Faktenblatt Nr. 4: PPP – zum Verbleib von zig Milliarden Euro gibt es nur Meinungsumfragen

Faktenblatt Nr. 4 • Hrsg. Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.

 Zusammengestellt von Carl Waßmuth – Oktober 2011

Das Faktenblatt als pdf-Datei zum Herunterladen: FB-04 – PPP & Umfragen

Wo ist das Geld geblieben? Public Private Partnerships gibt es mittlerweile seit gut zehn Jahren in Deutschland. Die Bauindustrie spricht von 255 PPP-Objekten, 167 PPP-Hochbauprojekten und 11 PPP-Projekten im Verkehrswesen, hauptsächlich im Autobahnbau. Das Volumen wird mit 6,9 Milliarden Euro angegeben, wobei in vielen Fällen nachgewiesen werden konnte, dass diese Angaben nur einen kleinen Teil der Gelder abdecken, die durch PPP langfristig gebunden werden. Vorsichtige Schätzungen gehen von etwa 20 bis 25 Milliarden Euro aus.
Wer nun aber der Frage nachgehen will, ob diese Gelder in diesem Umfang ausgegeben werden oder wurden, ob es Doppelzinseffekte gibt (Kreditaufnahme, um die PPP-Raten bedienen zu können), oder ob die geforderte Qualität erreicht wurde – der wird auf Meinungsumfragen verwiesen. Dabei ginge es auch anders, wie gezeigt wird.

Umfragen statt empirischer Daten

Wer öffentliche Diskussionsveranstaltungen zu PPP besucht, wird vielleicht mit einem Umfrageergebnis konfrontiert werden, wonach Schüler, Eltern und Lehrer in per PPP sanierten Schulen im Landkreis Offenbach nun „glücklicher“ sind. „Die Untersuchung verfolgt das Ziel, Effekte des Einsatzes eines PPP-Modells im Schulbetrieb auf die Nutzer am Beispiel ausgewählter Offenbacher Schulen zu identifizieren.“ In dieser „empirischen Untersuchung“ fehlen nicht nur harte Fakten – auch auf die Auswahl eines repräsentativen Querschnitts der Nutzer hat man verzichtet. Stattdessen bestätigen eben die befragten Schüler, Lehrer und Eltern von frisch sanierten Schulen, dass gegenüber dem Zustand vor der Sanierung eine Verbesserung stattgefunden hat – eine durchaus erwartbare Aussage. Das Deutsche Institut für Urbanistik (DifU), das zu Tendenzen bei PPP forscht und regelmäßig Berichte dazu verfasst, sieht sich ebenfalls gezwungen, den Weg der methodisch unspezifizierten Umfrage zu gehen. (Quelle: demo-online 04/2010). Es gibt auch eine Allensbach Studie, die besagt, dass „97 % der kommunalen Auftraggeber mit den ÖPP-Projekten und der Zusammenarbeit mit den Privaten zufrieden bis sehr zufrieden sind. Schon das „Pjöngjang“-Ergebnis müsste misstrauisch machen. Und tatsächlich: bei näherer Betrachtung erweist sich, dass das problematische Quotenverfahren von Allensbach angewandt wird, das eine Vorauswahl der Befragten zulässt. Mit einer Massen-e-mail wirbt nun die „Partnerschaften Deutschland AG“ (PD AG) um Beteiligung an Konzeption und Durchführung von Umfragen im Auftrag des Bundesfinanzministeriums. Insbesondere beklagt man, dass …

„bisher keine aktuellen und verlässlichen Daten zu den Informationsbedürfnissen und Kommunikationsproblemen in den verschiedenen Phasen von ÖPP-Projekten“

… vorliegen. Man möge sich vorstellen, der Bundestag entschließt sich, im Vorfeld der Haushaltsdebatte für 2013 anstelle der tatsächlich vorhandenen Vermögensverhältnissn und den bestehenden Zahlungsverpflichtungen eine Umfrage unter den Abgeordneten über „Informationsbedürfnisse und Kommunikationsprobleme“ in ihren Wahlkreisen hinsichtlich der Einnahmen- und Ausgabenpolitik des Bundes durchführen zu lassen. Die Initiative der PD AG für die Umfrage korreliert mit einer jüngeren Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage nach einer „nachprüfbaren, evaluierten Datenbasis, wissenschaftlichen Studien oder Langzeituntersuchungen“, in der die Regierung nur zu sagen wusste, dass „die mit den ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau bisher auch gesammelten praktischen Erfahrungen o. g. Effekte erwarten“ (lassen).

