Das BMWI schreibt sich die ÖPP-Welt schön

Carl Waßmuth

Findet Sigmar Gabriel ÖPP toll? Zumindest liess er das sein Ministerium schreiben

Das Bundesweirtschaftsministerium (BMWi) hat auf seiner Internetseite einen Diskussions-Beitrag veröffentlicht. Darin wird ÖPP ein wenig verharmlost und ein bißchen kleingeredet.  So soll bei Autobahnen die geplante „neue Generation ÖPP“ lediglich eine Strecke von 740 km (rund sechs Prozent)“ umfassen. Gegenüber dem letzten erfassten Stand von Frühjahr 2016 (3,6 Prozent) wäre das allerdings fast eine Verdreifachung. Diese 3,6 Prozent der Strecke verbrauchen bereits heute 8,8 Prozent der Mittel. 9,6 Prozent würden dann zwischen 20 und 25 Prozent der Mittel benötigen. Trotzdem meint man, festhalten zu können: „ÖPP sind auf allen staatlichen Ebenen von eher geringer Bedeutung.“ Nun ja.

Im weiteren wird ÖPP dann auch etwas offensiver verteidigt. Dabei stützt man sich im SPD-geführten BMWi auf eine Umfrage sowie auf den Wissenschaftlichen Beirat beim CDU-geführten Finanzministerium BMF. Harte Zahlen können beide Quellen aber nicht liefern. Der Bundesrechnungshof, der wirklich mit solchen harten Zahlen nachgerechnet hat und zu erschütternden Ergebnissen kam, wird umständlich relativiert. Dabei besteht die Kritik des Bundesrechnungshofs in den zentralen Punkten (z.B. 38 Prozent Mehrkosten in vier Autobahn-ÖPP-Projekten) unvermindert fort.

Es ist geplant, per Grundgesetzänderung bisher noch bestehende Hemmnisse für ÖPP im Autobahnbereich (und im Begleitgesetz auch für Schulen) gänzlich zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund ist der BMWi-Beitrag sicher nicht zufällig platziert. Sigmar Gabriel , bis vor wenigen Wochen noch Wirtschaftsminister, ist einer der Architekten der Grundgesetzreform. Vor seinem Wechsel ins Außenministerium wurde in seinem Haus wohl noch in Gang gesetzt, den (vielleicht wenigen verbliebenen) Befürwortern auch öffentlich Argumente an die Hand zu liefern, mit denen sie begründen können, weswegen ÖPP doch irgendwie gut oder zumindest nicht so schlimm ist.

Da das Ganze als Beitrag „zur Diskussion“ eingestellt ist, es dort aber keine Kommentarfunktion zu geben scheint, eröffnen wir die Diskussion hier (unterhalb des nachfolgend veröffentlichten Textes des BMWi).

 

06.02.2017 – Artikel – Schlaglichter der Wirtschaftspolitik

Zur Diskussion: Öffentlich-Private Partnerschaft – Geeignete Alternative zur konventionellen öffentlichen Beschaffung?

Einleitung

Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) sind in Deutschland von relativ geringer Bedeutung. Ihr Anteil an allen öffentlichen Bauinvestitionen beläuft sich auf nur etwa zwei Prozent. Die Entscheidung für oder gegen ÖPP ist im Einzelfall auf Grundlage einer sorgfältigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu treffen. Die Lebenszyklusbetrachtung, die auch bei der Entscheidung für oder gegen ÖPP Anwendung findet, sollte bei jedem Investitionsprojekt, das heißt unabhängig von der Beschaffungsvariante, Berücksichtigung finden. Zur Frage, welche Beschaffungsvariante für ein konkretes Vorhaben vorteilhafter ist und wie ihre wirtschaftliche Umsetzung sichergestellt werden kann, steht seit dem 1. Januar 2017 die Partnerschaft Deutschland GmbH mit neutralen Beratungsangeboten für alle Phasen des Projektzyklus zur Verfügung.

