Privatisierung der Bildungseinrichtungen: „Public Private Partnerships“ im Schulbereich

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Privatisierung der Bildungseinrichtungen: „Public Private Partnerships“ im Schulbereich

Auszug aus:

JOCHEN KRAUTZ

WARE BILDUNG

SCHULE UND UNIVERSITÄT UNTER DEM DIKATAT DER ÖKONOMIE
München/Kreuzlingen (Hugendubel, Reihe Diederichs) 2007 255 Seiten, 19,95 Euro

ISBN 978-3-7205-3015-6

Privatisierung der Bildungseinrichtungen: „Public Private Partnerships“ im Schulbereich

Wenn man sich der Kommerzialisierung von Bildung gewissermaßen „von außen“ nähert, fällt zunächst auf, dass immer öfter Schulgebäude halbprivatisiert errichtet und betrieben werden. Hierfür kursiert das Zauberwort „ Public Private Partnership“ (PPP). Was ist das eigentlich? „PPP verfolgen das Ziel, durch eine langfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privater Wirtschaft öffentliche Infrastrukturprojekte effizienter zu realisieren als in herkömmlicher Weise. Wesentlich ist der ganzheitliche und über den ganzen Lebenszyklus zielende Ansatz“1, so das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das mit einer „Task Force“ PPPs vorantreibt. Entsprechende Ausführungen aus NRW erklären die Hintergründe: „Die Problematik ist doppelschichtig. Einerseits muss die öffentliche Hand dringend notwendige Investitionen tätigen, muss den vorhandenen Sanierungsstau auflösen. Andererseits ist und bleibt der finanzielle Handlungsspielraum eingeengt und erlaubt keine ‚großen Sprünge’. Als möglicher Ausweg bietet sich u.a. die Einbindung von privatem Kapital für öffentliche Aufgaben an.“ Dazu werde „eine faire Partnerschaft auf wirtschaftlicher Grundlage“ angestrebt.2 Weil der Staat also pleite ist, will er Deals mit der privaten Wirtschaft eingehen, um öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Behauptet wird, dass dies jedoch keine komplette Privatisierung bedeute, sondern „die Gesamtverantwortung und Steuerung bei der Öffentlichen Hand“ verbleibe.3

Konkret: Will eine Kommune oder Stadt, die in Finanznöten ist, eine neue Schule bauen oder eine vorhandene renovieren, sucht sie einen privaten Investor, der die Baukosten übernimmt. Zum Teil betreiben diese Privatfirmen die Schule auch, stellen also Hausmeister und Reinigungspersonal ein und kümmern sich um die Instandhaltung. Der Staat mietet diese Schule dann für einen vertraglich vereinbarten Zeitraum zurück, der meist mehrer Jahrzehnte umfasst, damit der private Investor gesicherte Einnahmen hat. „Das vom Kreis zu zahlende jährliche Entgelt ist rund 12,5 % günstiger als bei einer konventionellen Umsetzung.“ So das Resümee für den Bau einer Förderschule für Geistige Entwicklung in Frechen bei Köln.4 Der Kreis spart also 12,5% der Kosten, die er hätte investieren müssen, wenn er die Schule selbst gebaut und betrieben hätte.

Das klingt nun zunächst einfach, einleuchtend und wunderbar. Warum nicht eine „Win-Win-Situation“ herstellen, wie es im Wirtschaftsdenglisch heute so schön heißt? Beide haben etwas davon. Nun weiß jede Hausfrau, dass Geld sich nicht von alleine vermehrt. Wenn beide gewinnen, wer verliert dann? Wie kann es sein, dass die Stadt spart und das Unternehmen Gewinne macht? Denn die privaten Investoren haben selbstverständlich kein anderes Interesse, als aus der Investition Gewinne zu generieren. Offiziell heißt es dazu, dass diese aus höherer Effizienz entstünden: Private Investoren könnten besser wirtschaften, knapper kalkulieren, effektiver arbeiten. Auch hier ahnt man, was das bedeutet: höhere Belastung der Arbeitnehmer, niedrigere Löhne, geringere Qualität, Einsparungen am Material und so weiter. Denn wenn ein privates Unternehmen den Schulhausmeister günstiger zur Verfügung stellt, heißt das nur, dass dieser weniger verdient und länger arbeitet.

