PPP: Kein Architekturwettbewerb mehr? ArchitektInnen und IngenieurInnen gegen PPP können hier unterschreiben!

Public Private Partnership (PPP) wird seit zwölf Jahren in Deutschland seitens der Politik massiv gefördert. In der Folge sind 170 – nach anderen Quellen über 200 – Hochbauprojekte über diese komplexe Vertragsform ausgeschrieben und umgesetzt worden. Versprochen werden geringere Kosten für die Steuerzahlenden, eine größere Nachhaltigkeit in Bau und Gebäudebetrieb, kürzere Bauzeiten sowie höhere Qualität für die Nutzerinnen und Nutzer. Unmittelbar mit dem Bauen befasste Architektinnen und Ingenieurinnen, Architekten und Ingenieure wenden sich in einem Aufruf öffentlich gegen die Bevorzugung von PPP bzw. ÖPP.

Aufruf

Wir als unmittelbar mit dem Bauen befasste Architektinnen und Ingenieurinnen, Architekten und Ingenieure wenden uns öffentlich gegen die Bevorzugung von PPP bzw. ÖPP.
Wir lehnen generell den Einsatz dieses Vergabeverfahrens ab.Nachfolgend haben wir exemplarisch vier Bereiche aufgeführt, die aus Sicht von Architektur und Bauwesen betroffen sind und für die wir begründen, warum sich unserer Auffassung nach PPP entgegen der Behauptungen nachteilig bis gefährdend für die Gesellschaft auswirkt. Die Bereiche sind: architektonische Qualität, Nachhaltigkeit, (versteckte) Schulden sowie die Kosten für die öffentliche Hand. Die geschilderten Auswirkungen entfalten sich unabhängig davon, ob ein Projekt in sich gut oder schlecht geplant ist.Wir appellieren an die verantwortlichen in Politik und Verwaltung, zu einer soliden Finanz- und Infrastrukturpolitik zurückzukehren und langfristig nutzbare qualitativ hochwertige Gebäude und Infrastrukturen wieder in Eigenregie zu planen und zu errichten bzw. zu sanieren.Der Verschandelung unserer Städte, der Zerstörung der Institutionen und Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge durch PPP muss ein Ende bereitet werden.Das Problem liegt auch nicht darin, dass PPP Fehlern unterliegen kann – PPP ist selbst der Fehler.

Wir sprechen uns daher für eine gute Qualität im Städtebau und von wichtigen Baukörpern im öffentlichen Raum aus.

Dipl.-Ing. Alfred Luggenhölscher, Gladbeck, Architekt und Stadtplaner, BdA

Dipl.-Ing. Carl-Friedrich Waßmuth, Berlin, Beratender Ingenieur für das Bauwesen


Begründung der Ablehnung von PPP in Architektur und Bauwesen

PPP und architektonische Qualität

PPP wird von Befürwortern vielfach als eine Beschaffungsvariante dargestellt.

Diese Umschreibung erweckt den Eindruck, dass eine Sache auf die eine oder andere Weise beigebracht werden kann, die Sache bleibt aber immer die Sache.

Das ist im Falle von PPP aber nicht der Fall: Wird nicht konventionell ausgeschrieben, liegt es in den Händen des PPP-Bieters, ob er irgendwelche architektonischen oder städtebaulichen Kriterien berücksichtigt. Es gilt allein das, was im PPP-Vertrag steht. Architektur-Wettbewerbe werden daher bei PPP nicht selten explizit ausgeschlossen, da sie das ohnehin komplexe und lang andauernde Bieterverfahren beeinträchtigen und dadurch die versprochenen Effizienzvorteile gefährden. Die in vielen Städten bereits unübersehbare Folge ist, dass die architektonische und städtebau-liche Qualität und PPP-Ausschreibungen einander geradezu diametral gegenüber stehen.

PPP und Nachhaltigkeit

PPP-Projekte werden häufig damit beworben, dass mit PPP Gebäude nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit errichtet und betrieben werden können.

