ÖPP-Museum der Moderne? In Berlin zeigt Widerstand Wirkung

ÖPP-Museum der Moderne? In Berlin zeigt Widerstand Wirkung

Von Ulrike von Wiesenau

Neues Museum der Moderne, Berlin. Das nächste Großbauprojekt, das auf die Hauptstadt zukommt. Es hätte als ÖPP-Desaster enden können. Denn auch bei diesem Museum, einem der aktuell herausforderndsten und spannendsten Kultur-Bauprojekte der Stadt, schien es anfänglich so, als ob die neoliberalen Kräfte, die selbst im Bereich der Gemeingüter weitgehende Privatisierungen durchsetzen wollen, die Oberhand behalten würden. Das neue Prestigeobjekt am Kulturforum, als Zusammenführung dreier Sammlungen von privaten Mäzenen zur Berliner Kunst des 20. Jahrhunderts vorgesehen, sollte in der Form einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) realisiert werden: Drei Mäzene – zwei davon aus dem Bereich des Bauwesens – spendieren die Kunstwerke, der Bund finanziert den Bau und Berlin zahlt die Kosten für den laufenden Betrieb. Per Bundestagsbeschluss waren im November 2014 vom Bund 200 Millionen Euro zur Finanzierung des neuen Museumsbaus zugesichert worden. Doch nicht das Bundesamt für Bauwesen oder eine andere Bundesbehörde sollte das Museum bauen und die nächsten 30 Jahre betreiben, sondern ein Baukonzern. Deswegen wurde die ÖPP Deutschland AG mit einem Gutachten beauftragt, das die Wirtschaftlichkeit von ÖPP im vorliegenden Fall ermitteln sollte [1]. Die ÖPP Deutschland AG gehörte zu diesem Zeitpunkt zu 53 Prozent dem Bund und zu 47 Prozent der Bauindustrie, die Bauindustrie stellte jedoch den Vorstandsvorsitzenden. Man kann annehmen, dass die ÖPP AG nicht frei von Interessen der Bauindustrie war, als sie in einem 17-seitigen vertraulichen Gutachten das Projekt Museum der Moderne als grundsätzlich ÖPP-tauglich klassifizierte.

Auf einer Sondersitzung im Juli 2015 bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestags die ersten 2,4 Millionen Euro. Anfang des folgenden Jahres präsentierten Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, dann zehn Entwürfe aus einem internationalen Ideenwettbewerb von Architekten. Von Anfang an hatte die Debatte zum Neuen Museum der Moderne einen Beigeschmack. Noch bevor die Kulturstaatsministerin den „Ideenwettbewerb“ einläutete, hatte sie den Standort des Neubaus in der Potsdamer Straße festgelegt und damit die Expertise und die Phantasie der Stadtplaner und Architekten an die Kette gelegt. Als Argument für die angebliche Alternativlosigkeit dieses Standorts führte Monika Grütters an, dass der Bund „Mittel für einen Museumsbau“, nicht aber „für städtebauliche Visionen“ zugesagt habe – eine Aussage, die im Widerspruch zur Auffassung des Haushaltsausschusses stand, der die städtebauliche und kulturelle Diskussion offenhalten wollte. Ganz anders als Frau Grütters sah es auch Wilfried Wang, Architekt und Publizist: „Die Errichtung des Museums des 20. Jahrhunderts (M20) verpflichtet die für das Projekt Verantwortlichen dazu, den öffentlichen Raum in ein lebendiges, kulturell aktives Forum zu verwandeln. Im Interesse eines schlüssigen städtebaulichen Gesamtkonzeptes sollten das M20 und die Freiraumplanung die gestalterische und räumliche Eigenständigkeit von Stülers Matthäuskirche, Scharouns Bauten für die Musik und die Staatsbibliothek sowie Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie berücksichtigen und entsprechende Abstände wahren. Als zentrales Gebäude sollte sich das M20 in das Kulturforum integrieren und sich mit öffentlichen Angeboten und Funktionen dem Außenraum zuwenden. Die Potsdamer Straße umzubauen und in das Kulturforum zu integrieren ist eine unabweisbare und weit in die Zukunft wirkende Aufgabe, an deren Bewältigung der Senat von Berlin, der Bund, die Nutzer und Architekten zusammenwirken müssen.“

Monika Grütters autokratische Entscheidung über den Standort und ihre Bereitschaft, eine investorgesteuerte Architektur in Kauf zu nehmen, ergaben sich ganz offensichtlich aus der Absicht, das Museum der Moderne als ÖPP-Modell zu errichten. Dazu konstatierte die Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) in einer Pressemitteilung: Die Einbindung privaten Kapitals in die Errichtung öffentlicher Institutionen werde den Bau teurer machen, als er im Falle einer rein öffentlichen Realisierung sei. Darüber hinaus würde auf diese Weise zu einer von den Investoren dominierten Ästhetik kommen, obwohl durch die 200 Millionen-Zusage des Bundes eine großzügige Finanzierung gesichert sei, die ganz andere ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten eröffne.

