Trittbrettfahrer mit Tarnkappe

Bild: Carl Waßmuth

Von Carl Waßmuth / GiB

In den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und der Linken gab es viele positive Bezüge zu Genossenschaften (s. dazu auch C. Waßmuth „Genossenschaften versus öffentliches Eigentum“). Am Beispiel Hamburg kann man nun sehen, wohin die Reise gehen kann: Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) akzeptiert das Ergebnis des Volksentscheids: „Die Bürgerinnen und Bürger haben sich im Volksentscheid für den vollständigen Rückkauf ausgesprochen.“

Diesem Votum sähe sich der Senat verpflichtet und werde den Volksentscheid nicht ins Leere laufen lassen, sondern seine Zusagen einhalten, sagte er. Anders die Bürgergenossenschaft Energienetz Hamburg: Die Genossenschaft unterstützt zwar verbal den Rückkauf des Hamburger Stromnetzes. Sie hat aber gleichzeitig 50 Millionen Euro Eigenkapital für den eigenen Ankauf von Anteilen akquiriert. Man sei für jede Beteiligungslösung offen, die eine mehrheitlich kommunale Lösung beinhaltet. Mehrheitlich ist alles andere als vollständig. Ganz ähnlich geht die Schwester-Genossenschaft „BürgerEnergie Berlin“ (BEB) vor. In der Außendarstellung wird der Volksentscheid zum 100-prozentigen Rückkauf durch das Land Berlin unterstützt. Parallel sammelt man aber Geld von Anlegern, die auf dem Weg über die Genossenschaft persönlich einsteigen wollen. Faktisch sind diese Genossenschaften somit keine Alternative zum System der bisherigen Privatisierung, sondern vielmehr eine Gruppe von Geldanlegern, die Vattenfall unter dem Deckmantel der Klimarettung deren Anteile abjagen wollen – und die sich dazu geschickt der Legitimation von Bürgerinitiativen und basisnahen Genossenschaften bedienen.

Denkt man an Genossenschaften, so assoziiert man das Motto: Ein Mensch – eine Stimme. Tatsächlich gibt es ein Stimmrecht aber auch für anteilhaltende Kapitalgesellschaften. Und auch wenn deren Stimmgewicht anders als bei den anderen privaten Unternehmensformen formal auf jeweils eine Stimme begrenzt ist, so wissen sie ihren Einfluss dennoch durchaus proportional zu ihrem Kapitalanteil geltend zu machen. Menschen, die die Daseinsvorsorge zu einem Leben in Würde benötigen, haben hingegen kein Stimmrecht.

Auch der Verbleib im Privatrecht ist für die Daseinsvorsorge ein Problem. Genossenschaften sind eine mögliche Form, ein beschränkt haftendes Unternehmen zu gründen. Gemeinnützige Ziele kann man in den Satzungen vereinbaren, muss es aber nicht. Vor allem aber ist man aber nicht daran gebunden, Entscheidungen aus der parlamentarischen oder direkten Demokratie zu übernehmen. Nicht jedes Gut, das sich mehrere Menschen teilen, ist ein Gemeingut. Beim genossenschaftlichen Gemeineigentum gilt die Solidarität nur der (zumeist kleinen) Gruppe der Mitgenossen. Wenn eine Stadt, eine Region oder ein Land nun zur Überzeugung gelangt, es müsse zum Erreichen der Ziele der Energiewende bestimmte übergreifende Infrastrukturmaßnahmen wie neue Stromtrassen veranlassen, dann wird man bei den Netzen in genossenschaftlicher Hand darauf stoßen, dass deren Ziel die Mehrung der Kapitaleinlage ist. Zur Abwehr von Kosten, die zwar einen allgemeinen Nutzen versprechen, den Genossen aber einen Aufwand verursachen, steht den Genossenschaften das ganze Potential des grundgesetzlichen Schutzes ihres Eigentums zur Verfügung. Gleichzeitig bedeutet die Haftungsbeschränkung, dass die Genossen im Insolvenzfall für nichts einstehen müssen. Die Erwirtschaftung einer Rendite steht also auch innerhalb von Genossenschaften dem Interesse der BürgerInnen an guten und langlebigen Investitionen in die Netze entgegen.

Was einmal mit den „Stromrebellen“ in Schönau als Emanzipationsprozess begann, hat sich von seinen Wurzeln denkbar weit entfernt. Konnte man die Energiegenossen der ersten Stunde noch als (kapitalgebende) Stellvertreter ihrer weniger reichen Schönauer MitbürgerInnen auffassen, so kann man das den heutigen Energiewerken Schönau (EWS) nicht mehr bescheinigen. Denn Schönauer haben in Stuttgart, Hamburg oder gar Berlin ganz andere Interessen als eben BürgerInnen in Stuttgart, Hamburg und Berlin. Als die StuttgarterInnen ein Bürgerbegehren zur Rekommunalisierung ihrer Stadtwerke starteten, boten die EWS auf der anderen Seite zum Kauf der Netze mit, den „Stuttgarter Stromrebellen“ versagten sie deswegen jede Unterstützung. Wer heutzutage also von einem Rekommunalisierungsvorhaben liest, der sollte genau hinschauen, wer sich da als Kommune ausgibt. Echte Rekommunalisierungen mit dem Anspruch, auch zukünftig allen BürgerInnen die Mitsprache und demokratische Steuerung einzuräumen gibt es derzeit nur über die entsprechenden Bürger- und Volksbegehren.

1 Kommentar

  1. Sie scheinen sich sehr intensiv mit dem Thema „Genossenschaften“ auseinandergesetzt zu haben. Dabei herausgekommen ist völlige Ablehnung.
    Warum?
    Genossenschaften gibt es seit 250 Jahren. Heute gibt es in Deutschland ca. 7.000 Genossenschaften mit 20 Mio. Mitgliedern (jeder 4. Deutsche), Tendenz steigend.
    Genossenschaften arbeiten nicht gewinnorientiert, sondern stehen für demokratisches und nachhaltiges Wirtschaften. Sie verfolgen ökologische, ökonomische und soziale Ziele.
    Genossenschaften können Stadtwerke unterstützen und stärken, möglicherweise eine Privatisierung verhindern.
    Bürgerbeteiligung,Transparenz,Kommunale Stadtwerke, dezentrale nachhaltige Energieerzeugung – „Gemeinsam etwas erreichen“ ist das Ziel einer breiten Bewegung. Aus dieser sollte man (bestimmte) Genossenschaften nicht einfach ausschließen. Sie haben schon viel Gutes für uns alle erreicht und werden auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten.
    Deshalb – bitte keine Spaltung der Bewegung!

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