Der Marshall-Plan des DGB – 99% PPP mit einem Schuss Vermögensabgabe

leveragevon Carl Waßmuth / GiB

Der DGB hat bereits 2012 zur Frage der Investitionen seinen sogenannten „Marshall-Plan für Europa“ vorgelegt. Darin wird ein Fonds vorgeschlagen, der Zins und Tilgung sollen aus Steuermitteln leistet (Erlöse aus einer Finanztransaktionssteuer): [1]

„Zu diesem Zweck emittiert der „Europäische Zukunftsfonds“ ähnlich wie Unternehmen oder Staaten verzinsliche Anleihen, die wir „New Deal Anleihen“ nennen.“

„Die Einnahmen aus der Finanztransaktion finanzieren die Zinslast.“

Die Kontrolle soll über das Europäische Parlament erfolgen:

„Als neue europäische Einrichtung soll der „Europäische Zukunftsfonds“ einer strikten Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen. Anknüpfend an die Vorschläge von neun Außenministern zur Zukunft Europas muss das Europäische Parlament allen Mittelabflüssen aus dem Zukunftsfonds zustimmen. Voraussetzung dafür ist eine enge Einbindung des EP in alle Entscheidungsprozesse.

Privates Kapital 10-fach gehebelt

Das Eigenkapital soll ebenfalls aus Steuermitteln bereitgestellt werden (einmalige Vermögensabgabe):

„Für Deutschland schlagen wir eine einmalige noch zu konkretisierende Vermögensabgabe von 3% auf alle privaten Vermögen ab 500.000 Euro bei Ledigen bzw. 1 Mio. Euro bei Verheirateten vor.“

Der Fonds soll neben selbst geleisteten Direktinvestitionen auch selbst Kredite ausgeben dürfen:

„Das aufgenommene Geld kann auf zwei Wegen in Investitionen münden: Entweder als günstiger Kredit an Investoren oder es wird direkt investiert. Im ersten Fall muss der Kreditnehmer Zinszahlungen und Tilgung an den Fonds entrichten. Im zweiten Fall muss der Fonds die Zinsverpflichtungen und Tilgung aus den Einnahmen aus der Finanztransaktion selbst finanzieren.“

Der Fonds soll kreditfähig sein:

„Doch um den Zinssatz auf die „New Deal Anleihen“ möglichst niedrig zu halten, muss der „Europäische Zukunftsfonds“ an den Finanzmärkten als solventer Schuldner mit hoher Bonität angesehen werden. Hier bedarf es neben sicheren Einnahmen ausreichend haftendes Eigenkapital.“

Der Hebel wird mit 10 bis 20 angenommen, d.h. mithilfe der Fondsgelder sollen das 10- bis 20-fache an Kapitalmarktkrediten aufgenommen werden:

„So [d.h. durch Eigenkapital aus einer Vermögensabgabe sowie durch New Deal Anleihen] könnten europaweit zwischen 200 und 250 Mrd. Euro mobilisiert werden. […] Mit diesem Eigenkapital kann der Fonds gemäß strenger Vorschriften für Banken und Investmentfonds frisches Geld in Höhe von mindestens 2.500 bis über 4.000 Mrd. Euro aufnehmen.“

Das PPP-Modell der Projektanleihe durchgepaust

Das ganze Modell ähnelt stark dem aktuell von der Europäischen Kommission eingeführten PPP-Modell der Projektanleihe („Projekt-Bonds“). Es gibt wenige Unterschiede und wichtige Gemeinsamkeiten:

  • Die Ankopplung soll an das europäische Parlament statt an die EU-Kommission erfolgen. Das erscheint angesichts dessen Kapazitäten in diesen Fragen allerdings unrealistisch. Es müssten dort eine Vielzahl komplexer Großprojekte gesteuert werden, ohne dass die zugehörige Verwaltung vorhanden ist.
  • Die Eigenkapitalverzinsung und Tilgung der Anleihen soll aus spezifischen Steuermitteln und nicht aus dem allgemeinen Steueraufkommen oder aus Gebühren erfolgen. Es bleibt jedoch in jedem Fall steuerfinanziert.
  • Der Fonds wäre selbst eine Bank, die neben der EIB existiert und agiert. Es entstünde somit eine Doppelstruktur.
  • Der Versuch, ein gutes Rating durch eine Mischung der Risiken zu erreichen, ist ähnlich. Beim ersten deutschen Projektanleihen-PPP, der aktuellen Vergabe für einen Teilabschnitt der Autobahn A7, wurde bereits aus Projekten mit einem üblichen Rating von BB+ oder BBB über die Beteiligung der EIB ein A3-Rating.
  • Keine Aussage findet sich in dem Vorschlag, ob ein Haftungsausschluss der europäischen Staaten für den Insolvenzfall einzelner Infrastrukturprojekte geleistet wird. Das wäre schlüssig, dann allerdings eine Abweichung von der bisherigen Regelung bei PPPs. Dort werden zwar entsprechend der Ratings die Kapitalmarktzinsen ermittelt, gleichwohl garantiert die öffentliche Hand über die EIB weiterhin.
  • Wichtigste Gemeinsamkeit ist die Hebelung. Es sind in beiden Modellen erhebliche Kapitalmarktkredite erforderlich, und zwar beim DGB-Vorschlag in der Höhe des 10- bis 20-fachen der Summe aus Eigenkapital, bei den Projektanleihen des 20-fachen. Dass der DGB hier die „geltenden strengen Vorschriften für Banken und Investmentfonds“ für den Fonds beansprucht, ist eine bezeichnende Wertung. Tatsächlich kann man darüber, ob die Strenge der Eigenkapitalvorschriften z.B. gemäß Basel III hinrichend ist, unterschiedlicher Auffassung sein. In jedem Fall aber gilt: Diese Kredite müssen ebenfalls verzinst werden. Trotz eines möglicherweise „guten Ratings“ (A3) ist das zumindest in Deutschland zweifelsohne deutlich teurer als Staatsanleihen, und vermutlich ist es auch teurer als ein volumenbezogener Durchschnitt aller 10-jährigen Verzinsungen von europäischen Staatsanleihen. Die ganze Konstruktion verdeckt also, dass es weniger um das Einsammeln von Eigenkapital geht als um ein Konstrukt, das 90 bis 95 Prozent Fremdkapital einwerben kann und muss.

Zusammenfassend kann wohl gesagt werden: der Marshall-Plan ist im besten Fall hochgradig naiv. Der DGB hat sich darauf eingelassen, die Projektanleihen durchzupausen und nur ein bisschen Finanztransaktionssteuer hier und Vermögensabgabe dort dranzukleben. Es steht zu befürchten, dass sich Gabriels neue PPP-Kommission unter DIW-Chef Fratzscher auf diesen Entwurf stürzt, ihn flugs von seinen Anhängseln befreit und als „mit den Gewerkschaften eng abgestimmtes Modell“ präsentiert. Auch den Namen übernimmt man sicher gern: Zukunftsfonds. Das klingt doch viel besser als PPP! Es wäre zwar weiterhin PPP, aber wem würde das im Lärm der Rufe „ja, endlich mehr Wachstum und Beschäftigung“ und „endlich wird wieder investiert“ noch auffallen? Es ist zu hoffen, dass der DGB sich mit PPP und den europäischen Projektanleihen befasst und von seinem naiven Vorschlag Abstand nimmt, bevor Sigmar Gabriel damit unsere Daseinsvorsorge flächendeckend privatisiert.

[1]08.12.2012, Pressemitteilung des DGB

 

Weitere Beiträge zum Thema:

Faktenblatt Nr. 15: Projekt-Bond-Initiative

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