Begriff und Anwendung

ÖPP sind eine auf vertraglicher Basis langfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privaten Auftragnehmern für öffentliche Beschaffungsvorhaben, insbesondere im investiven Bereich. Sie sind eine Alternative zur traditionellen Vergabe eines öffentlichen Auftrags, der in der Regel mit der Fertigstellung eine Produkts oder eines Projektes abgeschlossen ist. Für die investive Beschaffungsvariante ÖPP, für die keine allgemeingültige Definition existiert, haben sich in der Verwaltungspraxis in Deutschland folgende Anforderungen etabliert:

  • Lebenszyklusansatz
    Der private Partner übernimmt die Verantwortung sowohl für die Errichtung des Investitionsprojektes als auch für seinen Betrieb. Damit liegt es in seinem Interesse, den Ressourceneinsatz über den gesamten Lebenszyklus – angefangen von der Planung über den Bau und die Finanzierung bis hin zum Ende der Betriebsphase – möglichst gering zu halten. Er ist somit angehalten, seine Leistungen nicht nur kurzfristig, sondern über einen langfristigen Vertragszeitraum zu optimieren.
  • Risikoallokation
    Investitionsprojekte bergen verschiedene Risiken. Beispielsweise können Verzögerungen in der Bauphase oder auch Qualitätsmängel in der Ausführung dazu führen, dass das Objekt nicht zeitgerecht oder nur eingeschränkt für die Nutzer zur Verfügung steht. Das Ausmaß der Nutzung und die daraus resultierenden Betriebs- und Unterhaltungsaufwendungen sind vorab oft nicht vollständig absehbar. Auch kann es zu Risiken bei der Finanzierung über längere Zeiträume kommen, zum Beispiel durch unvorhergesehene Zinsänderungen. Die Verteilung solcher Risiken muss zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Partner durch relativ komplexe Verträge geregelt werden. Dabei lassen sich Anreize für eine möglichst hohe Qualität der baulichen Leistung und eine möglichst reibungslose Inanspruchnahme durch die Nutzer setzen. Als Grundprinzip sollte jeder Partner das Risiko übernehmen, das er am besten beherrscht.
  • Leistungsorientierte Vergütungsmechanismen
    Ein Instrument einer fairen Risikoverteilung können leistungsorientierte Vergütungsmechanismen sein: Werden Entgelte an den privaten Partner abhängig von der Menge und der Verfügbarkeit der Leistung gewährt, steigt dessen Motivation, zeitliche Verzögerungen in der Errichtungsphase und Ausfälle bzw. Einschränkungen in der Betriebsphase zu vermeiden.
  • Output-Spezifikation
    Der Bieter erarbeitet eigene Konzepte zur konkreten Ausgestaltung, um die im Rahmen der Ausschreibung vereinbarten funktionalen Anforderungen zu decken. Das Wissen und die Innovationsfähigkeit des privaten Partners sind gefordert, um effiziente und wirtschaftliche Lösungen zu erarbeiten.

Die oben beschriebenen Anforderungen haben zum Ziel, bei geeigneten, in der Regel komplexen Projekten eine erhöhte Kosten- und Termintreue gegenüber der konventionellen Beschaffung zu ermöglichen. Hierdurch sollen die Gesamtkosten optimiert werden sowie gleichzeitig Anreize zu einer qualitativ hochwertigen Bauweise und möglichst geringen Beeinträchtigungen für die Nutzer über die Vertragslaufzeit gesetzt werden.

Ob ÖPP eine geeignete Beschaffungsvariante sein können, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Wie auch für jede andere Variante der finanzwirksamen öffentlichen Bedarfsdeckung ist stets der aus § 7 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) resultierende Grundsatz der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens über seinen Lebenszyklus zu beachten.

Für alle in Frage kommenden alternativen Beschaffungsvarianten sind daher angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen und die voraussichtlich wirtschaftlichste Beschaffungsvariante zu wählen.

ÖPP in Deutschland

ÖPP machen in Deutschland nur einen geringen Anteil an allen Beschaffungsmaßnahmen aus. Die öffentlichen Bauinvestitionen summierten sich im Zeitraum 2002 bis einschließlich September 2016 auf rund 461 Milliarden Euro, das ÖPP-Investitionsvolumen im gleichen Zeitraum auf rund neun Milliarden Euro.[1] Der Anteil der ÖPP-Projekte an allen öffentlichen Bauinvestitionen beläuft sich somit auf nur etwa zwei Prozent.

Gemessen am Investitionsvolumen der Projekte ist der Bund Vorreiter in Sachen ÖPP. Sein kumuliertes Investitionsvolumen im Hoch- und Tiefbau belief sich in dem genannten Zeitraum auf rund 3,6 Milliarden Euro, was einem Anteil von rund 40 Prozent am Volumen aller ÖPP-Projekte der Gebietskörperschaften entsprach. Dies ist vor allem auf die ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau zurückzuführen.

