Kommentar zur Rede des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Partnerschaften Deutschland AG Herr Prof. Dr. Hannes Rehm anlässlich des 6. Bundeskongress ÖPP am 19.09.2011 in Bonn
Von Laura Valentukeviciute
Am 19. September fand in Bonn eine der zahlreichen Konferenzen der PPP-Lobby statt. Diese hieß „6. Bundeskongress ÖPP“ und wurde in Kooperation von der Partnerschaften Deutschland AG, dem Bundesfinanz- , dem Bundesverkehrsministerium1 und anderen Akteuren organisiert.
Schon in der Einladung wurde die dramatische Verschuldung der Kommunen als Anlass genommen, Privatisierungen das Wort zu reden. PPP-Projekte werden als „ein zielführender Weg, um die beiden Notwendigkeiten Sparen und Investieren miteinander zu verbinden.“ begründet. Dass die Betroffenen diesen „zielführenden Weg“ nicht einschlagen wollen, wird auch dort bereits gesehen.
Die Key-Note-Rede im Kongress hielt Prof. Dr. Hannes Rehm, der stellv. Vorsitzender des Aufsichtsrates der Partnerschaften Deutschland AG und bis Juli 2011 der Sprecher des Leitungsausschusses der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). „ÖPP hat sich als Beschaffungsvariante in Deutschland bewährt.“ – fing Rehm optimistisch seine Rede2 an und zählte auf, dass der PPP-Markt in Deutschland seit 2002 171 PPP-Projekte umfasst, die zusammen knapp 7 Mrd. € ausmachen. Rehm beklagte dann aber, dass die PPP-Konsortien immer noch kleine Brötchen backen müssten: „Der Schwerpunkt der bisherigen Hochbauprojekte liegt allerdings eindeutig im kommunalen Bereich.“ Im Klartext heißt das, dass die Privaten es vor allem auf die Großprojekte auf Bund- und Landesebene abgesehen haben, denn die Verträge für den Schul-, Schwimmbad- oder Rathausbau sind mit einem Vertrag vom Kaliber eines Autobahnbaus nicht zu vergleichen. Aber wenn sie schon die Taube auf dem Dach nicht kriegen, dann bemühen sie sich wenigstens um den Spatzen in der Hand.
Der Spatz, sprich die Kommunal-PPP, ist, wie aus der Rede weiter klar wird, auch nicht so einfach zu halten. Denn Kritik hagelt von allen Seiten. Rehm spricht von einer „[…] Eintrübung des generellen Meinungsumfeldes für ÖPP.“ Und weiter: „Ich möchte behaupten, das liegt vor allem an der sich verstärkenden kritischen Haltung der Politik und mancher gesellschaftlicher Gruppen gegenüber dem zweiten „P“. Die Kritik an ÖPP kommt in Deutschland vor allem aus Nichtregierungsorganisationen, von Gewerkschaften und häufig auch von der Politik selbst.“
Rehm stellt im Anschluss richtig fest: „Die eigentlichen Kunden des ÖPP-Marktes, die öffentliche Hand, wollen das „Produkt“ ÖPP (noch) nicht.“ Nur seine Begründung kann man ihm nicht ohne weiteres abnehmen. Er begründet das mit der Bequemlichkeit, keine PPP-Projekte zu machen: „Es scheint aus irgendeinem Grund vorteilhafter zu sein, keine Meinung Pro ÖPP zu haben. Keine Entscheidung = kein Risiko = keine politische Auseinandersetzung mit den üblichen ÖPP-Gegnern.“
Dazu kann man nur sagen, dass Herr Rehm dabei etwas verwechselt. Es gibt leider immer noch eine Menge politischer Amtsträger, die PPP-Projekte mit leichter Hand durchwinken. PPP ist schon längst als ein „Rundum Sorglos-Paket“ bekannt, wie das schön ironisch der Publizist und PPP-Kritiker Werner Rügemer sagt. Die BürgermeinsterInnen, die einen PPP-Vertrag unterschreiben, müssen sich erstmal keine Sorgen machen, wie die Kommune ans Geld kommt bzw. trotz der Schuldenbremse einen Kredit aufnehmen kann. Mit PPP ist die Umgehung einfach, denn PPP wird im Kommunalhaushalt immer noch als Miete verzeichnet. Auch über die viel zu hohen Kosten für ein PPP-Projekt müssen sie sich erstmal keinen Kopf machen, denn die kommen später, wenn die Oberbürgermeisterin oder der Stadtkämmerer schon nicht mehr im Amt sind. Die politischen EntscheidungsträgerInnen müssen sich mit den unterschiedlichen Angeboten nicht beschäftigen, dafür gibt es die Berater, die denen gleich ein PPP-Projekt unterschieben. Sie brauchen auch nicht einmal einen Vertrag auszuarbeiten, denn das wird von den angeheuerten Kanzleien erledigt. Und, nicht zuletzt, sie müssen, weil es kaum möglich ist, in den eigenen Gremien Fragen zum PPP-Projekt behandeln – das können sie aufgrund der von den Privaten aufgezwungenen Geheimhaltung nicht.
Deshalb: mangelnde Auseinandersetzung kann man ernsthaft nur den PPP wohlgesonnenen PolitikerInnen vorwerfen, aber nicht denjenigen, die PPP-Projekte überprüfen und sie darauf hin ablehnen.