Während also von den Städten und Kommunen vollmundig Einsparungen von 10-20% verkündet werden, macht ein Beispiel aus Frankfurt deutlich, dass dies entweder eine Milchmädchenrechnung oder schlicht gelogen ist. Beim Bau eines Bildungszentrums sollten nach Aussage des Stadtkämmerers angeblich 25% Kosten eingespart worden sein. Doch „das Revisionsamt der Stadt Frankfurt kam im Frühjahr 2006 zu einem vernichtenden Urteil: Hätte die Stadt selbst gebaut, wäre es für den Steuerzahler drastisch günstiger geworden. Für die ‚Alternative Eigenbau’ errechnen die Prüfer ‚einen wirtschaftlichen Vorteil von rund 4,27 Millionen Euro.’ (…) Die Aussage der Stadtkämmerei, die PPP-Maßnahme würde die Kosten um 25% senken, könne folglich ‚nicht bestätigt werden’.“5 Und obwohl die Wirtschaftlichkeit dieses Projekts noch nicht geklärt ist, wollen die Stadtverordneten bereits das nächste PPP-Projekt für Schulsanierungen beschließen.6

Hinzu kommt ein Problem, das sich nicht finanziell ausdrücken lässt: nämlich die Abhängigkeit öffentlicher Einrichtungen, wie einer Schule, von privaten Dienstleistern. Auch hierzu gibt es die passende Beruhigungspille durch das Bundesministerium: „Entzieht sich der Staat durch PPP seiner Verantwortung? Das Gegenteil ist der Fall. Gerade weil der Staat seine Verantwortung ernst nimmt, versucht er durch PPP die eigene Handlungsfähigkeit zu wahren und ein hohes Dienstleistungsniveau für den Bürger/Nutzer langfristig zu sichern.“7 Hier wird jedoch auf eine zentrale Frage keine Antwort gegeben, sondern eine Nebelbombe gezündet, denn die Frage der Verantwortung bezieht sich nicht auf den finanziellen Spielraum, sondern auf die Souveränität des Staates, die hier aufgegeben wird. Daher ergänzt man in NRW: „Wichtig: Im Unterschied zu einer kompletten Privatisierung bleibt die Gesamtverantwortung und Steuerung bei der Öffentlichen Hand.“8 Das betrifft vor allem die Verantwortung für mögliche Ausfälle des privaten Investors. Wenn dieser in Konkurs geht, muss der Staat die Rechnung zahlen.

Denkt man das Problem zuende, dann kann man sagen, dass PPPs den Bürger enteignen. Denn der zahlt zwar seine Steuern, erhält aber nur noch „Dienstleistungen“, kein gemeinsames Eigentum mehr, über das die Bürgerschaft verfügen könnte. Über die Schule der Gemeinde kann nicht mehr eine gewählte Vertretung entscheiden, sie ist nicht mehr in deren Verfügungsgewalt. Statt dessen zahlen die Bürger mit ihren Steuern Miete, an denen private Unternehmen verdienen. Und wenn die Mietverträge nach 25 Jahren auslaufen, hat man schlicht kein Schulgebäude mehr, obwohl man über Jahre Millionenbeträge bezahlt hat.

Doch es geht noch weiter: Es wird nicht allein materielles Eigentum vorenthalten, sondern ebenso „geistiges Eigentum“ enteignet. Ein weiteres Beispiel zeigt, wohin die Reise geht.9 Der Investor eines PPP-Projekts in der Stadt Mohnheim (NRW) hat die Unterhaltung und Bewirtschaftung der Schulgebäude an eine private Dienstleistungsfirma vergeben. Diese englische Firma Serco ist Vorreiter in der privaten Verwaltung öffentlicher Einrichtungen. So betreibt sie etwa im hessischen Hünfeld ein Gefängnis (!) oder in Sachsen-Anhalt Teile eines Gefechtsübungszentrums der Bundeswehr (!!). In England kümmert sie sich zudem mit um die Produktion und Wartung der britischen Atombomben (!!!).10 In England ist Serco im Bildungsbereich bereits groß im Geschäft.

Hierzu Originalton aus der Selbstdarstellung des Unternehmens:

„Serco ist strategischer Partner von Regierungen, Behörden und Unternehmen. In einer strategischen Partnerschaft gehen die beiden Seiten ein Joint Venture ein und verfolgen gemeinsame Ziele. (…) In Bradford in Großbritannien arbeitet Serco eng und partnerschaftlich mit den lokalen Behörden in einem strategischen Bildungsprojekt zusammen. Neben den Aufgaben im Facilities Management ist Serco hier auch direkt in das Schul- und Bildungsmanagement eingebunden. Dazu gehören einerseits die Messung und das gemeinschaftliche Festlegen von Bildungsstandards, andererseits die anfallenden täglichen administrativen Aufgaben. Mit dem von Serco entwickelten Management System, Serco Facility, ist es möglich sowohl das Finanzmanagement einer Schule zu bewältigen als auch Stundenpläne zu erstellen oder die Leistungen der Schüler zu erfassen. 11
Die zentralen Stellen sind kursiv hervorgehoben: Serco managt also nicht nur die Reinigung der Gebäude. Nein, das Unternehmen legt mit fest, was die Schüler lernen solen und prüfen deren Leistungen. Serco hat somit den expliziten Anspruch, nicht allein ausführendes Organ, also Dienstleister zu sein, sondern hoheitliche Aufgaben zu übernehmen: Es will Lehrinhalte festlegen. Das Unternehmen wird zum Staat. PPPs im Schulbereich zielen also mittelfristig darauf, nicht allein Gebäudeeigentum zu privatisieren, sondern die Bürger als Souverän im Bildungswesen abzulösen. Und Serco hat eine eindeutig expansive Strategie. Das PPP in Mohnheim ist ein erster, kleiner Anfang.