Nicht selten wird sogar behauptet, dass das wirtschaftlich nur mit PPP möglich sei.
Als Stichwort wird dabei das Lebenszyklus­prinzip genannt.

Es wird argumentiert, dass hinsichtlich der Errichtung deutlich mehr Know-how bezüglich Nachhaltigkeit bei Firmen vorhanden ist, die ständig mit nachhaltigem Bauen zu tun haben, gegenüber den kommunalen Bauverwaltun-gen, die nur alle Jubeljahre ein Gebäude oder eine Infrastruktur errichten.

Öffentliche Verwaltungen würden neben dem fehlenden Know-How auch gar kein Interesse zeigen, in einer Form zu sanieren oder neu zu bauen, die in der Zukunft geringe Emissionen und Betriebskosten generieren.

Dieser Argumentation können die unterzeich-nenden Architekten und Ingenieuren aus nach-stehenden Gründen nicht folgen: Geringe Emissionen und Betriebskosten generierende Bauweisen sind in einem viel größeren Maß von den bereitgestellten Anfangsinvestitions-volumen abhängig als von Verwaltungsabläufen. Gerade das Anfangsinvestitionsvolumen ist aber schon aus Gründen der Vergleichbarkeit für PPP und nicht PPP gleichzusetzen, wes-wegen besondere Effekte aus diesem Punkt gänzlich entfallen.

Stattdessen ist das Gegenteil zu beobachten: In einer rein ökonomischen Betrachtungsweise amortisiert sich ein höherer Aufwand z.B. für eine besonders nachhaltige Bauweise finanziell erst in einem längeren Zeitraum. Wirklich deutlich werden die Unterschiede nach einigen Jahrzehnten. Private steigen da wieder aus, wo der Mehrwert des nachhaltigen Bauens eigent­lich erst bemerkbar wird. Ein guter Teil der Investitionen „amortisiert“ sich dazu nur über externe Kosten: geringere Umweltkosten, niedrigere soziale Folgekosten, höherer sozialer Mehrwert wie ein gleicher Zugang aller zur Daseinsvorsorge.

Auch bei einer Auslegung des Nachhaltigkeits-Begriffes, nach dem Nachhaltigkeit auch Finanzprodukten zugeschrieben werden kann, bleibt der Umstand bestehen, dass öffentliche Gebäude meist für 75 bis 100 Jahre ausgelegt werden. Nachhaltig sind diese Gebäude, wenn sie darüber hinaus wartungsarm und sparsam im Betrieb sind. Der Nachhaltigkeitszyklus endet bei PPP aber regelmäßig nach 25, spätestens nach 30 Jahren, also etwa nach dem ersten Lebensdrittel, und damit endet auch die Haftung der Privaten.

Nachhaltigkeit entsteht nicht automatisch. Der Anteil von Gebäude, die hinreichend viele Nachhaltigkeitskriterien erfüllen ist immer noch minimal – für sich selbst bauen private Investoren offenbar auch nicht nachhaltig, obwohl sie die gleiche oder eine höhere Moti-vation haben sollten.

Auch Umnutzungsfähigkeit fördert Nachhaltigkeit. PPP bedeutet jedoch eine starre Nutzung über 25 Jahre. Alles was nachhaltig sein soll, muss vertraglich geregelt werden. Dazu bedarf es beim öffentlichen Bauherrn jedoch genau des Know-hows in Fragen der Nachhaltigkeit, das eigentlich die Privaten einbringen wollen. Dass sie dieses schon in der Vertragsverhandlungsphase tun wollen, macht die Ausformulierung der Ziele wegen der durch verschiedene mögliche Planungen zahllosen Varianten enorm komplex. Meist bleibt dem öffentlichen Bauherrn nur die Wahl, relativ allgemeine Zielpunkte vorzugeben und vielleicht einzelne herausragende Details oder Eckwerte festzulegen (z.B. Altlastenbeseiti-gung). Beides, die Eckwerte der allgemeinen Zielsetzung zum Nachhaltigen Bauen wie auch konkrete Detailregelungen schmälern po­tentiell die Rendite; sie werden finanziell bewertet und somit durch einen höheren Preis vom Bürger bezahlt – zuzüglich des Risiko- und Wagniszuschlags. Würde die Kommune selbst bauen, so entstünden diese Kosten auch, die Kommune könnte jedoch in den über die Nachhaltigkeit entscheidenden Planungsablauf selbst eingreifen. Bei PPP gilt nur, was einmal zu Beginn im Vertrag festgehalten wurde, und wenn es an Personal in der Verwaltung zur Kontrolle der vertraglichen Regelungen fehlt, nicht einmal das.

