Faktenblatt Nr. 6: Alternative Finanzierungsmodelle zu PPP

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Faktenblatt Nr. 6: Alternative Finanzierungsmodelle zu PPP

Faktenblatt Nr. 6 • Hrsg. Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V.

Zusammengestellt von Frank Kuschel, Redaktion: Carl Waßmuth – Dezember 2011

Faktenblatt zum herunterladen: FB-06 PPP – Alternative Finanzierung

„Entweder wir machen es per PPP – oder wir dürfen es gar nicht machen.“ Die Schule ist marode, das Schwimmbad muss saniert werden, eine neue Stadthalle wird benötigt, der vielbefahrene Autobahnabschnitt ist nur zweispurig ausgebaut. Die verantwortlichen PolitikerInnen sehen sich in der Zwickmühle: Sie tragen die Verantwortung für den Erhalt und Ausbau von Einrichtungen und Infrastruktur der Daseinsvorsorge. Gleichzeitig lässt genau das die allgemein vorhandene hohe Verschuldung nicht mehr zu  – es sein denn per PPP. Wir zeigen, dass diese Argumentation konstruiert ist und stellen 21 Auswege zur Diskussion – vom grundsätzlichen Verfahren bis zu ganz konkreten Ansätzen.


PPP-Modelle sind Ausdruck und Folge der kommunalen Finanzkrise, die sich nicht erst jetzt im Rahmen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise offenbart, sondern vielmehr bereits seit rund 25 Jahren ihre Auswirkungen „entfaltet“. PPP-Modelle sind jedoch auch Bestandteil eines neoliberalen Wirtschaftsverständnisses, wonach marktwirtschaftliche Regularien auch das kommunale und öffentliche Handeln bestimmen sollen und der Staat sich auf die Wahrnehmung so genannter „Kernaufgaben“ beschränken soll.

Der kommunale Investitionsbedarf beträgt nach Untersuchungen des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIfU) jährlich rund 47 Mrd. Euro (Ersatzinvestition zum Erhalt der kommunalen Infrastruktur und Investitionen zur Schließung noch vorhandener Infrastrukturlücken). Gegenwärtig investieren die Kommunen jährlich rund 20 Mrd. Euro, davon rund 16 Mrd. Euro Bauinvestitionen. Hier wird sichtbar, dass es einen erheblichen „freien“ Investitionsbedarf gibt. Der aufsummierte Investitionsstau sich laut DIfu bis 2020 auf über 700 Milliarden Euro auftürmen.

Aufgrund der angespannten Finanzsituation der Kommunen versuchen diese, über so genannte alternative Finanzierungsmodelle wie PPP diesen „freien“ Investitionsbedarf abzudecken. Die Finanzwirtschaft sieht in den PPP-Modellen eine äußerst lukrative Finanzanlageform für private Investoren. Im Zusammenhang mit der Kritik an PPP muss eine Diskussion zu Alternativen für die Kommunen geführt werden.

Bundes- und Länderweite Handlungsoptionen

1. Reform der Kommunalverfassung

Erhöhung der kommunalen Steuerquote von gegenwärtig 11,9 % auf 20 %: Die kommunalen Steuereinnahmen würden sich dadurch um rund 45 Mrd. Euro erhöhen. Die kommunalen Steuereinnahmen sind insbesondere durch eine Reform der Gewerbesteuer von ihrer Konjunkturanfälligkeit zu befreien.

2. Reform der kommunalen Finanzausgleichssysteme der Länder

Da die Kommunen verfassungsrechtlich Bestandteil der Länder sind, sind diese verpflichtet, für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen. Das Thüringer Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom Mai 2005 entschieden, dass eine angemessene Finanzausstattung eine freie Finanzspitze für die Wahrnehmung so genannter freiwilliger Aufgaben von 5 – 10 % der Verwaltungsausgaben einschließt.

3. Bildung eines kommunalen Schuldenfonds bei den Ländern

Die kommunalen Schulden sind dabei bei den Ländern in einem Sondervermögen zusammenzufassen. Dabei ist zu klären, wie die Finanzierung dieses Sondervermögens (Tilgung + Zinszahlung) erfolgt. Möglich wäre ein Schuldenmoratorium (Zins- und Teiltilgungserlass). Denkbar ist auch die Finanzierung über die kommunalen Finanzausgleichssysteme (Entnahme aus der Finanzausgleichsmasse). Die Kommunen würden in diesen Fällen von den Tilgungs- und Zinszahlungen befreit (Entlastungseffekt …).