Doch auch hier geht es noch weiter: Sercos globaler Konkurrent um die Bewirtschaftung von Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen ist die Firma Arvato. Sie will dorthin, wo Serco heute schon ist. So hat Arvato im englischen East Riding die behördlichen Dienstleistungen, also die gesamte Verwaltung einer ganzen Gemeinde übernommen.12 Hier steht ein Weltkonzern mit 47.000 Mitarbeitern, 270 Tochterunternehmen, 4,8 Mrd. Jahresumsatz und 367 Mio. Jahresgewinn in den Startlöchern, um auch die Verwaltung der Schulen zu übernehmen. Wie kann das gelingen? Man ist längst dabei: Arvato ist eine hundertprozentige Tochter der – Bertelsmann AG.

Denkt man die Teile zusammen, wird nun klar, was hinter der angeblich gemeinwohlorientierten Reformarbeit der Bertelsmann-Stiftung im Bildungsbereich steht, auf die wir bereits stießen. Die forcierte Privatisierung, die Entstaatlichung und das Outsourcing von Bildungsdienstleistungen muss automatisch von privaten Dienstleistern übernommen werden. Und hier kann Bertelsmann selbst gleich die passende Lösung zu bieten. Neben der herausgearbeiteten Ideologie, die auf eine Kapitalisierung des Geistes zielt, wird hier das schlichte Geschäftsinteresse deutlich. Das Wirken der Bertelsmann-Stiftung im Bildungsbereich scheint ökonomisch darauf zu zielen, ein gigantisches Geschäftsfeld vorzubereiten bzw. überhaupt erst herzustellen.

Am Beginn dieses Kapitels haben wir die theoretische Überlegung angestellt, dass der Handel mit Bildungsdienstleistungen voraussetzt, dass diese überhaupt für den Handel verfügbar werden und dass sich der Staat dazu aus der Bildungsverantwortung zurückziehen muss. Jetzt wird ganz konkret deutlich, wie das funktioniert. Und der Clou: Die Unternehmen, die daran verdienen wollen, bereiten diese Privatisierung selbst vor. Weil das Bildungswesen noch Eigentum der Bürger ist, muss dies zuerst mit Lobbyarbeit und Propaganda geändert werden, damit man Geld verdienen kann.

Das Zaubermittel zur Sanierung der knappen öffentlichen Kassen, die Public Private Partnerships, erweist sich als Enteignung und Entmündigung der Bürger. Die Gesamtstrategie von „Haushaltskonsolidierung, Konzentration des Staates auf seine Kernkompetenzen, Verwaltungsstrukturreform, Bürokratieabbau“ und „sachgerechter Risikoverteilung zwischen öffentlichem und privatem Sektor sowie neue Steuerung im Sinne des New Public Management“13, also Entstaatlichung und Privatisierung hoheitlicher Aufgaben, ähnelt verblüffend den Auflagen, die IWF und Weltbank Ländern der sogenannten Dritten Welt auferlegen, um sie zu zwingen, ihre öffentlichen Dienstleistungen für internationale Unternehmen zu öffnen.

Gleichwohl werden PPPs massiv vorangetrieben. Ein PPP-Beschleunigungsgesetz der Bundesregierung vom September 2005 vereinfacht die Durchführung solcher „Kooperationen“ nicht nur im Schulbereich, sondern auf allen Feldern der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Straßenbau und Krankenhäusern. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist die weitere Forcierung von PPPs vereinbart.14

1 http://www.ppp-bund.de/fragen.htm, 14.4.07

2 http://www.ppp.nrw.de, 14.4.07

3 ebenda

4 ebenda

5 GEW (Hrsg.): Privatisierungsreport – 3. Unternehmen Schule: Von Billig-Lehrern, Schülerfirmen und Public Private Partnership. Frankfurt 2007, S. 46

6 vgl. „Investor soll Freibrief zum Profitmachen bekommen.“ In: Junge Welt, 31.5.07, S. 8

7 http://www.ppp-bund.de/fragen.htm, 14.4.07

8 http://www.ppp.nrw.de, 14.4.07

9 vgl. GEW (Hrsg.): Privatisierungsreport – 3. Unternehmen Schule: Von Billig-Lehrern, Schülerfirmen und Public Private Partnership. Frankfurt 2007, S. 39ff.

10 vgl. ebenda, S. 39.

11 http://www.serco.de/index.php/cat/20/title/Strategische_Partnerschaften, 14.4.07 (Hervorhebung J. K.)

12 vgl. Geschäftsbericht 2006, S. 81, http://www.arvato.com/index.php?LANG=de&PAGE=report, 14.4.07

13 Oerter, Volker: Redebeitrag zum „1. NRW PPP-Kongress“, 7. Dezember 2006, Bonn-Bad Godesberg, http://www.ppp.nrw.de/index.html, 13.4.07

14 „Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD.“,S. 21

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