GiB-Infobrief: Direkte Demokratie hilft gegen Privatisierungen

Liebe Freundinnen und Freunde der öffentlichen Daseinsvorsorge,

am 7. November bekommt die von uns initiierte Volksinitiative „Unsere Schulen“ Rederecht im Berliner Abgeordnetenhaus: In einer öffentlichen Anhörung müssen sich die Abgeordneten im Haupt- und Bildungsausschuss unserer Kritik stellen. Natürlich können die Parlamentarier alles an sich abperlen lassen und den Senat weiter gewähren lassen. Aber eine gewisse Nervosität ist bei den Regierungsparteien in Berlin doch zu spüren: So haben sie vor zwei Wochen die Behandlung von Fragen zur Schulprivatisierung auf Termine nach der Anhörung verschoben.

Wie ernst unsere Argumente genommen werden, hängt maßgeblich davon ab, wie viele Menschen zu der Anhörung kommen. Sitzen nur fünfzehn Leute im Zuschauerraum, kann schnell zur Tagesordnung zurückgekehrt werden. Kommen aber hundertfünfzig oder zweihundert – an einem Mittwoch, tagsüber! –, dann wird ein „Weiter-So“ deutlich schwerer fallen. Seien Sie dabei, kommen Sie zur Anhörung am 7. November um 12:00 Uhr ins Berliner Abgeordnetenhaus! Dieser Nachmittag wird einer der wichtigsten Termine werden in der Auseinandersetzung gegen die Privatisierung der Daseinsvorsorge in Zeiten der sogenannten Schuldenbremse.

Die Anhörung ist öffentlich, jede und jeder darf hingehen, aus Berlin und auch von außerhalb. Allerdings versucht die Verwaltung, interessierte Bürgerinnen und Bürger abzuschrecken: Es wären nicht genug Plätze da, wird behauptet. Wir können Ihnen versichern: Im Berliner Abgeordnetenhaus gibt es Platz für über zweihundert Zuhörende! Man muss nur den richtigen Raum wählen. Durch eine gemeinsame Anmeldung wollen wir erreichen, dass genügend Plätze für die Anhörung zur Verfügung gestellt werden. Nutzen Sie dazu unsere Websete. Einzelne Interessenten kann die Verwaltung abwehren mit dem Hinweis auf fehlende Plätze. Mit einer Sammelanmeldung können wir hingegen die Verlegung in einen größeren Raum einfordern.

Schulen sind wie die Bahn und andere Bereiche der Daseinsvorsoge zu wichtig, um sie der Maxime der Gewinnerwirtschaftung zu unterwerfen. Genau zu diesem Schluss kam auch gerade wieder der Präsident des Bundesrechnungshofs Kay Scheller. Scheller kritisiert die Gewinnmaximierung der Bahn als privatrechtlicher Aktiengesellschaft, die an die Stelle verlässlicher Schienenmobilität für die Bürger tritt. Dennoch soll jetzt wieder ein privatrechtlich organisierten Unternehmen einen Daseinsvorsorgeauftrag bekommen: Die Berliner Wohnungsbaugesellschaft Howoge GmbH soll für 33 Jahre Berliner Schulen übertragen bekommen. Alle bekannten Probleme drohen erneut: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, höhere Kosten für Gutachter und Kreditzinsen, schlecht nutzbare Billigschulbauten, die obendrein wie beim BER viel zu spät fertig werden. Gewinnmaximierung im Bereich der Schulen? – Nein, Danke!

Mit herzlichen Grüßen

Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth
für die Aktiven von GiB

P.S.: Sie wohnen zu weit weg von Berlin, um kommen zu können? Dann schreiben Sie Ihren Berliner Freundinnen, Freunden und Bekannten und bitten Sie sie, an Ihrer Stelle hinzugehen! Die Anhörung am 7. November 2018 wird sicher ein einmaliges Erlebnis.

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PRESSESCHAU (Auswahl!)

