A7 – ÖPP-Fass ohne Boden

von Carl Waßmuth

Dass mit ÖPP oft etwas nicht stimmt, ist mittlerweile schon so etwas wie ein geflügeltes Wort. Wo die Probleme im Einzelnen liegen, ist hingegen vielen nicht bekannt. Das ÖPP-Projekt auf der A7 zwischen Salzgitter und Göttingen ist ein Beispiel, und ein besonders krasses obendrein. Man kann daran Folgendes sehen:

Mit ÖPP dauert es länger – manchmal viel länger

Im Fall der A7 betrug die ÖPP-Verzögerung acht Jahre. 2012 stellte der Bundesrechnungshof in einem Bericht zum Vorhaben fest:

„Im Jahr 2005 plante die Straßenbauverwaltung den Baubeginn für den Abschnitt Autobahndreieck Salzgitter bis zur Anschlusstelle Bockenem für das Jahr 2009. Der Planfeststellungsbeschluss lag für den o.g. Abschnitt am 25.11.2008 vor. Die Straßenbauverwaltung konnte ihre Planung aus dem Jahre 2005 nicht umsetzen, weil das Bundesverkehrsministerium im Jahr 2008 entschied, den sechsstreifigen Ausbau der A7 als ÖPP-Projekt durchzuführen.“

Bei der Eröffnung des ÖPP-Abschnitts auf der A3 hatte Verkehrsminister Dobrindt für ÖPP geworben:

Mit ÖPP bauen wir schnell […] und verringern den größten volkswirtschaftlichen Schaden: den Stau.“

Acht Jahre sind also schnell? Man möchte nicht wissen, was bei Dobrindt dann langsam ist.

Mit ÖPP wird es teurer

Im gleichen Bericht wurde für den 72 Kilometer langen Streckenabschnitt moniert, dass Mehrkosten von 29 Millionen Euro entstünden, wenn Bau und Betrieb mit ÖPP vergeben würden. Die Gesamtkosten im Jahr 2012 sollten 627 Millionen Euro betragen. Hintergrund der konservativ geschätzten Mehrkosten war, dass die öffentliche Hand die Autobahn verfallen ließ, um auf die ÖPP-Vergabe zu warten. Der Sanierungsbedarf war seit 2004 bekannt, dazu noch einmal der BRH 2012:

„Der Konzeption zur grundhaften Erneuerung der BAB A7 im Abschnitt Autobahndreieck Salzgitter bis Anschlusstelle Northeim-Nord aus dem Jahr 2004 ist zu entnehmen, dass der gesamte Bereich Schäden aufweist.“

„Der Entwurf zur grundhaften Erneuerung der BAB A7 im Abschnitt Autobahndreieck Seesen bis Anschlusstelle Northeim-Nord aus dem Jahr 2006 weist unter Punkt 2.4 – Bewertung und Schadensursachen – darauf hin, dass der Substanzverlust der Fahrbahnbefestigung […] beschleunigt voranschreitet.“

„Unter Punkt 3.  – Notwendigkeit der Baumaßnahme  – wird festgestellt, dass der Erhaltungsaufwand in den kommenden Jahren exponentiell steigen werde.“

Das Land Niedersachsen wandte sich gegen das teure ÖPP-Projekt, und die Beschäftigten wehrten sich massiv. Das Verkehrsministerium ließ sich von drohenden höheren Kosten nicht beirren. Nach dem Motto „Wollt ihr nicht? Müsst ihr aber!“ erteilte der Minister Peter Ramsauer Weisung, ein bis dato für ÖPP nie dagewesener Vorgang.

Mit ÖPP wird es teurer – und manchmal sehr viel teuer

Nach der Ministerweisung wurde das Projekt per ÖPP ausgeschrieben, im Frühjahr wurde der ÖPP-Vertrag unterschrieben. Und o Wunder: Die Strecke, die die Privaten sanieren sollen, ist jetzt nur noch 29 Kilometer lang. Auch die Strecke, die 30 Jahre lang von den Privaten betrieben werden soll, hat sich verkürzt – sie soll jetzt nur noch 60 Kilometer lang sein. Gestiegen sind allein die Gelder, die die Steuerzahlenden dafür aufbringen sollen: das ganze Projekt soll eine Milliarde Euro kosten!

Private scheuen bei ÖPP die Risiken

Eine weitere Lehre aus dem ÖPP-Projekt auf der A7 in Niedersachsen ist, dass die Privaten gerne alles ausklammern, was Risiken birgt. Zur Erinnerung: Mit der Risikoübernahme wird inhaltlich die ÖPP-Rendite begründet. Nun werden bei der A7 offenbar Abschnitte, in denen Umweltrisiken vorliegen (dort wurden Teersande verbaut) öffentlich saniert, und nur der Rest ging an das private Konsortium.

Der Bundesrechnungshof kann übergangen werden

Der Bundesrechnungshof hatte ÖPP allgemein und das ÖPP-Projekt auf der A7 im Speziellen deutlich kritisiert:

„Der Bundesrechnungshof empfiehlt aus  Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Verkehrssicherheit, umgehend den sechsstreifigen Ausbau nach konventioneller Vorgehensweise zu beginnen und auf das ÖPP-Projekt zu verzichten.“ (BRH 2012)

„Die Ergebnisse der vorliegenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vom November 2012 deuten darauf hin, dass nach derzeitigem Stand die Wirtschaftlichkeit der ÖPP-Variante nicht nachgewiesen werden kann. Wenn die Hinweise des Bundesrechnungshofes beachtet werden, ergibt sich ein wirtschaftlicher Nachteil der ÖPP-Variante von 1,94 % oder 12,8 Mio. Euro (barwertig).“ (BRH 2013)

Das Erstaunliche ist: Beide Aussagen hatten offenbar keine Auswirkung auf das Vergabeverfahren. ÖPP wurde durchgesetzt – gegen jede Vernunft:

  • zu Lasten der Steuerzahlenden, die nun knapp 400 Millionen Euro mehr bezahlen, für weniger Leistung,
  • zu Lasten der Beschäftigten, die ihre Sachen packen und die Autobahnmeistereien räumen mussten,
  • zu Lasten der Autofahrenden, die immer noch auf eine Sanierung der Strecke warten – seit 2004.

4 comments

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  2. Hallo und guten Morgen
    in dem Abschnitt „Mit ÖPP wird es teurer – und manchmal sehr viel teuer“ habt ihr im letzten Satz eine wichtige Zahl vergessen: „… das ganze Projekt Milliarde Euro kosten!“
    Soll es heißen „eine Milliarde“.
    Und gibt es für diese Information eine Quelle?
    Vielen Dank!
    bruno neurath

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