Eine enorme Grundlage für Daten ist vorhanden

Weltweit liegen seit über zwanzig Jahren Erfahrungen mit PPP vor. Besonders extensiv wurden in Großbritannien und Australien bedeutende Anteile der öffentliche Infrastruktur in PPP-Projekten gebunden. Die Summe an harten Fakten aus diesen Transaktionen in Höhe von hunderten Milliarden von Euro müsste immens sein. Tatsächlich ist die Datenlage jedoch erschreckend dürftig. Unter den PPP-Projekten in Deutschland befinden sich zahlreiche sogenannte Pilotprojekte, bei denen davon ausgegangen werden sollte, dass man bei der Erhebung und Auswertung der Daten besondere Sorgfalt walten ließ.

Echte PPP-Daten sind nahezu nicht verfügbar

Bedauerlicherweise gibt es jedoch nahezu keine offiziellen Auswertungen von PPP-Projekten. Dieses gravierende Manko geht vermutlich vor allem auf den Umstand zurück, dass alle PPP-Verträge geheim gehalten werden bzw. nicht öffentlich sind. Ein weiterer Grund ist, dass PPP-Projekte hierzulande erst seit zehn, maximal zwölf Jahren bestehen, die Laufzeit aber wenigstens 15 Jahre, meistens jedoch 25 oder 30 Jahre beträgt. Die Frage, in welchem Zustand sich die den Privaten anvertraute öffentliche Infrastruktur am Ende der Laufzeit befindet, ist jedoch für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit entscheidend. Die britische Eisenbahn wurde 1994 für 1,9 Milliarden britische Pfund veräußert. Nach nur wenigen Jahren ging die für die Infrastruktur zuständige Aktiengesellschaft Rail Track in Konkurs, der britische Staat musste das heruntergewirtschaftete Netz wieder übernehmen und instand setzen. Die Kosten dafür lagen bei einem Vielfachen des Anfangserlöses, das Handelsblatt kam 2006 auf eine Summe von 110 Milliarden Euro. Auch die öffentliche Infrastruktur hierzulande hat planmäßig eine Lebensdauer von wenigstens 50 Jahren, meist jedoch von 80 bis 100 Jahren, liegt also deutlich über der vereinbarten Vertragslaufzeit. Die Kosten für eine Grundsanierung im Bestand nach Ende der Laufzeit können leicht die Höhe von Neubaukosten erreichen.

Daten in der Projektdatenbank des Bundes

Die PPP-Projektdatenbank des Bundes gestattet sich viele Ungenauigkeiten. Investitionssumme und Betriebskosten werden zusammen aufgeführt, Steigerungen von Bau- und Betriebskosten nicht erfasst. Ebenso fehlen Kosten für Berater, Planer, „Investorensuche“ und zur Verfügungstellung von Grundstücken. Steuerausfälle werden genauso wenig dokumentiert wie gestiegene Kosten für soziale Transferleistungen. Auch die Projekte selbst sind nicht vollständig. So heisst es: „Erfasst sind … geplante Projekte z.Zt. noch nicht“. Allerdings sind auch andere unangenehme Projekte nicht aufgeführt: Bei der 10-Jahresfeier der Berliner Wasserbetriebe feierten sich die privaten Gesellschafter von RWE und Veolia als die Initiatoren eines der erfolgreichsten PPP-Projekte in Deutschland. In der PPP-Projektdatenbank des Bundes ist das Unterfangen nicht einmal genannt. Auch bei dem Stichwort „Bonn“ liefert die Datenbank keine Ergebnisse. Die Bonner müssten sich wundern: Beim Bauskandal um das PPP-Projekt WCCB folgte einer Verhaftungswelle eine Insolvenzwelle. Der Bonner Generalanzeiger berichtet unter der Rubrik „Die Millionenfalle“ bereits in Folge 72. Städte, die PPP abgelehnt haben, werden ebenfalls vom Bund nicht aufgelistet.

