Liebe Freundinnen und Freunde einer guten Daseinsvorsorge,
manchmal müssen Punsch und Plätzchen in den Hintergrund rücken. Kurz vor den Feiertagen haben wir noch drei wichtige Termine zum Schutz der Gemeingüter bestritten. Dabei ging es einerseits um unseren Kampf für das Berliner Sport- und Erholungszentrum (SEZ), andererseits um den Erhalt der flächendeckenden Versorgung mit Krankenhäusern. Was war los?
Unser Einsatz für das Gemeingut Krankenhaus
Am 17. Dezember veranstalteten wir unsere jährliche Pressekonferenz zur Entwicklung der Versorgung mit Krankenhäusern. Und da 1985 das Gesetz in Kraft trat, mit dem das sogenannte Kabinett Kohl II Gewinne im Krankenhaussektor ermöglichte, nutzten wir das unrühmliche 40. Jubiläum dazu, die verhängnisvollen Folgen der Privatisierung und Kommerzialisierung unserer Krankenhäuser unter die Lupe zu nehmen. Unsere wichtigsten Rechercheergebnisse in Kürze:
- Im Jahr 2025 wurden 13 Krankenhäuser mit 1.287 Betten geschlossen. Das sind weniger Schließungen als in den beiden Vorjahren. Und das liegt daran, dass 2025 genauso viele Krankenhäuser vor Schließung gerettet werden konnten. Unser Widerstand trägt Früchte! Aber eine Entwarnung können wir nicht geben. Denn die Krankenhausreform, die gerade im parlamentarischen Prozess einer Schönheitskur unterzogen wird, hält an der Zentralisierung fest, und für das kommende Jahr liegen jetzt bereits 17 Schließungsbeschlüsse für Krankenhäuser vor, für 2027 sogar 24. Dabei ist schon heute die Krankenhausversorgung spürbar ausgedünnt. Seit 2020 wurden mehr als 100 Krankenhäuser geschlossen. Fast eine halbe Million Menschen erreicht in unserem Land inzwischen ein Krankenhaus nicht mehr innerhalb der maximal vorgesehenen Fahrzeit von 30 Minuten. Ein Skandal, den wir mit unserer Pressekonferenz öffentlich gemacht haben. Jede weitere Schließung verschlechtert die Lage. Wir bleiben dran.
- Bei unserer Analyse zu „40 Jahren Aderlass durch Renditejagd“ legten wir dar, wie die Privatisierung unsere Krankenhausversorgung umformt: weg von den nötigen, aber nicht so gewinnträchtigen Allgemein- und Notfallkrankenhäusern, hin zu teuren Fachkliniken. Fachkliniken behandeln weniger, aber hauptsächlich lukrative Fälle, bieten keine Grund- und Notfallversorgung und zahlen den meist privaten Trägern daher hohe Renditen. Das Ergebnis: Seit 1991 wurde rund ein Viertel der Krankenhäuser geschlossen, aber die Ausgaben für Krankenhäuser stiegen inflationsbereinigt um 70 Prozent. Auch der gegenwärtige Reformprozess stoppt den Niedergang der Krankenhausversorgung in keiner Weise. Abfließende Gewinne machen den Krankenhausbetrieb teuer. Die Gewinne im Krankenhauswesen sind im Vergleich zu anderen Bereichen der Daseinsvorsorge bisher nicht gedeckelt, die Renditen liegen bei bis zu 15 Prozent. Die Abschaffung der Renditen im Krankenhaussektor ist überfällig.
Dass die aktuelle Reform die Missstände im Krankenhaussektor nicht beseitigt, sondern zu massiven Schließungen von kleineren Krankenhäusern der Grund- und Notfallversorgung führen wird, darauf wies Laura Valentukeviciute als geladene Sachverständige für das Bündnis Klinikrettung bei der Anhörung zu Änderungen der Krankenhausreform am Abend vom 17. Dezember im Gesundheitsausschuss des Bundestages hin. Die flächendeckende Krankenhausversorgung ist ein hohes Gut, das nicht weiter beschädigt werden darf.
Unser Einsatz für das Gemeingut Sport- und Erholungszentrum (SEZ)
Gemeingüter können am besten vorbeugend geschützt werden. Zuweilen wird aber ihre Bedrohung akut, wie im Fall des SEZ in Berlin. Dort startete die vom Senat beauftragte Wohnungsbaugesellschaft WBM den Abriss, die Bauaufsicht musste den Bagger stoppen: Es war keine Genehmigung eingeholt worden. Unsere Intervention war erfolgreich. Die Firma ist aber weiter vor Ort, schädigt das Gebäude von Zeit zu Zeit und bezeichnet das als „vorbereitende Maßnahmen“. Der Abriss ist nicht vom Tisch, sondern soll zügig durchgezogen werden.