Der Anteil der Länder und Gemeinden am ÖPP-Volumen im Hoch- und Tiefbau liegt mit rund 25 Prozent (2,4 Milliarden Euro) bzw. 35 Prozent (3,2 Milliarden Euro) etwas niedriger als der Anteil des Bundes. Klammert man die Straßenbauprojekte aus, ändert sich jedoch die Rangfolge. Nach Angaben der Partnerschaft Deutschland GmbH befinden sich im Hochbau aktuell 189 ÖPP-Projekte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mit einem Volumen von rund sechs Milliarden Euro in der Planung oder Umsetzung. Davon entfallen 54 Prozent (3,2 Milliarden Euro) auf die Kommunen, 38 Prozent auf die Länder (2,3 Milliarden Euro), lediglich acht Prozent auf den Bund (446 Millionen Euro) und weniger als ein Prozent (19,4 Millionen Euro) auf Sonstige (z. B. Heinrich-Böll-Stiftung).

Unter der Federführung des Bundesministeriums der Finanzen sowie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wurde im Jahr 2008 die ÖPP Deutschland AG gegründet. Sie beriet öffentliche Auftraggeber zum Thema ÖPP in den Bereichen Infrastruktur, Gesundheitswesen, IT und Verwaltungsmodernisierung. Zudem unterstützte sie Bund, Länder und Kommunen bei der Planung und Durchführung von ÖPP-Projekten, leistete Grundlagenarbeit zur Weiterentwicklung des ÖPP-Sektors und betrieb Öffentlichkeitsarbeit zu ÖPP als mögliche Beschaffungsvariante.

Auf gemeinsame Initiative des Bundesministeriums der Finanzen  und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wurde die ÖPP Deutschland AG zum 01. Januar 2017 in die Partnerschaft Deutschland GmbH umgewandelt und ihre Beratungsleistung auf die konventionelle Beschaffung ausgeweitet. Die Partnerschaft Deutschland GmbH soll die öffentliche Hand bei Bedarf neutral zur Wahl der wirtschaftlichsten Beschaffungsvariante und zur wirtschaftlichen Projektrealisierung in allen Phasen beraten. Dank ihres Know-hows in Sachen ÖPP wissen die Berater der Partnerschaft Deutschland GmbH im besonderen Maße um die Bedeutung der Lebenszyklusbetrachtung und werden ihre Kunden – unabhängig von der Wahl der Beschaffungsvariante – für die ganzheitliche Phasenbetrachtung sensibilisieren.

ÖPP auf Bundesebene

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat im Mai 2015 das Projekt „Neue Generation ÖPP“ für den Autobahnbau gestartet. Bis 2019 sollen in diesem Rahmen jährlich ÖPP-Vergabeverfahren für zwei bis drei Projekte anlaufen und institutionelle Anbieter wie z. B. Versicherungen oder Pensionsfonds durch die Auftragnehmer eingebunden werden.

Die „Neue Generation ÖPP“ umfasst elf Projekte, weitere können hinzukommen. Das Investitionsvolumen für Neubau, Erhaltungs- und Betriebsmaßnahmen beläuft sich auf 15 Milliarden Euro und ist damit relativ begrenzt. Gemessen an der Gesamtlänge des Autobahnnetzes in Deutschland von über 12.000 km ist lediglich eine Strecke von 740 km (rund sechs Prozent) erfasst.

Für die vom Deutschen Bundestag angeforderte Berichterstattung über ÖPP des Bundes im Betrieb wurde vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Evaluierungs-Fragebogen für ÖPP-Projekte des Bundes entwickelt, die sich zum Stichtag 1. Januar 2015 in der Betriebsphase befanden. Die Befragung ergab, dass die Auftraggeber mit den bisherigen ÖPP-Projekten im Betrieb überwiegend gute Erfahrungen gemacht haben und die Projekterwartungen bis dato erfüllt wurden. Die ÖPP-Projekte des Bundes zeichneten sich durch eine hohe Termin- und Kostentreue aus. Die bauliche Qualität befinde sich auf einem hohen Niveau. Die bei ÖPP erwarteten Wirtschaftlichkeitsvorteile haben sich weitgehend bestätigt. Auch die Flexibilität der vertraglichen Gestaltung im Hinblick auf die langfristige Bindung wurde positiv beurteilt.

