GiB-Infobrief: „ÖPP-Verschleierung: Das Mieter-Vermieter-Modell“

Liebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,

die Schuldenbremse ist noch gar nicht Pflicht, schon zeigt sie ihre unheilvolle Wirkung: In Hamburg wurde jetzt bekannt, dass wertvolle Kultureinrichtungen in eine GmbH überführt werden sollen. Damit kann Hamburg weitere riesige Schattenhaushalte einrichten – die Kredite der landeseigenen GmbHs gelten als Schulden der Privatwirtschaft. Für diesen Zweck sollen das Schauspielhaus, das Museum für Hamburgische Geschichte, das Thalia Theater, das Kulturzentrum Kampnagel und 19 weitere Kulturgebäude einem Mieter-Vermieter-Modell unterworfen werden.

Weniger bekannt ist: Die Bezeichnung Mieter-Vermieter-Modell ist nichts anderes als eine Verbrämung für öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP). Mit dieser Umbenennung versuchte man in Dortmund bereits 2012, die ÖPP-Projekte für zwei Berufskollegs  zu verstecken. Damals stritt der Kämmerer ab, dass es sich um ÖPP handelte. Dumm für ihn war nur, dass die Investoren Savills und Hochtief andernorts mit den Vorteilen von ÖPP an den beiden Berufskollegs warben.

Solche Kommunikationspannen passieren heute nicht mehr. Der ÖPP-Charakter der neuen Vorhaben wird konsequent geleugnet, sei es beim Schulbau in Berlin oder bei den Theatern und Museen in Hamburg. Das ändert jedoch nichts am Sachverhalt: Bei dem Mieter-Vermieter-Modell werden öffentliche Einrichtungen erst ins Privatrecht verschoben, dann mit millionenschweren Schulden belastet und in 15 bis 30 Jahre laufende, unkündbare Verträge gezwängt. Letztlich werden die öffentlichen Einrichtungen so zu handelbaren Finanzprodukten mit Gewinnzweck. Profiteure sind vor allem die kreditgebenden Banken, die so höhere Zinsen verlangen können als bei Landesanleihen. Und das ohne höheres Risiko, denn die öffentliche Hand garantiert die Mietzahlungen für die ganze Vertragslaufzeit.

Kultureinrichtungen droht nun, künftig unter dem Zwang zu stehen, Gewinne abzuwerfen. Das Kulturzentrum Kampnagel hatte noch 2017 als Gastgeber des Alternativkongresses zum G20-Gipfel seine Türen geöffnet. Damit hatte die Zivilgesellschaft einen Ort, an dem sie andere Wirtschaftskonzepte diskutieren konnte als das ewige „Der-Markt-regelt-das“. Mit dieser Offenheit ist es künftig vermutlich vorbei: Das Management der neuen Vermieter-GmbH wird „marktübliche Preise“ verlangen und Initiativen und Vereine auf diesem Weg aussperren.

Zum Glück regt sich Widerstand: in Dortmund, Hamburg, Berlin und anderswo. Das bundesweite Treffen der „AG Privatisierung“ von attac, das am kommenden Samstag in Frankfurt stattfindet, musste wegen der zahlreichen Anmeldungen bereits in einen größeren Raum verlegt werden. Das Informationsfreiheitsgesetz sowie Bürgerbegehren und Volksentscheide werden immer stärker genutzt. Es ist also noch nicht ausgemacht, dass Banken und Kapitalanleger unsere öffentliche Daseinsvorsorge bekommen!

Carl Waßmuth und Katrin Kusche
Für das GiB-Team

PS: Im Lunapark21-Extraheft „Privatisierung“ beleuchtete Anne Schulze-Allen in ihrem Artikel „Versteckspielen mit dem Bürger. Verschleierte Privatisierung als Geschäftsmodell“ das Mieter-Vermieter-Modell anhand der Entwicklungen in Dortmund. Sie können das Heft kostenlos bei Gemeingut in BürgerInnenhand bestellen.

 

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PRESSESCHAU (Auswahl!)

Die Meldungen zum Mieter-Vermieter-Modell in Hamburg zeigen, wie gut die ÖPP-Verschleierung klappt:

24. Mai. Hamburger AbendblattFür 300 Millionen Euro: Hamburg saniert
Theater und Museen
“ von Adreas Dey

24. Mai. NDRHamburger Senat saniert Kulturimmobilien

25. Mai. Welt: „Friede den Kulturpalästen“ von Stefan Grund

ÖPP rechnet sich für die Privaten:

18. Mai. Klage gegen Autobahnbetreiber: Gericht schlägt Vergleich vor“. Die Finanzierungslücke der privaten Betreibergesellschaft solle aus einer Finanzspritze gedeckt werden, zu der das Konsortium und der Bund je zur Hälfte beitragen sollten – der Bund soll also die Hälfte der Verluste tragen, berichtet die Zeit laut einer dpa-Meldung. Das Gericht erwartet bis 24. August eine Entscheidung beider Seiten, ob sie den Vergleich akzeptieren. Im Fall der A1 mobil AG sprudelten die Gewinne nicht wie erwartet. Jetzt soll der Bund nachschießen und damit die SteuerzahlerInnen. Eine typische ÖPP-Entwicklung.