Kommunale Handlungsoptionen

4. ÖÖP-Modelle

(Öffentliche-Öffentliche Partnerschaften)

Anwendung der PPP-Mechanismen unter Einbeziehung öffentlicher Partner (Landesbanken, Landesförderbanken, Sparkassen)

 5. Eigenbetriebsmodell

Realisierung von kommunalen Investitionen in der Form kommunaler Eigenbetriebe. Eigenbetriebe sind Sondervermögen der Kommunen und unterliegen der demokratischen Kontrolle und Steuerung durch die gewählten Gremien. Als Sondervermögen können Eigenbetriebe eigenständig und unabhängig von der Kommune Kredite für die Zwischenfinanzierung von Investitionen aufnehmen.

Aufwendungen, die der Eigenbetrieb nicht durch die eigene Geschäftstätigkeit erwirtschaftet, muss die Kommune innerhalb von fünf Jahren ausgleichen. Bei Investitionen würde somit der kommunale Haushalt jährlich maximal mit den Kapitaldienstkosten für die Investitionen belastet. Das Jährlichkeitsprinzip wird durchbrochen.

 6. Eigengesellschaftsmodell

Kommunale Investitionen können auch durch kommunale Eigengesellschaften realisiert werden. Hier kommt es jedoch zum Spannungsverhältnis zwischen öffentlichen- und Gesellschaftsrecht. Im Regelfall wird dem Gesellschaftsrecht ein Vorrang eingeräumt. In dem Zusammenhang kann es zu Problemen hinsichtlich der demokratischen Steuerung und Kontrolle kommen. Dies kann durch einen so genannten beherrschenden

Gesellschaftervertrag nivelliert werden. Beim beherrschenden Gesellschaftervertrag ist geregelt, dass wesentliche Entscheidungen der Gesellschaftsorgane der Zustimmung der Beschlussorgane der Kommune bedürfen. Bei der Eigengesellschaft kommen so genannte Steuersparmodelle zur Anwendung (Reduzierung der Körperschafts- und Kapitalertragssteuerpflicht). Zudem kann die Wirkung des steuerlichen Querverbundes zwischen eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Bereichen einer Gesellschaft zur Entfaltung kommen. Hier gibt es vereinzelt Probleme der verdeckten Gewinnausschüttung.

 6a. Holdingmodell

Durch die Ausgründung von Tochtergesellschaften kann eine Trennung von Vermögen und Betreibung erfolgen. Über den steuerlichen Querverbund können finanzielle Vorteile erzielt werden.

Besonderheit: Konzessionsverträge ÖPNV

Hier darf die Haltergesellschaft an den Betreibergesellschaften nur einen Gesellschaftsanteil von max. 33 % haben. Anderenfalls würde die Holding steuerlich als Einheit betrachtet.

 7. Bürgschaftsmodell

Beim Bürgschaftsmodell realisieren Dritte (Eigenbetrieb, Eigengesellschaft, Unternehmen mit kommunaler Beteiligung, Anstalt des öffentlichen Rechts, freier Träger, Privater) Investitionen der kommunalen Infrastruktur. Durch die kommunale Verbürgung werden die Kapitaldienstkosten reduziert. Die Bürgschaften dürfen nur als Ausfallbürgschaften ausgestaltet werden. Die Bürgschaften werden bei der Bewertung der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune als Eventualverbindlichkeiten mit bewertet.

8. Anleihemodell

Ausreichung von kommunalen Anleihen für die Finanzierung kommunaler Investitionen Die Kommunen können sich dadurch notwendige Finanzmittel außerhalb des klassischen Finanzmarktes beschaffen. Es gibt rechtsaufsichtliche Genehmigungsprobleme. Kommunale Unternehmen haben leichteren Zugang zu Anleihemodellen.