Das Bundesamt für Bauwesen (BBR) hätte als öffentlicher Bauherr das Museum und die anzustrebende Urbanität am Kulturforum ohne private Beteiligung in adäquater Qualität realisieren können. Das Amt verfügt über große Erfahrung in der Umsetzung von Bauaufgaben – gelungene Neubauten und Sanierungen wie auf der Museumsinsel zeigen, dass es in der Lage ist, mit Architekten und Fachleuten Baukultur auf hohem Niveau zu realisieren. Doch Frau Grütters war der Auffassung, das BBR könne das Museum nicht unter Einhaltung des Kostenrahmens bauen, und schwärmte in einem Interview von ÖPP als „eine neue Baupraxis“, die man erproben wolle, ein Verfahren das „Neuland für alle“ sei. Und das, obwohl das Finanzierungsmodell ÖPP längst durch verunglückte Projekte in anderen Bereichen, durch wissenschaftliche Studien und durch wiederholt kritische Einschätzungen von Rechnungshöfen mehr als in Frage gestellt worden war. Eine „neue Baupraxis“, die in Deutschland eine über zwanzigjährige Geschichte des Scheiterns geschrieben hat.
Vor diesem Hintergrund trat am 22. April 2016 ein von GiB organisiertes Bündnis mit einer Presseaktion am Kulturforum an die Öffentlichkeit, um gegen die Pläne von Kulturstaatsministerin Grütters zu protestieren, das neue Museum der Moderne mittels Öffentlich-Privater Partnerschaften bauen zu lassen. Bei der Realisierung eines staatlichen Museums dieser Größenordnung und Bedeutung für das Gemeinwesen müssten Unabhängigkeit der Entscheidung, öffentliche Beteiligung, Mitsprachemöglichkeit für unabhängige Fachleute und Transparenz oberste Priorität haben, hieß es in der Pressemitteilung. Es müsse vielmehr ein Museum entstehen, das von den Bürgerinnen und Bürgern als Gemeingut der Kultur getragen und finanziert werde. Namhafte Akteure aus Politik, Kultur, Gesellschaft und Medien wandten sich in Stellungnahmen gegen ein neues ÖPP-Projekt, das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ähnlich teuer zu stehen kommen drohte wie das ÖPP-Projekt Elbphilharmonie Hamburg, das statt der anfangs veranschlagten 77 Millionen insgesamt 789 Millionen Euro kostete. Zahlreiche Veranstaltungen zu diesem Thema und ein von GiB initiiertes Fachgespräch „Gutes öffentliches Bauen“ im Deutschen Bundestag hatten eine wachsende kritische Öffentlichkeit auf den Plan gerufen.

Anfang 2017 zeichnete sich dann immer deutlicher ab: Das Geschäftsmodell der Öffentlich-Privaten Partnerschaften kann für das Museum der Moderne politisch nicht durchgesetzt werden. Monika Grütters ließ schließlich in einer von GiB angeforderten Stellungnahme am 10. April mitteilen: „Der Landesbetrieb Bundesbau Baden-Württemberg ist seit Ende Januar 2017 beauftragt, für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum zu errichten. Damit ist die Erwartung verbunden, das Gebäude auf konventionelle Weise und nicht als ÖPP-Maßnahme zu realisieren. Der Grund für diese Entscheidung lag darin, dass es begründete Zweifel an der Wirtschaftlichkeit einer ÖPP-Maßnahme bei diesem herausragenden Projekt gab sowie Zweifel daran, ob die architektonische Qualität, die ein Museum an diesem Ort erfordert, durch eine ÖPP-Maßnahme erreicht werden kann. Daher haben auch die Abgeordneten des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags die Erwartung formuliert, dass das Museum konventionell realisiert werden soll. Mit einer konventionellen Umsetzung trägt man zudem der Kritik aus Kreisen der Architektenkammern und der Öffentlichkeit Rechnung.“