Wir haben daher einen Rechtsanwalt beauftragt, Klagemöglichkeiten auszuloten, mit denen der Abriss dauerhaft verhindert werden kann. Unser Anwalt Benno Reinhardt kam zu einem Ergebnis, das Hoffnung macht: Eine Klage ist über den Denkmalschutz möglich. Gestern haben wir sein Gutachten gemeinsam mit den NaturFreunden Berlin in einer Pressekonferenz vorgestellt. Die NaturFreunde werden die Klageschrift als Umweltverband einreichen, wir liefern die Argumentation für den Denkmalschutz.
Denn das SEZ ist mehr als ein imposantes Gebäude. Das ehemals größte Sport- und Freizeitzentrum Europas war explizit dazu gebaut worden, der breiten Bevölkerung jenseits von kommerziellen Interessen Spaß an körperlicher Bewegung zu bieten. Ökologisch war es seiner Zeit voraus: Würde auch andernorts die Abwärme von Eisbahnen für das Warmwasser von Schwimmbädern genutzt, könnten jeweils rund 30 Prozent Energie und CO2 eingespart werden. Das Argument des Berliner Senats, dass auf dem Areal bezahlbare Wohnungen gebaut werden sollen, ist unglaubwürdig. Berlin schafft es nicht ansatzweise, bereits fertig geplante Wohnungsbauprojekte zeitnah umzusetzen. Warum also soll das SEZ so dringend weg? Vielleicht weil es Symbol für ein legendäres Sport- und Erholungsangebot ist, an das in Berlin im Kürzungswahn nicht mehr erinnert werden soll. Wir finden, das ist ein Grund mehr, das SEZ als Denkmal zu schützen. Damit mal daran gedacht wird, wie gut Gemeingüter den Menschen tun.
Einen guten Jahresausklang wünschen herzlich
Laura Valentukeviciute und Carl Waßmuth
für das Team von Gemeingut
Links zum Weiterlesen und Weiterschauen:
Unsere Pressemitteilung „Bilanz zu Krankenhäusern: Schließungen und Gewinne“ vom 17. Dezember 2025 mit ausführlichen Hintergrundmaterial finden Sie auf unserer Website unter: https://www.gemeingut.org/bilanz-zu-krankenhaeusern-schliessungen-und-gewinne/
Die Aufzeichnung der Anhörung am 17. Dezember 2025 im Bundestag können Sie unter folgendem Link abrufen. Die Antwort von Laura Valentukeviciute finden Sie circa ab Minute 54: https://www.bundestag.de/ausschuesse/gesundheit/anhoerungen/1129596-1129596
Es berichteten:
- Berliner Morgenpost vom 17.12.2025: https://www.morgenpost.de/berlin/article410731786/krankenhaussterben-nach-reform-so-ist-die-lage-in-berlin-und-brandenburg.html
- junge Welt vom 18.12.2025: https://www.jungewelt.de/artikel/514228.gesundheitspolitik-verrammelte-kliniken.html
Unsere Pressemitteilung „Das SEZ ist ein Denkmal – Klage wird eingereicht“ vom 18. Dezember 2025 inklusive juristischer Stellungnahme können Sie hier nachlesen: https://www.gemeingut.org/das-sez-ist-ein-denkmal-klage-wird-eingereicht/
Es berichteten:
- Berliner Zeitung vom 18.12.2025: https://www.berliner-zeitung.de/news/nicht-hinnehmen-dass-das-sez-einfach-abgerissen-wird-verbaende-klagen-auf-denkmalschutz-li.10010840
- Die taz vom 18.12.2025: https://taz.de/Klage-soll-vor-Abriss-schuetzen/!6139693/
- Das Neue Deutschland vom 18.12.2025: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1196294.architektur-naturfreunde-kuendigen-klage-an-denkmalschutz-soll-das-sez-retten.html
- rbb-Abendschau vom 18.12.2025, ab der Minute 13:33 (nur eine Woche verfügbar): https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20251218_1930.html
- Der Berliner Kurier vom 19.12.2025: https://www.berliner-kurier.de/berlin/anwalt-will-mit-bayern-hilfe-ddr-bau-retten-li.10010820
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