Schulprivatisierung – bisher nur eine kleine Rebellion in Berlin

Ein Gastbeitrag von Katrin Kusche, Berlin

Es rumort in einigen Berliner Stadtbezirken. Die vom Senat im April und Juni beschlossenen Vorlagen und Entwürfe zur Schulbauoffensive Phase I und Phase II schlagen erste Wellen. Aber vielleicht ist es auch nur ein Sturm im Wasserglas, und am Ende zahlen die Berlinerinnen und Berliner für Schulsanierung und -neubau ebenso drauf wie die BürgerInnen in anderen Städten: in Halle oder Magdeburg, in Kaiserslautern, Witten, in Frankfurt am Main oder im Landkreis Offenbach (siehe dazu den Beitrag von Herbert Storn, GEW BV Frankfurt). Dort versprach man sich von neuen Wegen wie öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) nicht nur die Aufhebung des Investitionsstaus im Schulbereich, sondern auch moderne Schulen bei gleichzeitigen Kosteneinsparungen. Am Ende blieben Mehrkosten und Ernüchterung. Aber wer lernt schon gern aus den Fehlern anderer?

Senatspläne: Heimfall & Reinfall

In Berlin plädiert der Senat für gestaffelte Strukturen bei Schulneubau- und -sanierung. Sie sollen sich nach dem Finanzvolumen richten. Einzelvorhaben von bis zu fünf Millionen Euro bleiben in der Verantwortung der Stadtbezirke. Für die Abwicklung von Projekten von jeweils 5,5 bis zehn Millionen Euro möchte der Senat vier Schulsanierungs-GmbHs installieren, die bezirksübergreifend agieren. Und Maßnahmen ab jeweils zehn Millionen Euro sollen völlig aus der Kompetenz der Stadtbezirke herausgelöst und zentral von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen verantwortet werden. Diese will hierzu eine Infrastrukturgesellschaft als mittelbare landeseigene Planungs- und Projektsteuerungsgesellschaft mit eigener Geschäftsführung als Tochter der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE gründen. Das erinnert an die Anfang Juni auf Bundesebene beschlossene Autobahngesellschaft, und für die ersten Kreditaufnahmen über diese neuen Strukturen sind in Berlin selbstverständlich auch schon Pläne vorhanden. Auf der Website der Senatsverwaltung für Finanzen ist zu lesen: „Die HOWOGE wird den Bau der Maßnahmen übernehmen und hierfür Kreditfinanzierung in Anspruch nehmen […] Nach Fertigstellung der Bauten bzw. der Sanierung zahlt das Land Berlin für die Nutzung der Schulräume Miete an die HOWOGE. Nach 20 bis 25 Jahren erfolgt der Heimfall, das Eigentumsrecht an den Liegenschaften geht also zurück an das Land Berlin.“ Ein Diagramm unterlegt das Vorhaben mit Zahlen. Auf Heimfall reimt sich Reinfall. Stichworte sind: Verlust von Entscheidungs-, aber auch fachlicher Planungs- und Verwaltungskompetenz auf Bezirksebene, Forcierung privatrechtlicher Strukturen im Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge, intransparente Entscheidungen, mangelnde demokratische Kontrollmöglichkeiten, verschleierte Haushalte unter anderem durch Strukturen zur Umgehung der Schuldenbremse …

Rebellion der Stadtbezirke bisher zögerlich

Im 11. August tagten in Berlin nun drei Fachausschüsse des Rates der Bürgermeister Berlins und befassten sich mit der sogenannten Schulbauoffensive I und II, die letztlich der Schulprivatisierung neuen Vorschub leisten wird, wenn sie nicht in der vorliegenden Form gestoppt wird.

Die Fachausschüsse „Finanzen, Personal und Wirtschaft“, „Bildung, Wissenschaft, Jugend, Kultur und Europa“ und „Stadtentwicklung, Wohnen, Umweltschutz, Verkehr, Energie und Betriebe“ und erarbeiteten eine Vorlage, die sie dem Rat der Bürgermeister zum Beschluss empfehlen. Der tritt am 24. August zusammen.

Der erste Satz der Beschlussvorlage – Ernüchterung: „Der Rat der Bürgermeister (RdB) möge beschließen: Der RdB begrüßt den Beschluss des Berliner Senats vom 13. Juni 2017 mit dem Titel Konzept ‚Schulbau und -sanierung in Berlin kurz-, mittel und langfristig (Phase I und Phase II)‘.“

Es wird also „begrüßt“. Bleibt die Rebellion der Bezirke aus? Wird der Schulprivatisierung weiter Vorschub geleistet?

Schlau zitieren dann immerhin die Fachausschüsse die Senatsvorlage hinsichtlich der Zuständigkeiten, um dann im Anschluss ihre Interpretation der Dinge als Beschlussvorlage für den Rat der Bezirksbürgermeister festzuklopfen: „Daher fordert der RdB ein Ende der Debatte um eine Veränderung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Bezirken hinsichtlich der Schulträgerschaft und der Zuständigkeiten für den Schulbau. Stattdessen fordert der RdB ein klares Bekenntnis aller politisch Verantwortlichen zur Zuständigkeit der Bezirke und die Konzentration auf schnelle, pragmatische und funktionale Lösungen im Sinne der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte.“

Einige Absätze später geht es dann aber doch darum, „eine einvernehmliche Haltung zu den möglicherweise Struktur ändernden Aspekten der Schulbauoffensive zu formulieren“. Gefordert wird, dass das Schulamt „unabhängig von der Wahl der Baudienststelle immer die Funktion des Schulträgers“ behält. Nach dem kleinen Aufstand hinsichtlich der Trägerschaft nun also ein Kniefall bei den Infrastrukturgesellschaften. Die Fachausschüsse bringen im weiteren Textverlauf ihrer Beschlussvorlage Forderungen zur personellen Ausstattung und zu baulichen Vorgaben vor, um schlussendlich – zumindest für die Projekte über zehn Millionen Euro – die zentrale Abwicklung über eine Investitionsgesellschaft, in diesem Fall eine Tochter der HOWOGE, als Rat der Bürgermeister den Bezirken nahezulegen.