Ob der Wirtschaftlichkeitsvorteil in der Praxis (ex post) tatsächlich realisiert wird, ist Gegenstand kontroverser Debatten zwischen dem BMVI und dem Bundesrechnungshof (BRH).

In einem Gutachten aus dem Jahr 2014 stellte der BRH vermeintliche Mehrkosten bei fünf der sechs vergebenen ÖPP-Verkehrsprojekte des BMVI in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro fest. Der BRH unterstellte dabei Prognosen für das Verkehrsaufkommen und damit die Mautzahlungen an die privaten Partner, die sich nach ersten Zahlen als zu hoch erwiesen haben. Die Mauteinnahmen, die an die privaten Partner abgeführt werden mussten, fielen sogar geringer aus als vom Bund kalkuliert. Aus Bundesperspektive bedeutet das: Dem Bund entgingen weniger Mauteinnahmen und die ÖPP-Variante „verbilligt“ sich zunächst gegenüber der konventionellen Beschaffung.

Die Differenzen zwischen BMVI und BRH konnten in einem gemeinsamen Bericht Ende 2015 weitgehend ausgeräumt werden. Hinsichtlich der Kostentreue der ÖPP-Projekte kam der Bericht zu folgendem Ergebnis: Die Ausgaben des Bundes liegen für alle sieben laufenden ÖPP-Projekte (Stand 2014)  bislang 1,1 Prozent über den dafür nach Maßgabe der jeweiligen abschließenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung eingestellten Verpflichtungsermächtigungen; für die fünf verkehrsmengenabhängigen Projekte beträgt die Abweichung 1,3 Prozent. Das heißt, die Kostenplanungen, die auch Grundlage der Entscheidung für ÖPP waren, werden bislang weitestgehend eingehalten.

Ob die betrachteten ÖPP-Straßenbauprojekte letztlich zu Mehr- oder Minderkosten gegenüber anderen Beschaffungsvarianten geführt haben, kann u. a. aufgrund ihrer Verkehrsmengenabhängigkeit erst nach Ablauf der Vertragslaufzeit beurteilt werden.

Der gemeinsame Bericht zeigt auch, dass bei der Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zwischen den Beschaffungsvarianten weiterhin offene Fragen bestehen. Wichtige Aspekte sind in diesem Kontext die Berücksichtigung von Mittelstands­aspekten bei der Ausschreibung, Finanzierungsmodalitäten, Projektgrößen und -laufzeiten, Ermöglichung von Bietergemeinschaften sowie der Verzicht auf überzogene Sicherheitsanforderungen.

Im vergangenen Jahr einigten sich BMVI, BRH und BMF auf gemeinsame Positionen in verschiedenen Steuer-, Risiko- und Transparenzfragen, die dem Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags im Dezember 2016 in Form eines weiteren Berichts dargelegt wurden.

ÖPP auf Landes- und Kommunalebene

Auf Landesebene verzeichnet die ÖPP-Datenbank der Partnerschaft Deutschland GmbH insgesamt 47 Projekte mit einem durchschnittlichen Investitionsvolumen von 51 Millionen Euro. Das höchste Investitionsvolumen entfällt mit rund 520 Millionen Euro auf die Sanierung und Erweiterung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Projektträger ist das Land Schleswig-Holstein. Fast 60 Prozent des ÖPP-Investitionsvolumens auf Landesebene entfällt auf Projekte mit einem Projektvolumen von mehr als 100 Millionen Euro.

Auf kommunaler Ebene gibt es seit 2002 insgesamt 146 Projekte mit einem Durchschnittsvolumen von 22 Millionen Euro. Rund 2/3 der Projekte haben ein Investitionsvolumen von weniger als 20 Millionen Euro. Projekte mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro haben nur einen Anteil von 15 Prozent am Gesamtvolumen kommunaler ÖPP.

Die größte Zahl der Projekte ist dem Bereich „Schulen, Kitas, Bildung“ zuzuordnen (50 Prozent), auf Platz 2 rangieren Projekte im Bereich „Freizeit, Kultur, Sport, Event“ (28 Prozent), an dritter Stelle der Neubau oder die Sanierung von Verwaltungsgebäuden (zehn Prozent).