18. Mai. ÖPP als Schatzkiste nicht nur für die privaten Partner, sondern auch für die Juristen? Im Fall Toll Collect wurde die Inbetriebnahme des Mautsystems um fast 1,5 Jahre verzögert. Wegen der entgangenen Einnahmen landeten der Bund und die Toll-Collect-Eigentümer Telekom und Daimler vor einem Schiedsgericht. Nach 14 Jahren Gerichtsverfahren und 250 Milliarden Euro für die Vertretung vor Gericht bekam der Bund einen Drittel der geforderten Summe. Markus Balser kommentiert in der SZ das „Ende einer bizarren Veranstaltung“.

Viele Berichte gab es zum Fortgang der sogenannten Berliner Schulbauoffensive:

4. Juni.Soziale Infrastruktur gefährdet. Berlin soll wachsen – aber das Bau-Personal wächst nicht mit“ schreibt Julia Backes in der B.Z. Florian Schmidt (Grüne), Stadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, fordert mehr und besser bezahlte Stellen im Hoch-und Tiefbau. Ein Problem, auf das GiB seit mehr als einem Jahr hinweist und das in die GiB-Forderungen im Rahmen der Volksinitiative „Unsere Schulen“ eingeflossen ist.

3. Juni. Martin Klesmann berichtet in der Berliner Zeitung von den Sorgen der Berliner KünstlerInnen. Sie fürchten, dass bei der geplanten Schulbauoffensive Kunst am Bau nicht mehr die übliche Rolle spielen wird, um Zeit zu sparen. Titel des Artikels: „Großprojekt: Berliner Künstler wollen Schulen verschönern“.

31. Mai. Small Talk mit Carl Waßmuth von Gemeingut in BürgerInnenhand zum Thema Berliner Schulbauoffensive unter dem Titel: „Enges Korsett aus Gleichgültigkeit und Verwertungsdruck“. Das Gespräch führte Philip Idel für jungle world.

26. Mai. Auf den Nachdenkseiten erläutern Magda von Garrel und Dietrich Antelmann die Berliner Schulbauoffensive und deren Folgen. Titel des Beitrags: „Wofür steht BSO?

24. Mai. Neukölln wird Schnittstelle beim Schulbau“, das berichtet Susanne Vieth-Entus im Tagesspiegel. Nachdem sich auch Pankow angeboten hatte, die zentrale Geschäftsstelle für den Schulbau der Bezirke zu übernehmen, hat sich der Rat der Bezirksbürgermeister auf seiner Sitzung am 24. Mai für Neukölln entschieden. Eigentlich sollte die Geschäftsstelle schon im März arbeitsfähig sein.

11. Mai. Ralf Wurzbacher hat für Rubikon die Berliner Schulprivatisierung in ihrer bundesweiten Bedeutung ausgemessen: Umgehung der Schuldenbremse, Beispiel Hamburg, eine Messe namens „Schulbau“, der Konzeption der Privatisierung des Schulbaus von Pricewaterhouse Coopers bis hin zur Förderung von ÖPP im Schulbau durch die Bundesregierung. Titel des Beitrags: „Der große Schulraub“.

7. Mai. In der Berliner Morgenpost schreibt Andreas Abel über die Personalprobleme im Schulbau: „Schulneubau wegen Ingenieursmangel in Gefahr“. Seit etlichen Monaten weist Gemeingut in BürgerInnenhand auf dieses Problem hin. Im Hochbaubereich ist laut Senat fast jede fünfte Stelle nicht besetzt. Hauptgrund sei die schlechte Bezahlung. Ein weiterer Beitrag  von Andreas Abel erschien ebenfalls am 7. Mai in der Berliner Morgenpost unter dem Titel: „Berliner Schulbauoffensive droht Verzug – mangels Personal“.

4. Mai. Aus der zentralen Geschäftsstelle der Bezirke für den Schulbau, sie sollte zunächst in Neukölln, dann in Spandau angesiedelt sein, wird es vorerst nichts, berichtet Susanne Vieth-Entus im Tagesspiegel und nennt parteipolitisches Gerangel als Grund dafür: „CDU blockiert Zentralstelle für den Schulbau“.

30. April. Interview mit Carl Waßmuth zur Volksinitiative „Unsere Schulen“ im rbb-Inforadio. Titel: „Runder Tisch zur Schulbauoffensive des Senats“ (leider nur 7 Tage nachhörbar im rbb-Archiv).

GiB veröffentlichte folgende Pressemitteilung:

31. Mai. Kritik an der Schulbauoffensive: Inszenieren die Regierungsparteien einen Scheindialog?

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