Zur Schulbauprivatisierung in Berlin erschienen in den letzten sieben Wochen u. a. folgende Beiträge:

8. Oktober. Im Tagesspiegel erschien der Beitrag „Ostkreuz: Berlin baut keine Schule – um Geld für den Schulbau zu bekommen“. Schon der Titel weist auf eine absurde Situation hin: Der Berliner Senat will am Ostkreuz angeblich eine Schule bauen, verkauft das Grundstück aber an die InvestorInnen, die dort Wohnungen und Geschäfte hinstellen wollen. Die Schule soll deswegen irgendwo weit weg entstehen – wo es noch ein landeseigenes Grundstück gibt. Auch die jetzigen AnwohnerInnen müssen umgesiedelt werden – für neue Wohnungen in einer höheren Preisklasse und für eine Touristenattraktion.

29. September. In der Zweiwochenschrift Ossietzky erschien der Beitrag von Herbert Storn „Privatisierungsfehler nicht wiederholen!“. Darin setzt sich der Autor mit der Argumentation auseinander, die auch die Linke für den Schulbau in Berlin übernommen hat: Die Schuldenbremse wird man nicht so schnell los, also lasst sie uns für notwendige Investitionen umgehen. Herbert Storn kommentiert diese Strategie wir folgt: „Es ist fatal, wenn durch die Einschätzung, dass dieser ideologische Kampf und auch der um ein alternatives Steuerkonzept in absehbarer Zeit nicht gewonnen werden könne, »aus Notwehr« das Hintertürchen gewählt wird, das zu Schattenhaushalten mit überteuerten Krediten für die nächsten 30 Jahre und einem Transparenz- und Demokratieabbau führt.“

28. September. Gemeingut in BürgerInnenhand reagiert in einer Pressemitteilung auf eine neue Vorlage des Berliner Senats und kritisiert, dass sechs Wochen vor der Anhörung der Volksinitiative “Unsere Schulen” versucht wird, Fakten zu schaffen. Focus online hatte am 26.9. über die neue Vorlage des Berliner Senats berichtet. Danach würde die Howoge GmbH künftig große Sanierungs- und einen Teil der Neubaumaßnahmen beim Investitionsprogramm zur Schulbauoffensive übernehmen. „Eine entsprechende Vorlage von Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz hat der Senat heute – nach Stellungnahme durch den Rat der Bürgermeister – beschlossen”. Wenige Tage später vertagt der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses die Behandlung der Senatsvorlage – auf einen Termin nach der Anhörung der  der Volksinitiative.

24. September.Umfrage zu Schulen — Lehrer klagen über Schimmel und kaputte Fenster” ist ein Beitrag im Spiegel online überschrieben. Darin berichtet Armin Himmelrath über die Ergebnisse einer von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vorgestellten Studie “Bildung. Weiter denken! lernTRÄUME gestalten. Gebäudequalität von Bildungseinrichtungen”. Dafür hatte die Gewerkschaft mehr als 2700 Lehrkräfte zu den Unterrichtsgebäuden und zur Ausstattung mit digitalen Geräten befragt. Zu den wichtigsten Ergebnissen schreibt der Spiegel unter anderem: “Bessere hygienische Bedingungen an den Schulen fordern 70 Prozent der befragten Lehrkräfte. Elf Prozent beklagten zudem unzureichende sanitäre Anlagen, kaputte Fenster, undichte Dächer, Schimmel- und Schadstoffbelastungen, alte Strom- und Wasserleitungen sowie renovierungsbedürftige Böden und Wände. Als notwendige Verbesserungen wurden zudem zusätzliche Funktionsräume genannt, zum Beispiel für Fachunterricht oder Elterngespräche sowie Rückzugsräume für Lehrer und Schüler.”

12. September. Julia Boving berichtet den LeserInnen des neuen deuschlands von der GiB-Pressekonferenz. Dort hat Gemeingut in BürgerInnenhand die fünf Vertrauenspersonen der Volksinitiative “Unsere Schulen” vorgestellt, deren erste Erklärung gegenüber dem Abgeordnetenhaus erläutert sowie ein Moratorium für alle Privatisierungspläne im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive gefordert.  Außerdem hat GiB nochmals die Ausschüsse benannt, in denen die Volksinitiative angehört werden möchte (Artikel: “Schulbaukritiker lüften Parlament aus”).

