile im neuen deutschland lautete:Kritik an ‚stiller Privatisierung‘. Eine Volksinitiative will gegen die Schulbauoffensive des Senats mobil machen“. Jérôme Lombard zitierte in seinem Artikel auch die Reaktion des Finanzsenators Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) auf die Volksinitiative „Unsere Schulen“. Nun ja, „still“ hatten wir die Privatisierung nicht genannt …

3. Januar. Die LeserInnen der Berliner Zeitung informierte Martin Klesmann nicht nur über die von GiB befürchteten Folgen der Schul-GmbH, sondern auch über das von GiB nun genutzte Instrument einer Volksinitiative. Etwas irreführend allerdings auch hier die Überschrift: „Neue Volksinitiative will Schulbau-Pläne des Senats verhindern“.

3. Januar. Für den Berliner Kurier berichtete gleichfalls Martin Klesmann. Die Schlagzeile dort: „‘Unsere Schule‘. Volksinitiative will Privatisierung der Schulen verhindern“.

3. Januar. Sechs Kommentare gab es zu  Kirsten Buchmanns Online-Beitrag auf www.rbb24.de, der auch im Radiosender 88,8 gebracht wurde: „Unterschriftensammlung gestartet. Berliner Initiative will geplante Schulbau-GmbH verhindern“.

4. Januar. Mit dem Start der Volksinitiative „Unsere Schulen“ schaffte es GiB auf die Seite 1 der jungen Welt. Unter dem Titel „Kein Zucker für Spekulanten“ berichteten  Jana Frielinghaus und Marc Bebenroth über die Aktivitäten von GiB gegen die Übertragung von Schulimmobilien in das Privatrecht.

5. Januar. Am 5. Januar legte die junge Welt zum Thema nach und veröffentlichte ein Interview mit Herbert Storn, einem der Podiumsteilnehmer unserer Pressekonferenz. Das Interview führte Jana Frielinghaus. Titel: „Das Privatrecht verhindert Demokratie“.

11. Januar. Die taz macht sich lustig über Menschen, die sich mit plebiszitären Mitteln im demokratischen Raum engagieren. Dabei bringt sie auch die verschiedenen Mittel – Volksentscheid, Volksbegehren, Volksinitiative – durcheinander. Erik Peter und Annika Klöpper zeichnen dafür unter dem Titel „Berlin begehrt“ verantwortlich.

Unsere Pressemeldung und Bilder von der Pressekonferenz:

https://www.gemeingut.org/wordpress/volksinitiative-gegen-schulprivatisierung-in-berlin-gestartet/

Mehr Informationen gibt es unter der Überschrift: „Volksinitiative ‘Unsere Schulen‘ unterschreiben. Wie geht das?

Weitere Artikel zu ÖPP (Auswahl):

13. Januar. Christian Hunziker berichtete für Die Welt, wie sich privates Kapital bundesweit im Schulbereich breit macht und welche Folgen daraus erwachsen. Überschrieben ist der Beitrag, der vor allem auch auf die Rolle des schwedischen  Immobilieninvestors Hemsö eingeht, mit „Die Schule als Renditeobjekt“.

17. Januar. Claudia Wanner, ebenfalls Die Welt, schreibt über die Carillion-Pleite: „Großbritannien erlebt seinen „Lehman-Brothers“-Moment.“ Tatsächlich ist (war) Carillion ein gigantischer ÖPP-Konzern. Tausende Verträge mit der öffentlichen Hand werden jetzt in den Abgrund gerissen. Der neue „Lehman-Brothers“-Moment ist auch ein Offenbarungseid Öffentlich-Privater Partnerschaften!

27. Dezember. In der jungen Welt erscheint ein Gespräch mit Carl Waßmuth unter dem Titel: „Nichts unterliegt mehr öffentlicher Kontrolle„. Das Interview zum Privatisierungsmotor Schuldenbremse führte Gitta Düperthal.

30. Dezember. Katrin Kusche: „Durchmarsch“. Jahresrückblick 2017: Autobahnprivatisierung. Noch verbleiben die Fernstraßen beim Bund, aber ÖPP-Investoren wurden die Tore bereits weit geöffnet.

2. Januar: Auch im neuen Jahr geht es weiter mit der Autobahnprivatisierung. „Berliner Autobahn: DLA-Mandantin BAM sichert sich milliardenschweres ÖPP-Projekt“ lautet die Schlagzeige auf www.juve.de. Das Bundesverkehrsministerium hat den Auftrag für Ausbau, Instandsetzung und Betrieb der A10/A24 in Brandenburg an ein Konsortium um die niederländische BAM PPP und die österreichische Habau-Gruppe vergeben.

2. Januar. Susanne Vieth-Entus: „ Wenn Retortenschulen zum Albtraum werden“. Vor 45 Jahren machte Berlin große Fehler mit einem Milliardenprogramm für den Schulbau. Manche Komponenten tauchen jetzt wieder auf.

 

3 Kommentare

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  2. “ Was bedeuten diese Zahlen? Die regierende Politik in Bund, Ländern und Kommunen hat Infrastrukturen verkauft, aber dafür viel weniger Geld eingenommen, als sie wert waren. “

    Die Infrastruktur, an der die Infrastrukturabhängigen und Lohnabhängigen Bürger hingen, ist die Macht eines Staates. Im Endeffekt heißt das, dass der Staat/Regierung seine Macht teilweise an Konzerne abgegeben hat.

    Hier folgt die Bestätigung, dass meine Überlegungen richtig sind.

    „Wir denken daher: Privatisierung und ihre Verhinderung bzw. Rückabwicklung wird eines der großen Themen der nächsten Jahrzehnte werden. Wenn das öffentliche Vermögen noch einmal halbiert wird, dann wird die öffentliche Hand weitgehend machtlos. Dann spielt es keine Rolle mehr, wer regiert, dann ist nahezu alles privatwirtschaftlichen Interessen unterworfen. “

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    Je mehr jemand verdient, um so mehr Anwälte kann er sich leisten, um sich aus der Verantwortung gegen über 80 Millionen oder noch mehr Menschen zu kaufen und das obwohl sehr viele behaupten sie müssten so viel verdienen wegen der Verantwortung die sie haben. Der Anwalt steht aber an stelle des Schwertes und es ist gerade so das jemand der viel verdient, dann auch viele Waffen(Anwälte) zu seinem Ego hält. Die Anwälte bewahren demjenigen der viel Geld verdient Verantwortung zu übernehmen.

    Die Gegenmaßnahme könnte wie folgt aussehen.

    Die beste Demo gegen Kernkraft ist, wenn man sich den Strom mit Solar oder/und Wind oder Bachlauf, wenn möglich selbst macht. Der beste Widerstand gegen eine Diktatur ist es, wenn man sich so viel wie möglich das nötige zum Leben selbst macht.

    Dadurch könnte jeder einzelne von uns die Macht wieder zurück bekommen, die er vorher durch Abhängigkeit an die Regierung abgegeben hat.

    Wo wir auch immer die Infrastruktur gebrauchen müssen, oder glauben sie gebrauchen zu müssen, ob für eine Demo oder den Weg zur Arbeit, sind wir in Ohnmacht der Macht der Politiker und ihrer Drahtzieher ausgeliefert. Die Infrastruktur der Macht, die heute mittels Handy durch die Überwachung von dem selben, bis ins Private hinein reicht, ist die Macht die alles durchdringt.

    Nicht die Regierung muss das Volk regieren, sondern das Volk die Regierung regieren.

    Wenn die Demokratie führt, brauchen wir keine Führer.

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