 9. Kommunale Schuldverschreibungen

Die Stadt Quickborn hat dieses Modell zur Anwendung gebracht. Bis zu 2 Mio. Euro wollte die Stadt dadurch einnehmen. Das Land und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin haben zwischenzeitlich die Weiterführung dieses Modells untersagt, da ein Verstoß gegen das Kreditwesengesetz vorläge. Kommunen dürfen keine Finanzdienstleistungen anbieten. Ausnahme bilden die Trägerschaft für Sparkassen. Für kommunale Unternehmen dürften derartige Schuldverschreibungen leichter realisierbar sein.

 10. Inhaberschuldverschreibungen

Wird durch einige Wohnungsgenossenschaften realisiert. Voraussetzung ist, dass die Kreditgeber in einem Eigentümerverhältnis zum Gläubiger stehen. Dies wird bei Genossenschaften bejaht. Um dieses Modell auf Kommunen anzuwenden, müssten Kommunen ermächtigt werden, kommunale Genossenschaften oder kommunale Aktiengesellschaften zu bilden. Die Inhaberschuldverschreibungen sind für Bürger ein interessantes und risikofreies Anlagemodell. Zudem beeinflusst es das Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger positiv.

 11. Genossenschaftsmodell

Über kommunale Genossenschaften können ebenfalls Investitionen realisiert werden. Die Wirkung der genossenschaftlichen Demokratie kommt hier zur Anwendung. Gegenwärtig gibt es hier noch kommunalrechtliche Beschränkungen.

 12. Bürgergenossenschaften

Können bei Einzelprojekten wie Bürgerkraftwerk zum Einsatz kommen.

 13. Sondervermögen

Auslagerung von kommunalen Schulden in ein Sondervermögen

Gefahr: Schattenhaushaltswirtschaft

14. Flexibilisierung des Haushaltsrecht

Unterscheidung zwischen rentierlichen und unrentierlichen Investitionen im Zusammenhang mit der Genehmigung kommunaler Kredite

15. Form der kommunalen Gemeinschaftsarbeit

Insbesondere durch die Übertragung von Aufgaben auf kommunale Zweckverbände können kommunale Investitionen gemeinsam durch mehrere Kommunen realisiert werden.

16. Kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts (Bayern)

Organisationsform für die wirtschaftliche Betätigung, die zwischen dem kommunalen Eigenbetrieb und der kommunalen Eigengesellschaft angesiedelt ist.

17. In-Haus-Geschäfte

Bei der Vergabe von Aufträgen und Leistungen kann auf eine Ausschreibung verzichtet werden, wenn die Auftragsvergabe an ein kommunales Unternehmen ohne Beteiligung privater Dritter erfolgt.

18. Darlehensgewährung zwischen Kommunen und kommunalen Unternehmen

Kommunale Unternehmen verfügen über finanzielle Rücklagen, die an die Kommunen als Darlehen ausgereicht werden könnten. Die Zinsgestaltung ist dabei im Wesentlichen frei.

19. Stärkung der Kommunalwirtschaft durch die Bildung von Fiskalvermögen

Nach § 66 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung können kommunale Unternehmen in Thüringen auch ausschließlich als Fiskalvermögen ausgestaltet sein. Ziel der unternehmerischen Tätigkeit ist dabei die Erzielung eines fiskalischen Ertrages für den kommunalen Haushalt. Dieses Modell ist eine geeignete Alternative für kommunale Unternehmen, bei denen der öffentliche Auftrag entfallen ist und deshalb im Regelfall zu privatisieren wäre. In anderen Bundesländern gibt es diese Möglichkeit der Bildung des Fiskalvermögens noch nicht.

20. Stiftungsmodell

Durch die Bildung von kommunalen Stiftungen eröffnen sich ebenfalls Möglichkeiten zur Realisierung kommunaler Investitionen, und zwar unabhängig vom jeweiligen kommunalen Haushalt.

21. Gemeinschaftsunternehmen Land und Kommunen

Zur Realisierung von Investitionen können das Land und Kommunen Gemeinschaftsunternehmen gründen. Dies stößt auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Kommunen verfassungsrechtlich Bestandteil der Länder sind.

Weitere Problembeschreibungen:

  • Rolle der Rechtsaufsichtsbehörden
  • Verbot der Erbringung von Finanzdienstleistungen
  • Beschränkung beim kommunalen Wirtschaftsrecht
  • Schranken des kommunalen Haushaltsrechts

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