Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) hat am 3. Januar 2018 mit einer Pressekonferenz die Volksinitiative „Unsere Schulen“ gestartet. Warum?
Der Berliner Senat plant eine sogenannte Schulbauoffensive. Innerhalb von zehn Jahren will er mit 5,5 Milliarden Euro Schulbauten sanieren und neue Schulen bauen. Das klingt gut, hat aber einen Haken:
Die rot-rot-grüne Regierung will mindestens 15 der geplanten 59 Schulneubauten über die Wohnungsbaugesellschaft Howoge abwickeln. Gleiches droht weiteren 20 Neubauschulen sowie allen Großsanierungen (Schulsanierungen mit mehr als 10 Millionen Euro). Hier hält sich der Senat seit Monaten mit konkreten Aussagen zurück, nachdem er zunächst alle Neubau- und Großsanierungsvorhaben über eine Tochter-GmbH der Howoge abwickeln wollte (vgl. Pressemitteilung des Senats vom 27. Juni 2017). Befürchtet werden muss aufgrund der Vorkehrungen, die das Abgeordnetenhaus im Haushaltsgesetz 2018/19 am 19. Dezember 2017 beschlossen hat (§ 7), dass diese 20 Schulen sowie die Großsanierungen in Form Öffentlich-Privater-Partnerschaften (ÖPP) realisiert werden sollen.
Was ist problematisch daran?
Bisher befinden sich die öffentlichen allgemeinbildenden Schulen Berlins im Eigentum der öffentlichen Hand. Mit den oben genannten Plänen ändert sich das. Es erfolgen Privatisierungen.
Die Howoge ist eine GmbH. Sie befindet sich zwar in Landeseigentum, unterliegt aber als GmbH vollumfänglich dem Privatrecht.
Schulen und Bauaufträge, eventuell auch die Schulgrundstücke, im Volumen von mehreren Milliarden Euro werden aus der öffentlichen Hand herausgelöst und an die GmbH ausgelagert. Das bedeutet eine formelle beziehungsweise Rechtsformprivatisierung. Eigentümer ist dann die GmbH. Bisher liegen Bau- und Sanierungsmaßnahmen in der Verantwortung der Stadtbezirke. Sie werden künftig zu Mietern.
Damit ändert sich auch das Hausrecht. Werden künftig Vereine, Sportgruppen et cetera Schulen und Turnhallen noch nutzen können? Und wenn ja, zu welchen Konditionen? Wie wird die Howoge GmbH die Schulen vermarkten? Wird Werbung in und an den Schulen Einzug halten?
Als privatrechtlich organisierte juristische Person entzieht sich die Howoge GmbH den demokratisch legitimierten Kontrollinstanzen, selbst wenn sie als landeseigene GmbH ausgeprägt ist. Auskunftsrechte der BürgerInnen müssen künftig hinter dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zurückstehen. Auch das öffentliche Vergaberecht gilt nicht mehr.
Vor allem aber kann von der neuen Schul-GmbH aus weiter privatisiert werden. Darüber entscheidet dann das GmbH-Management: Kreditaufnahmen am privaten Kapitalmarkt, Einbezug von PrivatinvestorInnen auf Projektebene – das alles wird möglich. Auch kann die Howoge GmbH selbst später teilweise oder ganz verkauft werden, zum Beispiel von der nächsten Regierung. Die Berliner Schulen werden damit für PrivatinvestorInnen geöffnet, und zwar von einer rot-rot-grünen Regierung.
Auch die eventuell zum Einsatz kommenden Öffentlich-Privaten Partnerschaften stellen eine Form der Privatisierung dar, in diesem Falle eine funktionale. Seit Jahren sorgen ÖPP-Projekte für Negativschlagzeilen., zum Beispiel im Bereich der Schulen (Landkreis Offenbach) oder im Autobahnbau und –betrieb (A1 mobil GmbH). Ihr finanzielles Desaster geht regelmäßig zulasten der öffentlichen Hand und damit der SteuerzahlerInnen.
Wir wollen die Schul-GmbH und Schul-ÖPP und damit die Schulprivatisierung verhindern! Mit der Volksinitiative „Unsere Schulen“ greifen wir ein und ziehen die Notbremse.
