GiB-Infobrief: Lobbyisten wollen ÖPP in Deutschland zu einer Neuauflage verhelfen

Bild: GiBLiebe Freundinnen und Freunde der Gemeingüter,

am 22. Juni 2015 diskutierten internationale Investoren darüber, wie sich mit Infrastrukturen Geld verdienen lässt. Die Veranstaltung fand als „Infrastructure Dialogue“ im Berliner Hotel Maritim ProArte statt. Im Fokus des Interesses der angereisten VertreterInnen von Investmentfonds und Versicherungen standen öffentlichen Infrastrukturen – und ÖPP. Bernward Kulle, Vorstandsvorsitzender der ÖPP Deutschland AG, war als Referent geladen und betitelte seinen Vortrag mit der Frage „Hat ÖPP in Deutschland eine zweite Chance?“.

Dass die erste Chance als vertan angesehen wird, mag auch darauf zurückgehen, dass wir seit 2010 zu ÖPP aufklären. An dieser Investorenmesse nahmen wir allerdings nicht teil: Der Eintrittspreis von  2136 Euro pro Person erschien uns zu hoch. Aber vermutlich hat ÖPP-Lobbyist Kulle in unserer Abwesenheit die Frage nach der zweiten Chance für ÖPP mit „Ja“ beantwortet.

Auch auf  Ebene der Versicherungen zeigt sich, dass Lobbyisten einen guten Zugriff auf die Bundesregierung haben: 50 Mal trafen zum Beispiel VertreterInnen der Versicherungsbranche die Regierung in den letzten zwei Jahren (s. Versicherungswirtschaft diktiert Daseinsvorsorge). Und so verwundert es nicht, dass Dobrindt und Schäuble angekündigt haben, das bestehende ÖPP-Volumen zu verdoppeln und gleichzeitig institutionellen Investoren – und damit den Versicherungen – den Einstieg zu erleichtern. Es wurden auch gleich Nägel mit Köpfen gemacht: Die erste Vergabe für einen Autobahnabschnitt auf der A24 wurde gestartet und auch die Aufträge an die (natürlich privaten!) Berater sind bereits vergeben.

Gegen diese ÖPP-Welle regt sich neuer Widerstand: Zwei  Landesverkehrsminister warnen aktuell davor, dass diese Form der Infrastrukturfinanzierung teuer wird. Und auch die mittelständische Bauwirtschaft beginnt sich dagegen zu wehren, durch eine „breite ÖPP-Front“ kaputt gemacht zu werden. Interessant ist dabei, dass die Baufirmen den Nutzen von ÖPP auch generell in Zweifel ziehen: „ÖPP hat sich für den Steuerzahler nur in ganz seltenen Fällen wirklich ausgezahlt.“

Mehr zu alten ÖPP-Befürwortern und neuen ÖPP-Gegnern in unserer Presseschau.

Mit herzlichen Grüßen

Carl Waßmuth
für die Aktiven von GiB

P.S. Ein wichtiges Element zur Verhinderung von ÖPP sind Ihre Unterschriften. Die ersten 5000 Unterschriften zur Fratzscher-Kommisson konnten wir Gabriel persönlich übergeben. Aber wir wollen nicht auf halbem Wege stoppen und sammeln weiter: Unterschreiben Sie jetzt gegen den Ausverkauf unserer Infrastruktur und leiten Sie den Aufruf in ihrem Bekanntenkreis weiter.

 


 

Presseschau

08.06. Tagesspiegel: Zwei Verkehrsminister warnen – Privatfinanzierung der Infrastruktur wird teuer

11.07. Allgemeine Bauzeitung: Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen. Nein zur neuen Generation von ÖPP-Projekten im Autobahnbau

06/2015 Handwerksblatt: Bauhandwerk – „ÖPP zahlen sich selten aus“

14.07. FAZ: Versicherer finden Autobahnen interessant

15.07 Badische Zeitung: Versteckte Schulden bei der nächsten Generation. Die gepriesene Partnerschaft mit privaten Investoren im Straßenbau nutzt vor allem Anlegern / Dobrindt schiebt neue Projekte an

24.06 Handelsblatt: OECD-Studie / Lebensversicherer spielen mit dem Leben

15.07. FR: Deutsche Versicherer – Versicherungen auf brüchigem Fundament 

22.06 Spiegel: Bundeswehr-Kleiderkammer vor Insolvenz: Teures Grünzeug

16.04. SV-Lex: Zur Grundsteuerbefreiung bei einer sog. Öffentlich-Privaten-Partnerschaft

22.06. Süddeutsche: Bund und Toll Collect ringen in einer weiteren Runde um Milliarden Euro: Vorhang auf für eine der bizarrsten Rechts-Inszenierungen der Republik