Kontroversen um ÖPP

Der Wissenschaftliche Beirat beim BMF kommt in einem aktuellen Gutachten zu ÖPP (September 2016) zu dem Ergebnis, dass die Realisierung großvolumiger Infrastrukturprojekte, z. B. Fernstraßen, im Wege von ÖPP vorteilhaft sein kann. Kleinere Infrastrukturprojekte, insbesondere auf kommunaler Ebene, sollten aufgrund der komplexen Vertragsbeziehungen mit hohen Transaktionskosten hingegen vorrangig konventionell realisiert werden. Der Beirat spricht sich ferner dafür aus, die aus ÖPP-Projekten resultierenden staatlichen Finanzierungspflichten dem öffentlichen Haushaltsdefizit zuzurechnen, um langfristige Belastungen der öffentlichen Hand im Haushalt transparent abzubilden.

Der Bund muss seinen Haushalt gemäß der grundgesetzlich definierten Schuldenregel grundsätzlich ohne Einnahme aus Krediten ausgleichen. Diese Bedingung erfüllt er, wenn die strukturelle Neuverschuldung nicht mehr als 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beträgt.

Bei der konventionellen Beschaffung fallen hohe Ausgaben für Investitionen zu Beginn und/oder spätestens zur Fertigstellung der Maßnahme an. Etwaige Kredite für das geplante Projekt sind als Schulden zu verbuchen. Die haushalterische Abbildung von Verpflichtungen im Rahmen von ÖPP kann davon abweichen. Anstelle eines Kredits (Tilgung, Zinsen) zeigen sich im Haushaltsplan periodisierte Entgelte an den privaten Partner, wobei sich die Zahlungen von der Bau- über die Betriebsphase erstrecken. Finanzierungsverpflichtungen können sich somit gegenüber einer konventionellen Beschaffung in die Zukunft verlagern, ohne dass dies im kassenmäßigen Schuldenstand sichtbar wird.

ÖPP im Bundeshaushalt

Im Bundeshaushalt werden die geplanten und die tatsächlichen Ausgaben für ÖPP transparent und im Detail über die gesamte Laufzeit abgebildet. Dazu werden Verpflichtungsermächtigungen und Erläuterungen in Haushaltsvermerken ausgewiesen. In den Vorbemerkungen zum Haushaltsplan finden sich zusammenfassende Ausführungen zu grundsätzlichen Zielen, Finanzierung und Umfang der Maßnahmen.
Kritiker sehen vor diesem Hintergrund in ÖPP einen übermäßigen Anreiz, die verfassungsrechtliche Schuldengrenze zu umgehen und Investitionsprojekte auch in angespannter Haushaltslage zu realisieren.

Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass auch die Vorgaben des europäischen Fiskalpakts beachtet werden müssen.

Für Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung (einschließlich Extrahaushalte) gilt nach dem Fiskalvertrag zudem eine strukturelle Defizitobergrenze von 0,5 Prozent des BIP in der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Nach diesem EU-Regelwerk werden die Ausgaben für ein ÖPP-Projekt nur unter ganz bestimmten Umständen nicht den Staatsschulden zugerechnet. Dies ist dann der Fall, wenn der Private das so genannte Baurisiko und entweder das Nachfragerisiko oder das Verfügbarkeitsrisiko trägt.[2] Für diese Art der Risikoteilung kann davon ausgegangen werden, dass die ÖPP-Gesellschaft wie eine Art Dienstleister gegenüber dem Staat fungiert und der Staat nur in dem Umfang haftet, wie die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich erbracht wird. Die Bewertung der Risikoverteilung unterliegt dabei den nationalen Statistikbehörden.

Neben der kontroversen Diskussion um die schuldenmäßige Verbuchung von ÖPP führen Kritiker häufig an, dass die Finanzierung von Straßenbauprojekten für den Privaten erheblich teurer sei als für den Staat.

Tatsächlich finanziert der private Partner in der Regel zumindest einen Teil des Projekts, die finanzielle Beteiligung ist jedoch keine Voraussetzung für ÖPP.

Folglich fallen in der Regel Finanzierungsmehrkosten gegenüber der konventionelle Variante an, die durch Effizienzgewinne ausgeglichen werden müssen.

Effizienzgewinne versprechen sich die Befürworter von ÖPP durch den Lebenszyklusansatz für Bau, Erhaltung, Betrieb und (anteilige) Finanzierung über die lange Vertragslaufzeit, die Leistungserbringung aus einer Hand und eine optimierte Risikoverteilung zwischen öffentlicher Hand und privatem Partner. Damit sollen eine Gesamtkostenoptimierung erreicht sowie gleichzeitig Anreize zu einer qualitativ hochwertigen Bauweise und möglichst wenigen Verkehrsbeeinträchtigungen für die Nutzer über die Vertragslaufzeit gesetzt werden.