10. September. David Böcking vom Spiegel hat Lesenswertes zum Thema Ingenieurmangel zusammengetragen und geht auch auf den dualen Ausbildungsgang für Bauingenieure an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin ein. Eine Grafik zeigt den gravierenden Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst im Bereich Bauen/Planen im Verhältnis zur sonstigen Stellenentwicklung. Zitate und Quellen im Artikel belegen, dass es am Geld beim Bau nicht mangelt, sondern am Personal, das es verplanen und verbauen kann. (Artikel: “Ingenieurmangel im öffentlichen Dienst. Die Leute hauen ab”).

September. In der Zeitschrift Mieterecho beschreibt Gerlinde Schermer, Vertrauensperson der Volksinitiative “Unsere Schulen”, im Beitrag “Kein Privatrecht in der Daseinsvorsoge” die mangelnde Transparenz der Howoge. BefürworterInnen der Berliner Schulbauoffensive beteuern, dass es kein Problem sei, dass die Howoge ein privatrechtliches Unternehmen ist. Sie sei schließlich ein landeseigenes Unternehmen und zwar zu 100 Prozent. Verschwiegen wird aber, dass Unternehmen in Privatrecht — ob landeseigene oder private — vor dem Informationsfreiheitsgesetz gleich sind und sich auf den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen können. Die Howoge GmbH kann so “zulasten der Bevölkerung und ohne öffentliche Kontrolle langfristige Verträge mit privaten Baukonzernen abschließen. Und sind die Verträge erst einmal unterschrieben, dann darf die Berliner Bevölkerung nur eines: bezahlen.”

28. August. Jana Frielinghaus skizziert in der jungen Welt den Verlauf der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) am Vorabend veranstalteten zweistündigen Diskussion um Schuldenbremse und vermeintliche Privatisierungszwänge im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive. Grundlage der Diskussion bildete ein Ende Juli veröffentlichten Positionspapiers eines Arbeitskreises der RLS, das von Gemeingut in BürgerInnenhand scharf kritisiert wird. Frilinghaus’ Artikel trägt die Überschrift “Anders privatisieren mit links”.

August. Am 27. August startete die Berliner Schulbauoffensive mit einer “symbolischen Grundsteinlegung” für eine Schule in Mahlsdorf. Drei zuständige SenatorInnen erschienen und machten deutlich: Die Kritik soll verstummen, wir bauen los. Nun deckte Ingeborg Dittmann in der Zeitung jot.w.d. aus Mahlsdorf (9/2018 — Ausgabe 265, nur Druckausgabe) im Beitrag “Die ‘Lego-Schule’ aus Holz” auf, dass es an dieser Stelle in der Vergangenheit für genau diese Schule schon zweimal ein Startschuss gegeben wurde. Am 17. Juli 2001 und am 21. Juli 2016 gab es jeweils einen ersten Spatenstich. Und jetzt, nicht mal 17 Jahre später, gibt es die Grundsteinlegung! In der PR-Show vom 27. August kündigten die PolitikerInnen an, die Schule für das Schuljahr 2019/20 fertigzustellen.

27./28. August. Zahlreiche Medien berichten über die Gundsteinlegung für die neue Sekundarschule in Mahlsdorf, die vom Senat als Start der Schulbauoffensive bezeichnet wird, obwohl die Planungen auf die rot-schwarze Vorgängerkoalition nach zähem Ringen der Mahlsdorfer BürgerInnen mit Unterstützung des Mahlsdorfs CDU-Abgeordneter Mario Czaja zurückgehen. Der Neubau kostet insgesamt 34,8 Millionen Euro und bietet Platz für rund 550 Schüler. Das Gebäude setzt sich aus zahlreichen containerartigen Holz-Modulen zusammen, ganze Räume werden vorgefertigt angeliefert und verbaut. Zum Schuljahr 2019/20 soll der Unterricht an der Schule beginnen. Der Artikel “Berlin legt ersten Grundstein der ‘Schulbauoffensive’ ” geht auf Kritik am Howoge-Konzept ein, wobei die neue Sekundarschule in Mahlsdorf nicht über die Howoge abgewickelt wird. rbb24 bringt in seinem Beitrag auch einen O-Ton von Carl Waßmuth (GiB).