09.07. RBB Parallel-Justiz in Deutschland – Wie geheime Schiedsgerichte Politikfehler verschleiern

Kritik an konkreten ÖPP-Projekten

16.07. hr-online: Privat-Investoren sollen A49 retten

06.07. Berliner Zeitung: BER-Teilprivatisierung im Gespräch: Ab 2019 könnte ein privater Investor beim BER einsteigen

24.06. suedthüringen: Thüringen verpulverte Millionen mit zwei Reformen

23.06. Der Westen: Gymnasium Heisenberg-Finanzierung in der Diskussion

17.06 Wochenblatt: Gesucht wird ein Finanzierungsmodell: Wirtschaftsausschuss berät über Rathausneubau

04.03. GEW: Kostenexplosion bei PPP im Kreis Offenbach – Stellungnahme der GEW

 


 

Termine

01.08. „Wem gehört Berlin?“ –  Die privatisierungskritische Stadttour

03.08 19:00-21:00 Uhr monatliches Treffen der Aktiven von GiB, Berlin

07.08 Workshop: PPP/ÖPP – Infrastruktur in Deutschland, in Marburg auf der Attac-Sommerakademie

08.08. Workshop: PPP/ÖPP – Der Trick für staatliche Investitionen, in Marburg auf der Attac-Sommerakademie

 

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Gerne nehmen wir Hinweise zu Ihren Veranstaltungen zu Privatisierung und PPP in den Infobrief auf. Schreiben Sie uns an info@gemeingut.org

3 Kommentare

  1. Riesenbluff Schuldenbremse ?

    Eine demokratisch gewählte Regierung hat die Aufgabe, die ihr anvertraute Infrastruktur zu erhalten und die Steuergelder nicht bei vollem Bewusstsein privaten Großinvestoren hinterherzuwerfen,

    Für solche Verhaltensweisen von Ministern und Behörden haben unsere deutschen Politiker und Journalisten immer schnell das K-Wort in ihren Texten, wenn es um die ach so korrupten Verhältnisse in Entwicklungsländern geht.

    Und die privaten Schiedsgerichte ?
    Bei TTIP und CETA heißt es doch immer : „Private Schiedsgerichte sind schneller als die ordentliche Gerichtsbarkeit!“ Ach was ? Und da streiten sich dort seit 10 Jahren Bund und TollCollect um die Kosten für den damaligen Pfusch der privaten Betreiberfirma zweier Weltkonzerne !
    Wieso ruft der geprellte Staat eigentlich nicht ein öffentliches Gericht an ?

    Entweder stecken die Juristen des Ministeriums mit den Prozessgegnern unter einer Decke und verschleppen das Verfahren zu Lasten des Steuerzahlers oder aber die entgangenen Milliarden sind ihnen wurscht.

    Für die berühmten Investor-Staat-Schiedsgerichte von TTIP wird an diesem Beispiel jetzt schon klar, dass der Staat und seine „Anwälte“ sich bei solchen Verfahren regelmäßig über den geheimen Tisch ziehen lassen.

    Die offenbar legale -von Schäuble abgesegnete- Umgehung der Schuldenbremse wird bei solchen ÖPP-Praktiken von Dobrindt/Gabriel/Schäuble als Riesenbluff entlarvt, wenn jetzt privaten Konzernen über Jahrzehnte sichere Gewinne aus der Staatskasse feilgeboten werden, obwohl der Staat diese Gelder ohne Fremdkosten billiger.

    Die „Schwarze Null“ ist damit nur ein von vornherein ausgehecktes Manöver, um offiziell an allen Ecken und Enden zu sparen, aber trickreichweiter locker Staatsgelder mit langfristiger Garantie in private Hände zu leiten.
    Danke.

  2. Der Trend geht eindeutig dahin das die Reichen die Kosten der gemeinschaftlichen Aufgaben auf die große Masse der Normal.- und Geringverdiener abwälzen wollen, während sie sich über Kapitalerträge refinanzieren, denn wenn ich praktisch an den Gewinnen der ÖPP’s beteiligt bin zahle ich unterm Strich nichts oder mache sogar Profit.
    Dieser neue Kapitalfeudalismus garantiert aber den Lehenszahlern nichts, weder Schutz noch Arbeitsplatz.Daran sieht man das die Reichen sich mit ihrer Welt aus der Realwelt verabschiedet haben.

  3. Auf dem Stromseminar in Schönau zitierte Georg Schramm den Großinvestor Warren Buffet : „Das zentrale Problem unserer Zeit ist der Krieg ‚Reich gegen Arm‘. Und meine Klasse, die Klasse der Reichen, hat ihn begonnen und wird ihn gewinnen.“

    Das geschieht auf allen Ebenen und mit unzähligen Instrumenten : mal mit weltweiten Finanzkrisen, mal mit der Übertragung von privaten Zockerschulden auf die Staatskassen der Steuerzahler, mal mit Privatisierungen aller Art und eben auch mal mit ÖPP in welcher Verpackung auch immer.

    Stets aber spielen sogenannte Politiker und Ex-Politiker (da sind viele Namen bekannt) geschickt mit, dann kann man die Beträge sogar direkt aus der Staatskasse abzweigen. Später bedienen sich die privaten Erwerber der öffentlichen Infrastruktur direkt aus den Taschen der Kunden durch unadäquate Preiserhöhungen.

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