Was wir wollen
Unsere Schulen müssen öffentlich bleiben! Schulimmobilien und -grundstücke dürfen nicht in das Privatrecht übertragen werden!
Wir fordern:
- Schulen öffentlich bauen, erhalten, betreiben und finanzieren statt Übertragung von Schulen in eine privatrechtliche GmbH oder ÖPP-Schulen
- Ausbau des Personals in den Schulen und Bauämtern in öffentlicher Hand statt Spardiktat und Abwerben von Fachkräften durch die GmbH
- Schulgebäude und -grundstücke im Eigentum der Bezirke belassen, statt die Bezirke zu Mietern ihrer Schulen zu machen
Die Berliner Schulen müssen im öffentlichen Eigentum mit öffentlichen Geldern saniert und ausgebaut werden – das ist der schnellste Weg und auch das sicherste, günstigste und demokratischste Vorgehen.
Wie funktioniert die Volksinitiative „Unsere Schulen“?
Wenn wir innerhalb von 6 Monaten 20.000 gültige Unterschriften sammeln, muss das Abgeordnetenhaus uns in den betroffenen Ausschüssen anhören. Unterschreiben können Personen, die in Berlin ihren Hauptwohnsitz haben und mindestens 16 Jahre alt sind. Wir hoffen, dass wir nicht volle 6 Monate zum Sammeln der Unterschriften benötigen, sondern schneller fertig werden. Deshalb steht keine Frist auf den Unterschriftenlisten, bitte unterschreiben Sie jetzt und schicken Sie uns die Liste rasch ins Büro (Gemeingut in BürgerInnenhand, Weidenweg 37, 10249 Berlin).
3 Minuten vorbei! Ab hier: Bonustrack
Warum ist solch ein Aufwand nötig?
Die Abgeordneten, die eingreifen, Bedingungen setzen oder Fragen stellen könnten, verstecken sich hinter ihren Parteivorsitzenden und wiederholen deren Argumente gebetsmühlenartig:
Das sei keine Privatisierung, sagen sie, obwohl sie wissen, dass die Überführung einer öffentlichen Einrichtung in das Privatrecht juristisch als Rechtsformprivatisierung bezeichnet wird und immer der erste Schritt in die weitere Privatisierung ist.
Die Schulprivatisierung in Berlin steht vor einer außergewöhnlichen Situation: Es gibt im Parlament keine Opposition gegen das Milliarden-Vorhaben, obwohl die Mehrheit der BundesbürgerInnen gegen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Wir sagen deshalb: „Wer, wenn nicht wir!“
Wir haben zahlreiche Fragen gestellt, Briefe geschrieben und um Befassung gebeten – nichts. Daher bleibt einzig allein der Weg über die Volksinitiative.
Als Hauptargument für die GmbH führt der Senat die ab 2020 geltende Schuldenbremse auf, die den Ländern eine Nettoneuverschuldung verbietet. Sie soll mit der GmbH umgangen werden können, um jenseits des Berliner Kernhaushalts bis zu 1,5 Milliarden Euro Kredite aufzunehmen. Das wird dann allerdings zu schlechteren, marktüblichen Konditionen geschehen als eine Kreditaufnahme direkt durch das Land. Ob eine Kreditaufnahme überhaupt notwendig ist, ist allerdings gleichfalls zu hinterfragen – das Haushaltsjahr 2017 beendete Berlin mit einem Überschuss von 2,16 Milliarden Euro.
Als Sicherheit für die Kredite bei den Banken sollen die Schulimmobilien und/oder die 20 bis 30 Jahre laufenden Mietverträge der Bezirke für ihre einstigen Schulen dienen. Wenn das keine Privatisierung ist, was dann?
Bedeutung für die ganze Bundesrepublik?
Die GroKo verabschiedete am 1. Juni 2017, in einer ihrer letzten Bundestagssitzungen vor der Wahl, die Veränderung von 13 Artikeln im Grundgesetz, um Infrastrukturgesellschaften möglich zu machen. Im Vordergrund stand damals die Möglichkeit zur Privatisierung der Autobahnen, doch es ging auch schon um Infrastrukturgesellschaften im Schulwesen.
Genau das soll jetzt in Berlin in die Praxis umgesetzt werden. Setzt die rot-rot-grüne Regierung ihre Pläne um, wird eine neue Privatisierungswelle ausgelöst.