Macht mit: Vorbereitung der Anhörung zum Schulbau in Berlin

Am 3. Juli haben wir 30.402. UnterstützerInnen-Unterschriften für die Volksinitiative „Unsere Schulen“ dem Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses überreicht. Die große Anzahl von Unterschriften ist ein riesiger Erfolg und zeigt, dass viele Menschen in Berlin die Privatisierung von Schulgebäuden, –grundstücken und Schulbau ablehnen.

Wir danken allen, die unterschrieben und mitgesammelt haben, die die Volksinitiative bekannter gemacht und dafür gespendet haben. Nur mit euch war dieser Erfolg möglich!

Wie weiter? Mit Schreiben vom 6. August hat der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses die Rechtmäßigkeit der Volksinitiative “Unsere Schulen” bestätigt. 28.070 Unterschriften wurden als gültig anerkannt. Jetzt müssen wir in den für unser Anliegen zuständigen Ausschüssen gehört werden.

Wir werden dort auf die drohenden Folgen des Privatisierungsvorhabens aufmerksam machen. Damit das Thema Schulprivatisierung die verdiente Aufmerksamkeit bekommt, streben wir eine ganze Reihe von Anhörungen an. Welche Ausschüsse wir bisher als betroffen ansehen, haben wir im Antrag auf Anerkennung als Volksinitiative (s. unten) formuliert. Die Anhörungen werden sehr wahrscheinlich im Oktober/November stattdinden, und wir haben ab jetzt Zeit, uns darauf vorzubereiten. Wenn ihr Interesse an der inhaltlichen Mitarbeit habt, Quellen, Fakten und anderes Material zur geplanten Schulbauoffensive des Senats liefern könnt, meldet euch bei uns unter anhoerung@gemeingut.org. Auch eine verschlüsselte Kommunikation ist möglich.

VOLKSINITIATIVE „UNSERE SCHULEN“: UNTERSCHRIFTEN UND ANTRAG

Abgeordnetenhaus von Berlin
Herrn Ralf Wieland
Niederkirchnerstraße 5
10117 Berlin

03.07.2018

Sehr geehrter Herr Wieland,

wir beantragen hiermit die Anerkennung als Volksinitiative nach Abstimmungsgesetz sowie die Anhörung in den zuständigen Ausschüssen des Abgeordnetenhauses. Trägerin der Volksinitiative ist Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB). Zusammen mit diesem Schreiben übergeben wir Ihnen Unterschriften, die unsere Volksinitiative gemäß Abstimmungsgesetz unterstützen. Als Vertrauenspersonen der Volksinitiative wurden von uns benannt: Siegrun Bofinger, Dorothea Härlin, Gerlinde Schermer, Carl Waßmuth, Hannelore Weimar

Die wesentlichen Punkte der Vorlage, zu der wir verlangen angehört zu werden, lauten:

Schulen endlich sanieren: JA! Neue Schulen bauen: JA! Schulen in öffentlicher Hand: JA!
Übertragung von Schulimmobilien in das Privatrecht: NEIN! Gründung einer Schul-GmbH: NEIN!
Unsere Schulen müssen öffentlich bleiben! Keine Übertragung von Schulimmobilien in das Privatrecht!

Wir fordern:

  • Schulen öffentlich bauen, erhalten, betreiben und finanzieren statt Übertragung von Schulen in eine privatrechtliche GmbH
  • Ausbau des Personals in den Schulen und Bauämtern in öffentlicher Hand statt Spardiktat und Abwerben von Fachkräften durch die GmbH
  • Schulgrundstücke im Eigentum der Bezirke belassen, statt die Bezirke zu Mietern ihrer Schulen zu machen

Die Berliner Schulen müssen im öffentlichen Eigentum mit öffentlichen Geldern saniert und ausgebaut
werden – das ist der schnellste Weg und auch das sicherste, günstigste und demokratischste Vorgehen.

