ÖPP in der Bundestagsdebatte am 25.04.2013

Am 25. April 2013 wurde im Bundestag im Rahmen der Mittelstandsdebatte auch über Public-Private-Partnership (PPP) diskutiert (siehe GiB-Pressemitteilung). Im Anschluss an die Diskussion wurde ein Antrag der schwarz-gelben Koalition zur Stärkung öffentlich-privater Partnerschaften verabschiedet (17/12696). Abgelehnt wurden die Anträge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/9726, 17/5258) sowie ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Rekommunalisierung beschleunigen – Öffentlich-Private Partnerschaften stoppen“ (17/5776, 17/6515). Gemeingut in BürgerInnenhand hat die wichtigsten Zitate aus der Diskussion aufgelistet:

Wolfgang Tiefensee (SPD):

[…] Ein weiteres Thema ist die wirtschaftsnahe Infrastruktur. Wir verhandeln heute indirekt zum Beispiel auch über Public-Private-Partnership. Was ist aus diesem Instrument geworden? Schauen Sie sich einmal die Firma „Partnerschaften Deutschland“ an, die wir gegründet haben. Die Anzahl der Projekte im Bereich PPP ist nahe null. Das verantworten Sie. Dieses Finanzierungsinstrument, das nicht zuletzt auch für die Kommunen segensreich ist, haben Sie sträflich vernachlässigt. Wir werden das ändern und dieses Instrument dort, wo es sinnvoll ist, wieder einsetzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD)
[…]

Roland Claus (DIE LINKE):

[…] Deshalb sind wir der Auffassung, dass ÖPP- bzw. PPP-Konstrukte final gescheitert sind, also die Versuche, die öffentliche Daseinsvorsorge in die Hände von Finanzmärkten zu geben.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Weg aus der Sackgasse beginnt in der Sackgasse, nämlich mit dem Eingeständnis: Raus komme ich hier nur, wenn ich zurückgehe.
Die größte Gefahr für den Mittelstand – darauf will ich auch hinweisen – geht momentan von den internationalen Finanzmärkten und besonders den Schattenbanken aus. Deren Philosophie ist es, weltweit aus der Wertschöpfung anderer Profit zu ziehen, ohne selbst je den Anspruch zu erheben, Werte zu schöpfen. Diese Banken sind natürlich auf das aus, was vom Mittelstand geleistet wird. Warren Buffett hat deshalb diese Instrumente auch einmal „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ genannt. Eine vernünftige Wirtschaftspolitik wird erst dann wieder möglich sein, wenn diese Übermacht der Finanzmärkte über die Realwirtschaft gebrochen wird.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
[…]

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede von Wirtschaftsminister Rösler war mehr als überraschend; denn der Minister hat dargestellt, dass für das Handeln der Regierung, was die Energiepolitik angeht, SPD und Grüne verantwortlich sind. Ich glaube, Herr Minister, Sie haben ein paar ganz grundsätzliche Dinge nicht verstanden. Sie sind Minister und Teil der Regierung und haben deshalb den Auftrag, die Politik dieses Landes mitzugestalten, statt hier Polemik zu verbreiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich komme nun zu dem Punkt, über den heute eigentlich debattiert werden sollte, nämlich zum Thema PPP. Ob eine Regierung mittelstandsfreundlich ist oder nicht, erkennt man nicht daran, ob ein Herr Brüderle im Bundestag die heute-show imitiert, sondern eine solche Regierung erkennt man an ihrem konkreten Handeln. Wie das ausschaut, können wir am Beispiel PPP wunderschön sehen.

Was macht die Regierung? Sie setzt einen ganzen Haufen PPP-Projekte im Bereich Autobahnen um. Diese dienen erstens dazu, die Schuldenbremse zu umgehen, was schon einmal ein Skandal an und für sich ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie dienen zweitens dazu, den Mittelstand aus dem Bereich Straßenbau herauszuhalten.

(Zuruf von der FDP: Quatsch!)

