Offener Brief an den Kultursenator Dr. Klaus Lederer: Privatisierung der Medienbeschaffung an Berlins Öffentlichen Bibliotheken

Bild: Frank C. Müller, Baden-Baden, CC 2.5

Herrn Kultursenator Dr. Klaus Lederer, Brunnenstraße 188-190, 10119 Berlin

Offener Brief: Privatisierung der Medienbeschaffung an Berlins Öffentlichen Bibliotheken

 

Sehr geehrter Herr Senator,

am 6. März 2018 wurde auf der von der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus veranstalteten Fachtagung zur „Zukunft der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin“ die umstrittene Neuausrichtung der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) diskutiert. Öffentliche Kritik war insbesondere hinsichtlich der Auslagerung der Medienbeschaffung und -auswahl der ZLB an die private Wirtschaft laut geworden, darüber hinaus wurden Einwände vorgebracht gegen die Reduzierung der Zahl der Bibliothekare, ihre Beschränkung auf die Erstellung allgemeiner Bedarfsprofile bei gleichzeitiger Belastung mit anderen Aufgaben sowie die aus fachlicher Sicht überproportionale Orientierung der Medienauswahl an Kennziffern.

Leider ist festzustellen, dass die von Ihrer Partei organisierte Veranstaltung weniger einer fachlichen Diskussion mit offenem Ausgang diente, als vielmehr der Legitimation der Privatisierung der Medienbeschaffung an der ZLB und des von ZLB-Direktor Volker Heller verfolgten Konzepts. Alle sieben geladenen Redner teilten ganz offensichtlich die Position von Heller. Als Vertreter der Gegenposition war lediglich der Personalratsvorsitzende der ZLB, Lothar Brendel, geladen, eine weitere Kritikerin des Konzepts, die zuständige Gewerkschaftssekretärin von ver.di, Jana Seppelt, war im Vorfeld als Rednerin von der Veranstalterin abgelehnt worden.

Generell hat das Verhalten der Partei DIE LINKE und ihrer Führungsspitze im Hinblick auf die Umstrukturierung der ZLB erhebliche Irritationen hervorgerufen: Im November 2016 hatte die Berliner LINKE das Wahlversprechen gegeben, sich dafür einzusetzen, dass die Zentral- und Landesbibliothek wieder durch eigene Fachlektoren mit Büchern versorgt wird. Im Programm zur Abgeordnetenhauswahl hatte DIE LINKE hervorgehoben „Wir wollen […] den zentralen Büchereinkauf über die ekz.bibliotheksservice GmbH in Reutlingen rückgängig machen, den der Stiftungsrat der ZLB […] 2014 entschieden hat. Denn mit dieser Entscheidung wird die zentrale Kompetenz einer gut sortierten allgemeinwissenschaftlichen Bibliothek in und für Berlin weitestgehend vernichtet.“ Diese klare Positionierung gegen eine Privatisierung der Medienbeschaffung an Berlins öffentlichen Bibliotheken dürfte der Partei DIE LINKE seinerzeit viele Wählerstimmen eingebracht haben – heute ist davon in den öffentlichen Stellungnahmen der Partei keine Rede mehr! Bedauerlicherweise sind Sie, Herr Senator, Ihren Wählerinnen und Wählern eine Erklärung dieses diametralen Richtungswechsels und eine kulturpolitische Grundsatzentscheidung für eine gut sortierte allgemeinwissenschaftliche Bibliothek bis heute schuldig geblieben.

Auch eine Reaktion von Ihrer Seite auf die Online-Petition von über 20.000 Leser*innen, gegen die Privatisierung der Medienbeschaffung an der ZLB, die von den Aktiven von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) maßgeblich unterstützt wurde, steht nach wie vor aus.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sind hochgradig irritiert und enttäuscht darüber, dass die LINKE, die sich nicht nur im Wahlprogramm 2016 gegen ein Outsourcing der Medienbeschaffung und –auswahl an die Privatwirtschaft ausgesprochen hat, sondern diese Position auch schon 2014 im Kulturausschuss durch Anfragen und in einer Anhörung vertreten hat, nun zulässt, dass die Kernkompetenz der ZLB an den Konzern Hugendubel preisgegeben wird. Sie fragen sich, wie diese Privatisierung der Medienbeschaffung, wie die mit dem Umstrukturierungskonzept auf den Weg gebrachte Unterwerfung des in steuerfinanzierten öffentlichen Bibliotheken verfügbar gehaltenen Wissens unter ökonomische Kriterien mit einem linken Selbstverständnis vereinbar ist.

Vor diesem Hintergrund möchten das Kulturreferat von Gemeingut in BürgerInnenhand und attac Sie, Herr Senator, am 3. April zu einer Podiumsdiskussion im Buchhändlerkeller mit dem Thema „Warum soll Hugendubel der ZLB die Bücher aussuchen? – Die Zukunft der ZLB und der öffentlichen Bibliotheken in Berlin“ einladen, damit Sie zu den aufgetretenen Irritationen und der Kritik der Berlinerinnen und Berliner an dem Umstrukturierungskonzept der ZLB und der öffentlichen Bibliotheken in Berlin Stellung nehmen können. Die Einladung wird Ihnen in den nächsten Tagen zugehen.

Berlin, 12.3. 2018, mit freundlichen Grüßen,

Ulrike von Wiesenau (Kulturreferat Gemeingut in BürgerInnenhand)

 

Leseempfehlungen:

Termintipp:

3. April  2018, 20.30 Uhr im Buchhändlerkeller: Diskussion „Warum soll Hugendubel der ZLB die Bücher aussuchen? Vortrag und Diskussion über Privatisierung in Bibliotheken mit Ulrike von Wiesenau, Peter Delin und Heinz Balzer“, Infos zum Termin gibt es im GiB-Terminkalender

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