Des Weiteren erheben wir die folgenden Forderungen:

1. Schulsanierungen sofort starten statt jahrelangem Aufbau einer GmbH und zentraler Parallelstruktur
2. Schulbau öffentlich und ausreichend finanzieren statt teurer Kapitalmarktkredite im Rahmen einer GmbH, statt Mietzahlungen der Bezirke für die Schulen und statt Schulen als Kreditsicherheiten
3. Personal in der öffentlichen Hand ausbauen und besser entlohnen statt Abwerben von Fachkräften von der öffentlichen Hand in eine GmbH
4. Beteiligung von Schulleitungen, interessierten LehrerInnen, Eltern, SchülerInnen und BürgerInnen am Entscheidungsprozess statt Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bei einer GmbH
5. Schulen und Turnhallen als offene Orte in Berlin erhalten statt Sportvereine und NutzerInnen durch hohe Mietzahlungen auszugrenzen
6. Dezentrale Strukturen ausbauen statt Schulbau als Großprojekt à la BER
7. Schulgrundstücke im Eigentum der Bezirke belassen statt die Bezirke zu Mietern ihrer Schulen zu machen
8. Schulbau in eigener Regie und mit regionalem Handwerk und Gewerbe statt Großverträge mit Baukonzernen, Kostenexplosion, Lohndumping
9. Erhalt und öffentliche Nutzung aller Schulgrundstücke und -gebäude statt Abriss und Verkauf von Schulgebäuden
10. Schule in öffentlicher und demokratischer Verwaltung statt Schule als Finanzprodukt mit Erbbauverträgen und anderen Finanzkonstrukten
11. Erhalt und Pflege des öffentlichen Grüns auf den Schulhöfen statt Baumfällungen zugunsten von Fremdbebauung
12. Rekommunalisierung von Schulreinigung und Schulessen statt Outsourcing mit der Folge von Schulschmutz, schlechtem Essen und Ekelskandalen.

Begründung:

Der Berliner Senat plant eine sogenannte Berliner Schulbauoffensive (BSO). Was gut klingt, hat einen hochproblematischen Kern: Schulgrundstücke, Schulen und Schulbauaufträge im Volumen von 1,5 Milliarden Euro oder mehr sollen in privatrechtliche GmbHs ausgelagert werden. Vom Senat für die Auslagerung vorgeschlagen wurden die HoWoGe GmbH und die BIM GmbH. Diese Auslagerung öffentlicher Aufgaben ins Privatrecht stellt eine formelle Privatisierung dar, von der wir negative Folgerung für die Bevölkerung von Berlin erwarten. Alle relevanten Verträge würden mit der Auslagerung ebenfalls privatrechtlichen Logiken unterworfen. Auskunftsrechte der BürgerInnen könnten dann hinter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zurückstehen.
Selbst das öffentliche Vergaberecht stünde in Frage: Wenn Generalunternehmer oder Generalübernehmer beauftragt werden, könnten die Nachunternehmer aus dem Vergaberecht herausfallen. Die Struktur des Vorhabens soll nach den bisherigen Vorschlägen zudem einer
Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) entsprechen – mit Verträgen, die 25 Jahre unkündbar sind und mit einem auf die Mieten geleisteten Einredeverzicht der öffentlichen Hand. Die Schul-GmbHs
wären dann die jeweilige ÖPP-Projektgesellschaft.

Die BSO würde den Berliner Schulbau nicht nur für Schulen betreffen, die nach derzeitigem Planungsstand von der BIM und der HoWoGe gebaut bzw. saniert werden sollen. Durch einheitliche Standards würde der bezirkliche Schulbau ebenso wie der Schulbau durch das Land Bedingungen
folgen, die teilweise oder vollständig dem Zweck der Auslagerung in die privatrechtlichen Gesellschaften dienen. Gleichzeitig verzögert das Warten auf die einheitlichen Standards den Schulbau landesweit. Zusammengefasst befürchten wir einen schädlichen Umbau der öffentlichen Verwaltung, höhere Kosten, verzögerte Baufertigstellungen, schlechtere Qualität, einen Abbau von
Bürgerbeteiligung sowie eine Schwächung der demokratisch legitimierten Steuerung des betroffenen Bereichs.

Konkret halten wir eine Reihe von Ausschüssen für zuständig, in denen wir begehren, angehört zu werden:

Wir halten den Hauptausschuss für zuständig, denn es geht um die Auslagerung von Schulden aus dem regulären Haushalt und um die Wirtschaftlichkeit (oder eben Unwirtschaftlichkeit) eines Vorhabens in der Größenordnung mehrerer Milliarden Euro.