Lisa Paus, MdB (Bündnis 90/Die Grünen), eine der Initiatorinnen des Bündnisses, kommentierte die Absage: „Wie bei der Autobahngesellschaft sollten auch beim Museum der Moderne durch die Konstruktion ÖPP private Investoren mit teuren Krediten in das Projekt geholt werden. Es ist gut, wenn ÖPP jetzt beim MuMo wirklich vom Tisch sein sollte. Denn es bedeutet viele Risiken und Einschränkungen, privaten Investoren Rechte an öffentlichen Bauten einzuräumen.“ Kampagnen-Unterstützerin Sahra Wagenknecht, MdB (Die Linke) äußerte sich zu der Entwicklung wie folgt: „Unser Druck hat etwas bewirkt: Das neue Museum der Moderne wird nicht als teures ÖPP-Projekt realisiert. Das ist ein wichtiger Erfolg, der Mut macht. Gemeinsam können wir verhindern, dass private Investoren sich an öffentlichen Aufgaben bereichern und die Bürgerinnen und Bürger dafür gnadenlos abkassiert werden.“

Gemeingüter sind die Krongüter der Demokratie. Es steht einer Demokratie gut zu Gesicht, wieder selbst zu bauen und zu betreiben, anstatt durch ÖPP-Interessenvertreter öffentliche Bauvorhaben lediglich zu verteuern. Dass das teure und intransparente Geschäftsmodell ÖPP für das Museum der Moderne politisch nicht durchgesetzt werden konnte, setzt ein deutliches Signal gegen die Dominanz privater Investoren in Bauprojekten des Gemeinwesens. Es zeigt, dass die Menschen genug haben von privatrechtlichen Geheimverträgen, Gewinngarantien und der Paralleljustiz internationaler Schiedsgerichte, die die Demokratie unterwandern. Und dass ihre kritische Präsenz, stetige Nachfragen und die Kraft gesellschaftlicher Bündnisse einen Rechtfertigungsdruck der Politik zur Folge haben, der nicht unterschätzt werden darf.
GiB feiert seinen Erfolg: Das Museum der Moderne wird öffentlich gebaut. Widerstand zeigt Wirkung – der Bund hat umgesteuert!

Erstunterzeichnende des Aufrufs „PPP-Projekt Museum der Moderne? – Kulturstaatsministerin muss umsteuern!“ vom April 2016:

Prof. Dr. Bodo A. Bischoff, Musikwissenschaftler; Dr. Michael Efler; Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen a.D. (SPD); Sven Giegold, MdEP (Bündnis 90/Die Grünen); Dr. Eva Högl, MdB (SPD); Prof. Barbara Hoidn, Architektin; Sigrid Hupach, MdB (Die Linke), Ausschuss für Kultur und Medien; Kurt Jotter (Büro für ungewöhnliche Maßnahmen); Cansel Kiziltepe, MdB (SPD); Renate Künast, MdB (Bündnis 90/Die Grünen); Katrin Lompscher, MdA (Die Linke), Sprecherin für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen; Dr. Gesine Lötzsch, MdB (Die Linke); Alfred Luggenhölscher, Architekt und Stadtplaner, Bund Deutscher Architekten (BDA); Philipp Magalski, (Piraten), Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten; Prof. Dr. Andrea Muehlebach, Ethnologin; Lisa Paus, MdB (Bündnis 90/Die Grünen); Dr. Werner Rügemer, Publizist; Gerlinde Schermer, SPD-Bundesparteitags-Delegierte, MdA a. D.; Ingo Schulze, Schriftsteller; Prof. Dr. Jürgen Schutte, Literaturwissenschaftler; Notker Schweikhardt, MdA (Bündnis 90/Die Grünen); Ulrike von Wiesenau, Demokratie-Expertin (GiB/Institut für soziale Gegenwartsfragen); Dr. Sahra Wagenknecht, MdB (Die Linke); Prof. Wilfried Wang, Architekt und Publizist; Carl F. Waßmuth, Vorstand Gemeingut in BürgerInnenhand.

Ulrike von Wiesenau arbeitet als Beraterin von NGOs, internationalen Organisationen und Regierungsdelegationen und setzt sich als Demokratie-Expertin bei Gemeingut in BürgerInnenhand und im Vorstand des Freiburger Instituts für soziale Gegenwartsfragen für den Erhalt und die Demokratisierung der Daseinsvorsorge ein.

Anmerkung:

[1] ÖPP Deutschland AG: Die ÖPP Deutschland AG wurde zum 1. 1. 2017 umfirmiert in Partnerschaft Deutschland (PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH). Die privaten Anteile wurden zurückgekauft. Die PD jedoch ist weiterhin ein Beratungsunternehmen für öffentliche Auftraggeber zur Förderung Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP).

Der Beitrag erschien in:  LunaPark21-Extraheft: Doppelnummer zu ÖPPAusgabe 16/17, Winter 2017/18, 72 Seiten, 6,50 € (D/A), 8,50 € (CH), 6,90 (BENELUX), ISSN 1866-3788. Wir danken LunaPark21 für die Genehmigung zur Veröffentlichung.

Das Heft kann kostenlos bei Gemeingut in BürgerInnenhand bestellt werden! Spenden sind selbstverständlich willkommen.

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