Als einen letzten Strohhalm zur Begründung, dass die PPP-Projekte doch vorteilhaft sind, greift Herr Rehm zu einer Allensbach Studie. Diese Studie ist unter der PPP-Lobby sehr beliebt und dies könnte vor allem darin begründet sein, dass sie bundesweit die Einzige ist, die ein solch positives Ergebnis für die PPP-Projekte aufweist. Sie besagt, dass „97 % der kommunalen Auftraggeber mit den ÖPP-Projekten und der Zusammenarbeit mit den Privaten zufrieden bis sehr zufrieden sind“, erläutert Rehm. Das Geheimnis dieses Ergebnisses liegt in der Art und Weise, wie die Studie durchgeführt wurde. Hierbei sind die Fragen nach der Forschungsmethode und der Fragestellung entscheidend.
Zum einen wendet Allensbach als einziges Meinungsforschungsinstitut in Deutschland für seine Studien ein sogenanntes Quotenverfahren an, was in Fachkreisen durchaus kritisiert wird3. Denn beim Quotenverfahren wird, „für eine Marktforschungsstudie zunächst eine Stichprobe gebildet, die aufgrund demografischer Merkmale und anderer Auswahlkriterien von den jeweiligen Interviewern selbst bestimmt werden. Die Repräsentativität kann in der Regel nicht durch eine statistische Fehlerberechnung gesichert werden. Durch eingrenzende Startfragen wird zunächst ermittelt, ob der potenzielle Teilnehmer zur gewünschten Stichprobe gezählt werden kann.“4
Zum anderen, und das scheint noch weit bedeutender, ist die Frage nach der Richtigkeit der ausgewählten Untersuchungsmethode. Bis heute gibt es keine belastbaren bundesweiten Studien, die eine Bilanz der PPP Projekte ziehen würden. Und das ist eindeutig politisch gewollt, denn Anfragen dazu gibt es schon seit Jahren5. Anstatt die Bilanzen zu untersuchen, die Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu überprüfen und zu vergleichen, die Evaluation der abgegebenen Leistungen zu machen und PPP-Projekte auf diese Weise ernsthaft mit den konventionell durchgeführten Projekten zu vergleichen, macht die PPP-Lobby eine Meinungsumfrage. Wenn es, wie Herr Rehm sagt, bis dato 171 PPP-Projekte gibt, die mit 6,9 Mrd. € die Haushalte belasten, dann ist eine Auswertung der „harten Fakten“ nicht nur möglich und erforderlich, sondern auch verantwortungsvoller als eine Meinungsumfrage. Aber es ist natürlich nicht die Aufgabe der PPP-Befürworter, die längst überfällige bundesweite empirische Evaluation der PPP-Projekte zu machen. Warum sollten sie sich selbst in die Suppe spucken?
Warum verschweigt Herr Rehm in seiner Bilanz eigentlich die Ergebnisse der Rechnungshöfe? Diese kritisieren die PPP-Projekte wegen falscher Berechnungsgrundlagen, die überhöhte Effizienzgewinne versprechen würden, oder als „graue Verschuldung“, weil die Kreditaufnahme verschleiert werde6. Das wäre doch glaubwürdiger, da belegbarer als eine Meinungsumfrage. Der PPP-Lobby geht es offenbar nur darum, ein Wettrennen um die politische Meinung zu gewinnen. Es geht ihnen nicht um die Tatsache, ob die gebauten Schulen ausreichende Bauqualität aufweisen und die Kommune mit einem PPP-Projekt Geld gespart hat. Es geht in der ganzen Rede von Herrn Rehm und auch der Allensbach-Studie um die öffentliche Meinung. Sie muss beeinflusst werden, sodass die Menschen nicht den Tatsachen, sondern der PPP-Lobby glauben.
Und wenn Herr Rehm dann zum Schluss sagt, „Ich persönlich kenne im Übrigen keine einzige Umfrage, die einen solch hohen Wert der Zufriedenheit mit der Leistungserstellung im konventionellen Vergabeverfahren durch unsere öffentlichen Verwaltungen aufweist.“, können wir ihm auch nur zustimmen.
Und das ist ein offensichtliches Signal für die Politik, die PPP-Projekte unter die Lupe zu nehmen und endlich eine kritische Bilanz zu ziehen. Zumal eine aktuelle Forsa-Umfrage zu Privatisierung besagt, dass mittlerweile 79% aller BürgerInnen Deutschlands gegen weitere Privatisierungen oder sogar für die Rückabwicklung der bisherigen Privatisierungen sind7.
1 Mehr dazu auf: http://www.dppp.de/
3 s. Hüttner, Manfred, Schwarting, Ulf: Grundzüge der Marktforschung. 7., überarbeitete Aufl., München 2002. ISBN 3-486-25917-2, S. 132-133.
5 z.B. der Antrag der Fraktion Die Linke „Privatisierungsfolgen seriös bilanzieren – Privatisierungen aussetzen“, Drucksache 16/3914, 14.12.2006
7 Forsa-Umfrage im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes: www.dbb.de/dbb-beamtenbund-2006/dbb-pdf/forsa_2010-inhalt.pdf