Zuständig ist aus unserer Sicht auch der Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, denn es geht um den Schulbau und –betrieb, um die Beteiligung der Schulgremien an der Ausgestaltung von Bauvorhaben und insgesamt um die Zukunft von Schule in Berlin.

Der Ausschuss für Sport ist ebenfalls zuständig, denn mit der möglichen Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an vielen Sporthallen an GmbHs könnte die bisher kostenfreie Nutzung der Sporthallen für Vereine gefährdet werden.

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen ist zuständig, die vorgesehenen Bauvorhaben im Schulbau sollen sich zu einem der größten öffentliche Investitionsprojekte der letzten Jahre summieren.

Da auch eine teilweise Beschneidung der faktischen Mitsprache der Schulkonferenzen, der Bezirksverordnetenversammlungen, der Bezirkseltern- und Lehrerausschüsse drohen könnte, halten wir auch den Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation zuständig.

Der Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung ist unter anderem zuständig für Informationsfreiheit. Da das Informationsfreiheitsgesetz nicht für GmbHs gilt, ist der Zuständigkeitsbereich dieses Ausschusses ebenfalls betroffen.

Der Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz ist zuständig, da es mit der Sanierung und dem Neu- und Ausbau von Dutzenden Schulen und Sporthallen um die Chance auf eine ökologische Bauweise sowie einen energetisch sinnvollen anschließenden Betrieb geht. Von der Auslagerung über Erbbaurecht oder andere Formen der Abgabe des wirtschaftlichen Eigentums an Schulen und Schulgrundstücken wäre zudem der vielfach alte Baumbestand auf den Schulhöfen betroffen, ein Teil der grünen Lunge Berlins.

Da es mit der BSO um erhebliche Verschiebungen in den Zuständigkeiten gehen soll (jetzt Bezirke, später auch das Land Berlin oder die BIM oder HoWoGe), ist auch der Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten zuständig. Bisher im Wesentlichen in der Schulträgerschaft enthaltene Aufgaben sollen aufgespalten werden in eine Bedarfs-, eine Aufgaben- und eine Bauträgerschaft.

Der Hauptausschuss hat zudem noch Unterausschüsse, die wir ebenfalls für zuständig halten: Der Unterausschuss Beteiligungsmanagement und –controling ist zuständig, denn es sollen 25-Jahresverträge geschlossen werden, die nicht kündbar sind und deren Vertragscontrolling sowohl die Beteiligungen des Landes als auch das Land selbst betreffen. Der Unterausschuss Bezirke ist zuständig, denn die Bezirke sollen einerseits in großem Umfang das Land um Amtshilfe ersuchen, gleichzeitig sollen die Bezirke umfangreiche Verträge abschließen und erhebliche Zahlungsverpflichtungen eingehen, die in ihrer Höhe heute noch nicht bekannt sind. Der Unterausschuss Haushaltskontrolle ist aus unserer Sicht zuständig, denn die Haushaltswahrheit und -klarheit könnte durch die Abwanderung ins
Privatrecht gestört werden, darauf weisen auch jüngere Prüfanmerkungen des Landesrechnungshofes hin. Der Unterausschuss Personal und Verwaltung sowie Produkthaushalt und Personalwirtschaft ist zuständig, denn es sollen statt eines Personalaufbaus in öffentlicher Hand nur wenige Stellen in der privatrechtlichen HOWOGE geschaffen werden, das Gros der Planung, Vergabe und Steuerung erfolgt demnach von Privatfirmen, die damit erhebliches derzeit öffentliches Knowhow übertragen bekommen. Der Unterausschuss Vermögensverwaltung ist zuständig, denn durch die Erbbauverträge, die geplanten Stundungen sowie die Deckungszusagen für die Schulmieten der Bezirke wären die Vermögensgegenstände des Landes betroffen.

Mit freundlichen Grüßen
Siegrun Bofinger, Dorothea Härlin, Gerlinde Schermer, Carl Waßmuth und Hannelore Weimar

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