Die dann von den Fachausschüssen formulierten Bedingungen und berechtigten Bedenken unter anderem zum Controlling, zur Trägerschaft und zu fehlenden Kenntnissen sowie zum erforderlichen Wissenstransfer seitens der Bezirke lassen zwar eine gewisse Skepsis dem Modell gegenüber aufscheinen. Die Konsequenz hätte aber die Ablehnung dieser Struktur sein müssen! Sicherlich ist es verlockend, die ab 2020 geltende Schuldenbremse zu umgehen und über Investitionsgesellschaften an zusätzliche Kredite aus der Privatwirtschaft zu kommen und dadurch eventuell schneller bauen und sanieren zu können. Aber die ÖPP-Realität ist eine andere. Meist werden die Projekte teurer, oft sogar bei abgespecktem Umfang. Und auch die Qualität und die zeitliche Realisierung sind in der Regel nicht besser als bei einer konventionellen Realisierung durch die öffentliche Verwaltung.

Positiv auffällt hingegen die kritische Haltung der Fachausschüsse gegenüber den vier vom Senat vorgeschlagenen Schulsanierungs-GmbHs. Die Fachausschüsse schlagen dem Rat der Bürgermeister vor, sie den Bezirken nicht zu empfehlen. Als Gründe werden aufgeführt:

„i. Bis zur Arbeitsfähigkeit der neuen Sanierungsgesellschaften vergehen mindestens zwei Jahre. Dies ist bedingt durch die Schaffung der rechtlichen Grundlagen und durch den praktischen Aufbau einer neuen Organisation mit betriebsinternem Regelwerk, Personalbeschaffung, Budget und Ablauforganisation. Bis dahin geschieht an den betroffenen Schulstandorten nichts außer Notstandsverwaltung. ii. Die Möglichkeit der außertariflichen Vergütung bringt die Bezirke in der Konkurrenz um die identischen Professionen in eine strategisch nachteilige Position mit allen negativen Folgen. Ob durch begleitende Maßnahmen dieser Nachteil ausgeglichen werden kann (siehe oben), ist offen.“

Als Alternative zu den Schulsanierungs-GmbHs wird in dem Papier der Fachausschüsse ein noch von einer Arbeitsgruppe zu definierendes überbezirkliches Kooperationsmodell mit einer gemeinsamen Geschäftsstelle vorgeschlagen. Das bleibt im in den dann folgenden Ausführungen leider nebulös, dennoch ist die grundsätzliche Analyse für den Bereich der Projekte von 5,5 bis zehn Millionen Euro richtig. Warum es bei Projekten über zehn Millionen Euro aber anders aussehen soll und man dort auf eine als ÖÖP (öffentlich-öffentliche Partnerschaft) umgedeutete ÖPP (öffentlich-private Partnerschaft) setzen will, ist umso unverständlicher.

Wenn dann auch noch das Risikomanagement freiwillig an eine Taskforce und eine ihr nachgeordnete Projektgruppe abgegeben wird, sollten alle ÖPP-Alarmglocken schrillen. Gerade bei den Wirtschaftlichkeits- und Risikobetrachtungen wurden sich Projekte regelmäßig schöngerechnet. Bundes- und Landesrechnungshöfe haben das immer wieder moniert. Solche Dinge blauäugig aus der Hand zu geben ist fahrlässig. Da werden auch die in nur acht Zeilen formulierten Forderungen zu Sanierungsfahrplänen und Partizipation (Schulleitung, Eltern- und Lehrervertreter, bezirkliche Gremien) am Schluss der Empfehlung der Fachausschüsse kein ausreichendes Kontrollpotential bilden.

Fehlt es der Verwaltungen in den Bezirken an Mut, Aufgaben, für die sie da sind, selbst wahrzunehmen und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Berlins kompetent und finanztechnisch effizient durchzuführen? Ist es den BerlinnerInnen zuzumuten, langfristig Zusatzkosten tragen zu müssen – womöglich am Ende für weniger neue Schulen oder schlechter ausgeführte Sanierungen, als der Senat jetzt verspricht?

Kooperationsmodell sollte Schule machen

Zaghafter Widerstand regt sich. Das Kooperationsmodell, mit dem die Bezirke Pankow, Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf jetzt vorpreschen und von dem die Berliner Zeitung am 15. August berichtete, weist in die richtige Richtung und sollte Schule machen. Eine gemeinsame Geschäftsstelle soll gleichartige Leistungen wie beispielsweise Projektmanagement oder Leistungsausschreibung bündeln und Vergabeverfahren zentral durchführen – dies unter Mitwirkung der bezirklichen Vergabestellen. Durch das Bündeln des Know-hows wird man stärker, ohne sich selbst aus der bezirklichen Verantwortung zu entlassen. Dem Vordringen privatrechtlicher, intransparenter, bürger- und verwaltungsferner GmbHs wird so ein Riegel vorgeschoben. Warum nicht auch für die großen Schulneubau- und Sanierungsprojekte über zehn Millionen Euro? Mehr Mut bitte!

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