Warum? Wie funktionieren diese Modelle? Diese Modelle funktionieren so, dass sich der Staat nicht mehr bei den Banken, sondern bei großen Baufirmen bzw. großen Konsortien verschuldet, damit diese dann für die öffentliche Hand beispielsweise Autobahnen erweitern oder ausbauen. Neben der Tatsache, dass PPP als Vorfinanzierung missbraucht wird, um so die Vorgaben der Schuldenbremse zu umgehen, ist ein weiterer Effekt, dass sich der Mittelstand nicht mehr direkt beteiligen kann; denn die Projekte haben in der Regel ein Konzessionsvolumen von 400 Millionen bis 1 Milliarde Euro. Mittelständler sind damit ausgeschlossen.

Ein weiterer Effekt ist de facto eine Oligopolbildung in diesem Bereich. Die öffentliche Hand zahlt unglaublich viel für solche Projekte. Die Kosten fallen allerdings über 30 Jahre verteilt an. Deswegen hat der Bundesrechnungshof klar gesagt, dass PPP-Projekte zukünftig nur noch durchgeführt werden sollten, wenn sie wirtschaftlich sind. Was ist daraus zu schlussfolgern? Dass die bisherigen PPP-Projekte im Autobahnbereich eben nicht wirtschaftlich waren. Warum macht man das Ganze dann? Weil sich so die Vorgaben der Schuldenbremse umgehen lassen.

Man könnte ehrlicher vorgehen und die entsprechenden Projekte in vernünftigen Losgrößen ausschreiben, sodass sich auch der Mittelstand beteiligen kann. Aber dann müsste man zum Finanzminister gehen und sagen, dass man für die entsprechenden Autobahnprojekte Geld braucht, oder man müsste sich die eine oder andere Umgehungsstraße sparen, weil man sie sich dann nicht mehr leisten kann. Aber nein! Was macht man? Man macht riesige Projekte, die unglaublich aufwendig sind und nur noch von den größten Baufirmen zu stemmen sind.

Man umgeht also die Vorgaben der Schuldenbremse, sorgt für wunderschöne Gelegenheiten, Bändchen bei Autobahneröffnungen durchzuschneiden, und verschiebt die Finanzierung in die Zukunft. Das ist nicht mittelstandsfreundlich, sondern eine finanzpolitische Frechheit.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Reinhold Sendker (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tiefensee, von Stillstand bei den ÖPP, den öffentlich-privaten Partnerschaften, kann überhaupt keine Rede sein. ÖPP-Projekte machen im Bereich des Hochbaus 60 Prozent aus. Die Möglichkeiten sind hier noch lange nicht ausgeschöpft. Ferner gibt es ÖPP-Projekte im Dienstleistungs- und IT-Bereich, denen Experten ein enormes Wachstum voraussagen. Im Bereich des Fernstraßenausbaus bilanzieren wir ein Ausbauvolumen von 300 Kilometern und einen privaten Kapitaleinsatz von 1,5 Milliarden Euro. Dafür, dass der Fernstraßenausbau derzeit aufgehalten wird, sind letztendlich rot-grüne Landesregierungen, zum Beispiel in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, verantwortlich.

Schauen wir auf weitere positive Botschaften bei den öffentlich-privaten Partnerschaften: auf die Qualität der Bauausführung, auf einen hochwertigen Betriebsdienst und auf einen schnellen und zeitnahen Ausbau der Bundesfernstraßen. Ich nenne außerdem ausdrücklich die Effizienzvorteile, wobei wir sagen müssen, dass die Wirtschaftlichkeit den gesamten Lebenszyklus „Planen, Bauen, Betreiben“ betrifft.

