Beschluss des Koalitionsausschusses: die Schlupflöcher für Privatisierungen bleiben

Gestern tagte der Koalitionsausschuss und behandelte unter anderem das Thema Gründung der Bundesfernstraßengesellschaft. Dazu steht es im Beschluss des Koalitionsausschusses:

„Wir bekräftigen den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 8.12.2016.
Bei der Gründung der Bundesfernstraßengesellschaft wird es keine Versetzung von Beschäftigten gegen ihren Willen geben. Für die Überleitung der Beschäftigten werden Überleitungstarifverträge angestrebt. Personalvertretungen werden in die Arbeit des Gremiums, das den Personalübergang begleitet, eng eingebunden.
Es wird keine Privatisierung der Bundesstraßen geben. Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz regelt das unveräußerliche Eigentum der Infrastrukturgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften im Grundgesetz.
Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird nicht erfolgen.
Die Beschaffung im Rahmen von ÖPP erfolgt nur auf der Ebene von Einzelprojekten. Das bedeutet, dass ÖPP im Gesamtnetz und bei Teilnetzen ausgeschlossen ist.
Der Bundestag wird bei der Gründung und Kontrolle der Gesellschaft eng eingebunden.“

Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) kommentiert diesen Beschluss wie folgt:

„Wir bekräftigen den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 8.12.2016.“
Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 8.12.2016 hat zu dem Gesetzentwurf geführt, der uns ja vorliegt (mit Abweichungen, die die Länder aber offenbar zu tolerieren beabsichtigen). Mit diesem Gesetzentwurf wird massiv die Privatisierung der Autobahnen ermöglicht. Das zu bestätigen ist also keine Heldentat, sondern fatal.

„Bei der Gründung der Bundesfernstraßengesellschaft wird es keine Versetzung von Beschäftigten gegen ihren Willen geben.“
Aber der Bund darf sich einige wenige aussuchen, und die Ländern dürfen / müssen die anderen dann betriebsbedingt kündigen. Außerdem: „Bei der Gründung“: Und was ist danach?

„Für die Überleitung der Beschäftigten werden Überleitungstarifverträge angestrebt.“
Was man braucht, sind Tarifverträge. Nicht nur Überleitungstarifverträge.

„Personalvertretungen werden in die Arbeit des Gremiums, das den Personalübergang begleitet, eng eingebunden.“
Wenn es etwas gibt, was schon tausendfach gebrochen wurde, dann ist es dieses – völlig unverbindliche – Versprechen der Politik.

„Es wird keine Privatisierung der Bundesstraßen geben.“
Das ist ja nun wirklich nichts Neues. Das steht jetzt schon im Grundgesetz, und auch in dem neuen Gesetzentwurf. Aber es ist gleichzeitig irrelevant, solange das wirtschaftliche Eigentum an die geplante Gesellschaft übertragen werden kann und soll. Damit kann man alles, was es bei den Autobahnen gibt und mit Geld zu tun hat, privatisieren. Siehe dazu die Gutachten, und zwar auch die der Gutachter der Regierungsparteien Prof. Hermes und Prof. Gröpl.

„Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz regelt das unveräußerliche Eigentum der Infrastrukturgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften im Grundgesetz.“
Der Gesetzentwurf erlaubt aktuell noch den Verkauf von Tochtergesellschaften. Und obendrein jede Menge anderer eigenkapitalähnlicher Anlageformen.

„Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird nicht erfolgen.“
Damit ist eine Gründungsverschuldung nicht ausgeschlossen. Die neue Infrastrukturgesellschaft Verkehr kauft das wirtschaftliche Eigentum an den Fernstraßen vom Bund und bezahlt dafür (wie am Montag vom Gutachter Prof. Beckers genannt) z.B. 85 Mrd. Euro. Das ist dann keine Übertragung von Altschulden. Der Bund kann mit dem Geld ja auch was anderes machen, als Altschulden tilgen.

„Die Beschaffung im Rahmen von ÖPP erfolgt nur auf der Ebene von Einzelprojekten.“
Was heißt hier „nur“? So kann man Stück für Stück über ÖPP das ganze Volumen von Autobahnbau und Betrieb privatisieren.

„Das bedeutet, dass ÖPP im Gesamtnetz und bei Teilnetzen ausgeschlossen ist.“
So ein Ausschluss ist nur dann wirksam, wenn es gesetzlich bzw. grundgesetzlich erfolgt. Dafür gibt es weder national noch international ein Vorbild. Die SPD-Fraktion hat lobenswerter Weise Gutachter beauftragt, ihnen zu sagen, wie das gehen könnte. In der Antwort steht unter anderem:

„Es ist in der Rechtsordnung weder der Begriff der funktionalen Privatisierung noch die Einschaltung Privater in die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben nach dem Typus „ÖPP“ klar definiert oder abgegrenzt. Jeder Versuch, funktionale Privatisierungen oder ÖPP im Zusammenhang mit der Planung, dem Bau oder dem Betrieb von Bundesfernstraßen rechtlich zu beschränken, sieht sich deshalb mit der Notwendigkeit konfrontiert, diese Erscheinungsformen der Einbeziehung Privater zu definieren und gegenüber anderen – nicht verbotenen oder beschränkten – Formen abzugrenzen. Dabei kann die Gesetzgebung nicht auf klar vorgeformte Begriffe zurückgreifen.“

Unsere Einschätzung ist: ÖPP lässt sich auf diesem Weg nicht ausschließen. Zumal wenn die, die diese Gesetzentwürfe juristisch abfassen, gar kein Interesse daran haben, dass das juristisch wasserdicht wird. Wenn man ÖPP verhindern will, muss man die Kontrolle über die Struktur behalten, die die ÖPP-Verträge unterzeichnen darf. Oder dann eben das ganze Gesetz bleiben lassen.

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