Eine repräsentative Umfrage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter 1.000 kommunalen Finanzverantwortlichen im Jahr 2014 ermöglicht einen Vergleich der Erfahrungen mit unterschiedlichen Beschaffungsvarianten. So bewerten 40 Prozent der Kommunen mit ÖPP-Erfahrung die Kostentreue von ÖPP als gut oder sehr gut (konventionelle Beschaffung: sechs Prozent „besser“ oder „weit besser“ als geplant), während nur 16 Prozent angaben, sie sei „schlechter“ oder „weit schlechter“ als geplant (konventionelle Beschaffung: 52 Prozent)[3].

Diesen positiven Erfahrungen steht eine ungleich negativere Grundeinstellung aller Kommunen zu ÖPP gegenüber: Weniger als zehn Prozent der Befragten gaben an, eine positive oder sehr positive Haltung gegenüber ÖPP zu haben. Bei den Kommunen mit ÖPP-Erfahrung bewertete immerhin ein Drittel ÖPP grundsätzlich als positiv oder sehr positiv, bei den Kommunen ohne ÖPP-Erfahrung waren es hingegen nur fünf Prozent.

Gefragt nach den Gründen, warum man von der Beschaffung im Wege von  ÖPP abgesehen habe, wurden nicht in erster Linie Wirtschaftlichkeitsaspekte, sondern ÖPP-systemische Punkte wie die langfristige Bindung an Private, Unsicherheiten in Fragen der Vertragsauslegung und ein Mangel an passenden Projekten genannt. Hinzu kamen fehlende Erfahrung und Kapazität, zu hohe Komplexität sowie zu hoher Aufwand.

Fazit: Die konventionelle Beschaffung ist und bleibt das häufigste Mittel der Wahl – die ÖPP-immanente Lebenszyklusbetrachtung sollte jedoch auch bei der konventionellen Beschaffung Berücksichtigung finden.

ÖPP sind auf allen staatlichen Ebenen von eher geringer Bedeutung und es ist davon auszugehen, dass ÖPP auch zukünftig weit hinter dem Volumen der konventionellen Beschaffung zurückbleiben werden. Dies gilt auch für den Bundesfernstraßenbau: Die vom Bundesverkehrsministerium initiierte „Neue Generation ÖPP“ umfasst lediglich sechs Prozent des Autobahnnetzes.

Die Betrachtung von Projektchancen und -risiken über den gesamten Lebenszyklus ist grundsätzlich sinnvoll, unabhängig von der Wahl der Beschaffungsvariante. Diesem Gedanken trägt die Umwandlung der ÖPP Deutschland AG, die zuvor nur ÖPP-Projekte begleitet hat, in die Partnerschaft Deutschland GmbH Rechnung. Auf Grundlage der in der Serviceagentur vorhandenen Expertise in Fragen der ganzheitlichen Projektreflexion können auch bei der Beratung zur konventionellen Beschaffung wichtige, phasenübergreifende Impulse gegeben werden.

Kontakt: Dr. Martin Meurers und Lisa Wenske

Referat: Finanzpolitik, konjunkturpolitische Koordinierung

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[1] Partnerschaft Deutschland GmbH.

[2] Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010, Ziffer 20.284.

[3] Siehe auch Alm/Zettelmeyer: „Kommunale Investitionen – Woran fehlt das?“, Wirtschaftsdienst 7/2015.

 

1 Kommentar

  1. In Dortmund werden ÖPP-Projekte inzwischen nicht einmal mehr als solche ausgewiesen, wie z.B. die neu gebauten und von einem privaten Investor betriebenen Berufskollegs am Dortmunder U. Diese wurden zwar von dem Investor selbst wie auch von der beteiligten Baufirma Hochtief als solche beworben, doch für die Stadt sind es „Immobiliengeschäfte, bei denen Grundstücke an Private veräußert werden, um darauf erstellte Gebäude für öffentliche Zwecke anzumieten“ oder es sind reine Mietgeschäfte für sehr lange Zeiträume mit privaten Partnern, die die Gebäude nach den Vorstellungen der Stadt umbauen. Da gibt es nur eins: Veröffentlichung der entsprechenden Verträge und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, so es sie denn überhaupt noch gibt.

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