Ob tatsächlich ein nachhaltiges Gebäude entsteht, ist mehr als ungewiss. Der Bauherr, der wegen angeblicher Überforderung und feh-lenden Kompetenzen den Bauprozess nicht in seinem Sinne befriedigend begleiten kann, soll in den Vertragsverhandlungen auf einmal alle diese Kompetenzen haben, ergänzt um die bedeutende juristische Ausbildung, wie die ge-wünschten Anforderungen gerichtsfest festgehalten werden können und um die Verwal-tungskapazitäten und das zugehörige Know-How, Verstöße auch zu unterbinden oder zumindest den finanziellen Ausgleich durchzu-setzen.

PPP und versteckte Schulden

Public Private Partnership bedeutet, dass Kredite für Bau und die Sanierung nicht direkt von der öffentlichen Hand aufge­nommen werden, sondern indirekt durch den privaten Partner. Der sogenannte Investor investiert aber nicht, er bringt selbst nur etwa acht bis zwölf Prozent Eigenkapital mit. Die anstelle der öffentlichen Hand bei zumeist privaten Banken aufgenommenen Kredite lässt sich der private Partner durch Miet- oder leasingähnliche Modelle über einen Zeitraum von 25 bis 30 Jahren zurück-zahlen. Der Bank dient der Vertrag mit der als insolvenzsicher geltenden öffentlichen Hand als Sicherheit, die öffentliche Hand tritt üblicherweise alle mit Eigentum verbundenen Rechte per „Einredeverzicht“ an die Privaten für den Vertrags-zeitraum ab. In den allermeisten Fällen tau-chen die Schulden dann im betroffenen Haus-halt nicht mehr als Schulden auf, es werden auf dies Weise Schattenhaushalte konstruiert. Der PPP-Vertrag selbst wird zum Finanzprodukt, das mehrfach weiterverkauft werden kann. Die Praxis zeigt, dass genau dies auch stattfindet, manchmal bereits wenige Tage nach Vertragsabschluss.

Mit bauen oder gar mit gut bauen hat das alles nichts zu tun, im Gegenteil. Es kann noch nicht einmal mehr gebaut werden wie oft behauptet wird, denn die Verschuldung bleibt ja erhalten beziehungsweise sie steigt sogar durch höhere Kosten steiler an, der Spielraum der öffentli-chen Hand verringert sich unter dem Strich einmal mehr. Das bedeutet, dass Steuergelder, die in einem demokratischen, die Gesamtheit der Aufgaben abwägenden Prozess auf ver-schiedene Gebäude oder Infrastrukturen verteilt werden würde, durch die Schulden-täuscherei bei den Projekten landet, die per PPP umgesetzt wurden.

PPP und die Kosten für die öffentliche Hand

Durch die versteckte Verschuldung bei PPP vergrößern sich die Kosten, teilweise steigen diese enorm an. Hat die Kommune für den Bau kein Geld oder werden die Ausgaben durch die derzeit in aller Munde befindliche Schuldenbremse gedeckelt – in den allermeisten Fällen ist das der Anlass, sich überhaupt mit PPP ein-zulassen – so muss die Kommune für die Mietzahlungen Kredite aufnehmen, manchmal sogar teure Kassenkredite, den „Dispo für Kommunen“. In beiden Fällen kommt ein sogenannter doppelter Zinseffekt zum Tragen: es werden nämlich Zinsen fällig auf die Kredite für Mietraten, in denen selbst ein enormer Anteil bereits Kapitalkosten sind, d.h. der Kapitalanteil muss selbst verzinst werden, wodurch die Kosten ein vielfaches dessen erreichen, was sonst für Bau und Betrieb angefallen wäre.