Die ÖPP bieten bemerkenswerte Optionen. Es ist deshalb völlig richtig, alle Beschaffungsvarianten unvoreingenommen zu beurteilen und ihnen die gleichen Chancen einzuräumen. Ideologische Vorbehalte gehören hier nicht hin.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wo besteht noch Handlungsbedarf? Dass die ÖPP mittelstandsfreundlich weiterentwickelt wird, ist für uns ein ganz zentraler Punkt. Mittelständische Unternehmen sollen sich mit einem höheren Investitionsvolumen an ÖPP-Projekten, sprich am Fernstraßenausbau, beteiligen können. Folglich bitten wir darum, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine verstärkte Beteiligung des Mittelstandes am Fernstraßenausbau zu erreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Richtigkeit der These „Mehr Transparenz schafft Akzeptanz“ hat die christlich-liberale Bundesregierung schon bei der Realisierung des Finanzkreislaufs Straße nachgewiesen. Bei den ÖPP wollen wir nicht nur ein bisschen, sondern deutlich mehr Transparenz. Wir schlagen Ihnen daher vor, bei ÖPP-Projekten eine frühzeitige Information und Beteiligung der Öffentlichkeit und eine weitreichende Transparenz, auch in der Betriebsphase, durch regelmäßige Berichte an den Deutschen Bundestag sicherzustellen, mit der steten Nachfrage: Ist das, was zugesagt wurde, auch erreicht worden?

Es ist erfreulich, dass die deutsche Bauwirtschaft im Herbst letzten Jahres zu mehr Transparenz bei ÖPP aufgerufen hat. Den wilden Spekulationen über Vergabe und Vertragsinhalte wird damit der Wind aus den Segeln genommen. Deutlich mehr Transparenz und die Effizienznachweise führen zu mehr Vertrauen; hiermit kann ideologischen Vorbehalten entgegengetreten werden. Das ist Zielführung. Dafür treten wir ein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Transparenz endet aber dort – das ist ein Stück Wahrheit -, wo es um schützenswerte Interessen der Projektbeteiligten und um die wirtschaftlichen Interessen des Staates geht. Dahin gehend darf sie das Erfolgsmodell ÖPP nicht seiner Vorteile berauben.

Schauen wir schließlich auf die Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit. Die Rechnungshöfe führen an: ÖPP-Projekte basieren auf konkreten Ausschreibungs- und Verhandlungsergebnissen. Bei der konventionellen Methode hingegen seien es überwiegend Kostenschätzungen und Erfahrungswerte. Folglich wird eine bessere Vergleichbarkeit gefordert.

Ferner kann mit der obligatorischen Eignungsprüfung, die ich hier ausdrücklich nennen möchte, bereits in einem frühen Stadium die grundsätzliche Eignung eines ÖPP-Projekts geprüft werden. Daher fordern wir, dieses Instrument der Projektsteuerung künftig zu standardisieren und zu verbreiten.

Ja, wir wollen eine bereits erfolgreiche Beschaffungsvariante ausdrücklich stärken, eine Variante mit mehr Mittelstand, vor allem beim Fernstraßenausbau, mit deutlich mehr Transparenz und Kommunikation und mit vergleichbaren Wirtschaftlichkeitsnachweisen.

Leider – auch das ist ein Stück Wahrheit – erleben wir bei ÖPP-Projekten unter rot-grünen Landesregierungen zurzeit den großen Verschiebebahnhof: Es soll überprüft und nochmals geprüft werden. Ich sage Ihnen: Wenn in einem konkreten Einzelfall längst feststeht, dass ÖPP besser ist, dann sollte ÖPP hier auch den Zuschlag bekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Was die Oppositionsanträge angeht, kann ich nur feststellen: Die Sozialdemokraten zögern und zaudern. Bei den Grünen stehen wieder einmal ideologische Vorbehalte gegen Zukunftsoptionen.

Herr Dr. Hofreiter, dadurch, dass Sie die Vorwürfe eines Schattenhaushalts und eines Verstoßes gegen die Schuldenobergrenze wiederholen, werden diese Vorwürfe nicht besser.
(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wahr ist, ist wahr!)