25. August. Im offenen Kanal Kaiserslautern sprach Genoveva Brandenburger in der Sendung Gesellschaftsbarometer mit Gerlinde Schermer über die Probleme, die sich aus der in Berlin geplanten Privatisierung von Schulbau, -sanierung, -grundstücken und -gebäuden im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz ergeben. Hier geht es zum Video-Beitrag “Informationsfreiheitsgesetze! Was nun, was tun?”.

GiB veröffentlichte folgende Pressemitteilung und Beiträge zum Thema Schulprivatisierung:

19. Oktober. Getarnte Privatisierung

28. September. Rot-Rot-Grün beschließt klammheimlich im Senat die Schulprivatisierung – obwohl die Anhörung der Volksinitiative “Unsere Schulen” noch aussteht

12. September. Next Library® Conference Berlin 2018 — Bibliotheken auf dem Weg in die Brave New World?

11. September. Schluss mit Bau- und Planungsstopp im Schulbau! Volksinitiative fordert sofortiges Aussetzen aller Privatisierungsaktivitäten des Senats

27. August. Berliner Schulbauoffensive startet mit einem teuren Etikettenschwindel

Zu Privatisierung generell war insbesondere interessant:

18. Oktober. In der Berliner Zeitung schildert Kai Schlieter im Beitrag „Autobahnprivatisierung: Verkehrsministerium zahlt Millionen an Beratungsfirmen“ zwei verheerende Folgen der Privatisierung: den Abfluss von Knowhow und von Steuergeld. Durch das Hinzuziehen von externen Beratern entstehen über Jahrzehnte nicht nur enorme Kosten. Es geht auch das Wissen in den Verwaltungen verloren. […] „Das ist eine Spirale, weil das Wissen in der Verwaltung verloren geht“, sagt Carl Waßmuth, der als wissenschaftlicher Beirat für Attac tätig ist und sich als Vorsitzender des Vereins Gemeingut in BürgerInnenhand mit verschiedenen Formen von Teilprivatisierung beschäftigt. „Diese Berater sind Diener vieler Herren und niemand kann sicherstellen, dass dies wirklich der öffentlichen Hand dient“.

9. Oktober. In der Zeitung Der Teckbote berichtet Heike Siegemund im Beitrag „Öffentliches Gut wird zur Ware“ über eine Veranstaltung mit dem Titel „Ausverkauf des Tafelsilbers: Was passiert bei der Privatisierung der Schulen, Straßen und anderer öffentlicher Aufgaben?“, die in Kirchheim unter Teck Ende September stattgefunden hat. Laura Valentukeviciute von Gemeingut in BürgerInnenhand referierte über Privatisierungsvorhaben, die in Berlin und bundesweit unter dem Vorwand der Schuldenbremse umgesetzt werden sollen. Erfahrungen mit knappen öffentlichen Kassen und ÖPP-Vorhaben hatte man vor Ort aber auch: „‚2008 gab es in Kirchheim eine große Diskussion um das Hallenbad‘. Wenn man ein neues Bad gebaut hätte, dann nur über eine öffentlich-private Partnerschaft.“ Schließlich entschied sich die Stadt gegen den teuren ÖPP-Neubau und für eine günstigere Sanierung in Eigenregie.

6. Oktober. Hier der komplette Wortlat des oben erwähnten Interviews in der Morgenpost mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs Kay Scheller: „Chef des Rechnungshofs will mehr Kontrolle über die Bahn“.

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