Zum Doppelzins kommen Kosten für die enorm teure PPP-Ausschreibung sowie für die erfor-derlichen Berater und Rechtsanwälte vor Vertragsabschluss und über die Laufzeit hinweg. Beraterkosten können durchaus zwanzig Prozent der Gesamtkosten ausmachen, sie dienen allein der Entwicklung der nicht selten mehrtausendseitigen PPP-Verträge.

Kostensenkende Faktoren bei PPP („höhere Effizienz von Privaten“) sind hingegen nicht in einem Umfang erkennbar, der diese Mehrkosten kompensieren kann: Bauzinsen können in PPP- Modellen nicht günstiger ange-boten werden als bei Kommunalkrediten, zumeist sind sie mindestens einen halben Prozentpunkt höher. Auch Sach- und Lohnkosten sind gleich. Bei gleicher Bauausführung sind auch die Betriebs- und Reparaturaufwendungen prinzipiell gleich.

Was der PPP-Unternehmer dem Mieter an Anfangsrisiko abnimmt, wäre auch durch die ansonsten fällige GU-Gewährleistung gedeckt. Spätere Schäden müssen sowohl vom PPP-Unternehmer als auch von einer das Gebäude selbst betreibenden Stadt einkalkuliert werden. Diese Rücklagensumme wird im Fall der PPP-Miete auch dann als Mietanteil in voller Höhe berechnet, wenn gar keine Schäden auftreten. Im Falle der Eigenregie wären diese Mittel echte Zinsfähige Rücklagen und später teilweise für andere Zwecke verfügbar. Richtig teure Renovierungen fallen erst nach einer Be­triebszeit von 25 Jahren an. Dann wird jedoch das Gebäude wieder an die Stadt übergeben und diese hat damit auch das Kostenrisiko.

Dieses Risiko wird dadurch ganz untragbar, dass die Privaten für jedes Projekt eine niedrig kapitalisierte Zweckgesellschaft gründen, welche bei zu hohen Belastungen – zum Beispiel aus Qualitätsanforderungen der öffentlichen Hand – einfach und preiswert in die Insolvenz geführt werden kann. In diesem Fall, der bei PPP der Regelfall ist, trägt der öffentliche Auftraggeber, ganz entgegen dem „Partner-schaftsgedanken“, das gesamte Risiko des Verfahrens.

Darüber hinaus sind für den Betriebs- und Instandhaltungskostenanteil in der Miete zumeist Gleitklauseln vereinbart, nicht selten sind die Gleitklauseln einseitig: Ein Preisanstieg wird an die öffentliche Hand (samt Aufschlag) durchgereicht, Einsparungen durch Preisverfall bleiben als Gewinn beim Privaten.

Es bleibt die Einsparmöglichkeit durch Niedrig-Löhne sowie durch Billig-Planung. Beides kommt die Steuerzahlenden erfahrungsgemäß teuer zu stehen.

Solange eine Kommune nicht einen Großteil oder den kompletten Gebäudebestand in private Hände gegeben hat, ist zu berück-sichtigen, dass für den Betrieb stadteigenes Personal für andere städtische Gebäude bereit-gehalten werden muss, das den Neubau ohne große Mehrkosten mit übernehmen könnte. Für den PPP-Neubau ist also mit Mehrkosten zu rechnen, die gleichzeitig noch Druck in puncto Personalabbau in genau der Verwaltung ausüben, die die Privaten über 25 bis 30 Jahre kontrollieren soll.

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