Die Verpflichtung zur Zahlung des Entgelts an den Auftragnehmer stellt keine Kreditaufnahme im Sinne des Art. 115 Grundgesetz dar. Es ist also keine Umgehung der Schuldengrenze. Das bestätigt uns der Bund-Länder-Ausschuss. Ähnlich hat sich der Bundesrechnungshof geäußert. Ich bitte, das bei Gelegenheit doch einmal zur Kenntnis zu nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In der gegenwärtigen Haushaltssituation können wir es uns gar nicht leisten, ideologische Vorbehalte gegen ÖPP aufrechtzuerhalten. Wir möchten diese Variante stärken. Es ist eine Beschaffungsvariante, die es zu prüfen gilt. Wir wollen ihre Anwendung unterstützen – mittelstandsfreundlich, wirtschaftlich und transparent.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

***

Michael Groß, MdB (Schriftliche Erklärung):

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

Mehr Transparenz, bessere Beteiligung und fundierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen – dies sind die neuen Vorgaben für ÖPP, die sich in den Anträgen widerspiegeln. Leider sieht die Praxis des Bundesverkehrsministers anders aus. Eigentlich fehlen die finanziellen Mittel im Verkehrsetat für den Aus- und Neubau weiterer Straßenprojekte. Der Bundesverkehrswegeplan ist hoffungslos überzeichnet mit Verkehrsinfrastrukturprojekten und deutlich unterfinanziert. Viele Straßen- ,Wasserstraßen- und Schienenprojekte werden leider in 20 Jahren noch nicht realisiert sein. Gleichzeitig müssen und werden die Finanzmittel des Verkehrsetats wesentlich stärker in Erhaltungsmaßnahmen fließen, um unser bisher gutes und funktionstüchtiges Verkehrsnetz für den Wirtschaftsstandort Deutschland auch weiterhin zu erhalten. So sind die Projektrealisierungen als ÖPP – Öffentlich Private Partnerschaft gern genommene Krücken für den Bundesverkehrsminister. Dabei ist es schlichtweg „Bauen auf Pump“! Den privaten Bau- und Betreiberfirmen wird vorab mehr Effizienz und damit kostengünstigere Projektrealisierung unterstellt. Auf Nachfrage beim Parl. Staatssekretär Scheuer, woraus diese Aussagen resultieren, konnte ich erfahren, dass man „diese Effekte erwarte“.
Hier müssen endlich belegbare Daten erfasst und wissenschaftlich ausgewertet werden. Nur bei einem realistischen Vergleich von konventioneller Realisierung von Bauprojekten und der Realisierung über ÖPP auf der Grundlage einer objektiven und wissenschaftlich fundierten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung können eventuell möglich Effizienzgewinne und Kostenersparnisse festgestellt werden. Es bleiben starke Zweifel, ob ÖPP wirtschaftlicher sein kann, da die öffentliche Hand zinsgünstiger Kredite in Anspruch nehmen kann. Weiterhin gibt es das Problem „unvollständiger Verträge“, die ein hohes Risiko für den Auftraggeber nach sich ziehen. Ebenso sind Redundanz- und Remanenzeffekte feststellbar, die zwangsläufig bei einer Berücksichtigung in der Kostenrechnung zu einer Kostensteigerung der Projekte führen müssen. Zusätzlich hat der Auftragnehmer Renditeerwartungen, die im Preis abgebildet werden müssen. Letztendlich kann es unter anderem zum Verlust von guter Arbeit, fairem Lohn und damit zu Dumpinglöhnen und dem Unterlaufen von tariflichen Mindeststandards führen.
Neben den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ist die Frage der Transparenz eine der wichtigsten und meist diskutierten. Immer wieder wird zu ÖPP-Projekten Entscheidungsträgern Akteneinsicht erschwert, verwehrt oder mit höchster Geheimhaltung belegt. ÖPP-Projekte müssen auch konventionell über den öffentlichen Haushalt finanzierbar sein und dürfen nicht zur Umgehung der Konsolidierungsziele und der Schuldenbremse führen. Sonst widersprechen sie nachhaltigem Wirtschaften und nachhaltiger Finanzpolitik!

Vielen Dank und Glück auf !

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