Fehlende Daten verzerren die Argumentation von Pro und Contra

In den Veröffentlichungen der PPP-Befürworter werden vielfach Rückgriffe auf empirische Erfahrungen gemacht, die im Einzelnen nicht belegt sind. Zum Beispiel: „Die Erfahrungen der letzten sechs Jahre sind eindeutig positiv und vielfach empirisch hinterlegt.“ (Dr. Andreas Iding, Prokurist der Goldbeck Public Partner GmbH, Bielefeld, in: PPP-Kompakt Februar 2009). Die zitierten empirischen Daten bleibt der Berichterstatter schuldig. An anderer Stelle werden positive Erfahrungen mit PPP-Projekten abstrakt vorausgesetzt, etwa in folgender Argumentation: „Vielfach wird in der öffentlichen Diskussion die Kosteneffizienz als der wesentliche Vorteil von Public Private Partnership (PPP) gesehen. Legt man jedoch die Erfahrungen der laufenden PPP-Vorhaben zugrunde, so zeigt sich, dass diese Form der langjährigen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privatem Partner weit mehr beinhaltet, als durch den Begriff der Effizienz beschrieben werden könnte.“ (Dr. Gert W. Riegel, Prokurist, HSG Zander GmbH und Jan Wollesen, Projektleiter / Energieingenieur, HSG Zander GmbH. In: PPP-Kompakt 11/2008).

Die Beweislast ist den PPP-Kritikern zugeschoben

Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Befürworter weitaus stärker von der fehlenden Datenbasis profitieren als die Kritiker. Solange PPP Mainstream ist, bleibt es die Aufgabe der Kritik, Findigkeit und argumentative Energie für den Gegenbeweis aufzubringen. Da die Kritiker über deutlich weniger Mittel zur Datenerhebung und –auswertung verfügen, erscheinen sie zunächst im Nachteil. Dass die schmale Datenbasis zum Teil gezielt herbeigeführt, jedenfalls aber billigend in Kauf genommen wird, dafür sprechen die fortwährenden Verpflichtungen zur Geheimhaltung. Für die Betreiber von PPP-Projekten wäre ein leichtes, das Datendefizit zu beheben, wenn es für die Argumentation nötig ist. Immerhin ist der Zugang zu den projektrelevanten Fakten in ihren Händen. Angesichts dieser Sachlage müssen sich PPP-Befürworter gefallen lassen, dass ihre Argumentation als eine Kette bislang unbewiesener Behauptungen qualifiziert wird. Angesichts der fehlenden Bereitschaft, belastbare Daten zur Verfügung zu stellen und Verträge offenzulegen erscheint der Vorwurf, die Kritik sei ideologisch als ein Versuch, die Kritiker moralisch zu diskreditieren.

Geheimhaltung behindert, aber kann überwunden werden

Vorhandene PPP-Projekte in Deutschland wären statt durch Befragung mit echten Erhebungen harter Zahlen zu evaluieren. Es ist klar, dass einer solchen Evaluation derzeit für fast alle PPP-Verträge geltende Geheimhaltung entgegensteht. Nichts desto trotz sollte ein empirisch angelegtes Projekt der Grundlagen- und Privatisierungs-Folgenforschung von Vorhaben im Rahmen von PPP angegangen werden. Auch unvollständige Daten bzw. Daten einzelner Projekte lassen bereits wichtige Schlüsse zu. Zugleich erhöhen eventuell bekannt werdende und als skandalös empfundene Kosten den Druck auf andere Kommunen oder öffentliche Körperschaften, weiterhin geheimgehaltene Daten ebenfalls offenzulegen. Nicht zuletzt verdeutlicht die reine Systematik den Bedarf an der Erhebung.

Wieviel PPPs gibt es eigentlich?

Es geht zuerst darum, das Volumen zutreffend zu erfassen: Prof. Dr. Hannes Rehm, bis Juli 2001 Sprecher des Leitungsausschusses SoFFin und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Partnerschaften Deutschland AG summierte anlässlich des 6. ÖPP Bundeskongresses in Bonn am 19. September 2011 das Volumen von PPP in Deutschland wie folgt: „Insgesamt sind in Deutschland seit 2002 bis heute insgesamt 171 ÖPP-Projekte abgeschlossen worden. Diese Projekte haben (Stand Juni 2011) ein Gesamtvolumen von 6,9 Mrd. Euro.“ Diese Zahlen liegen erheblich unter den tatsächlichen Werten, da zum Beispiel Großprojekte wie „Toll Collect“ mit einem Volumen von 6,5 Milliarden Euro bis 2015 oder dem Bundeswehr-IT-PPP mit 2006 veranschlagten 7,1 Milliarden Euro offensichtlich gar nicht enthalten sind. Auch das PPP-Projekt Berliner Wasserbetriebe (BWB) scheint nicht enthalten zu sein. In jedem Fall ist aber heute schon deutlich, dass es um derart immense Summen geht, die die Steuer- und Gebührenzahlenden aufbringen müssen, dass dringend Anstrengungen unternommen werden müssen, die zugehörigen Leistungen und die gesellschaftlichen Folgen inklusive der mittelbaren und unmittelbaren Folgekosten zu evaluieren.

 

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