Bündnis Klinikrettung startet Petition gegen Lauterbachs Krankenhausreform

Unterschreiben Sie noch heute gegen die Zerschlagung unserer Gesundheitsversorgung!

Unter der Federführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sollen Struktur und Finanzierung der Krankenhäuser reformiert werden. Seine Vorschläge aber bedeuten ein Weiter-So der Unterfinanzierung und, noch schlimmer, staatlich verordnete, massenweise Krankenhausschließungen. Das Bündnis Klinikrettung stellt sich gegen die Zerschlagung unserer Gesundheitsversorgung mit dieser Reform. In einer neuen Petition, „Stoppen Sie Lauterbachs katastrophale Reformpläne – für eine echte Krankenhausrevolution“, richtet es sich das Bündnis an die PolitikerInnen, die in Bundestag und Bundesrat die betreffenden Gesetze machen: die Abgeordneten im Gesundheitsausschuss und die Ministerpräsidenten. Das Bündnis Klinikrettung fordert eine Abschaffung der DRG-Fallpauschalen, ein Renditeverbot für den Krankenhausbetrieb und flächendeckende, bedarfsorientierte, erreichbare Krankenhausstrukturen.

Unterzeichnen Sie noch heute, und schicken Sie den Link an Ihre FreundInnen und Bekannte: https://www.gemeingut.org/krankenhausreform

Die Petition kann auch auf der Online-Plattform OpenPetition unterzeichnet werden: https://www.openpetition.de/petition/online/stoppen-sie-lauterbachs-katastrophale-reformplaene-fuer-eine-echte-krankenhausrevolution

Unsere Bündnispartner von der Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben haben ebenfalls eine Petition gestartet, die sich gegen den Krankenhauskahschlag in Bayern wendet: „Die Krankenhausversorgung in Bayern ist gefährdet – nein zu Lauterbachs Krankenhausreform“. Diese kann hier unterzeichnet werden: https://www.openpetition.de/petition/online/die-krankenhausversorgung-in-bayern-ist-gefaehrdet-nein-zu-lauterbachs-krankenhausreform

 

Bund-Länder-Beratung: Lauterbach lagert Krankenhausplanung an Unternehmensberater aus

Bündnis Klinikrettung startet Petition gegen Lauterbachs Reformvorschläge

Trotz breiter Kritik an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Krankenhausleveln ergab die Bund-Länder-Beratung vom 23. Mai keine substantiellen Veränderungen an seinen Reformvorschlägen. Die Level bleiben, nur wird die Zuordnung zu ihnen leicht gelockert. 689 von insgesamt 1.719 somatischen Krankenhäusern, also ganze 40 Prozent, werden entweder zu bloßen ambulanten Einrichtungen degradiert (Level 1i) oder es sind Fachkliniken (Level F), die nicht zur klinischen Allgemeinversorgung beitragen. Um diesen besorgniserregenden Auswirkungen der Reform entgegenzutreten, hat das Bündnis Klinikrettung eine Petition an die Mitglieder des Gesundheitsausschuss im Bundestag und die MinisterpräsidentInnen der Länder gestartet.

Link zur Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/stoppen-sie-lauterbachs-katastrophale-reformplaene-fuer-eine-echte-krankenhausrevolution


Laura Valentukeviciute, Geschäftsführerin
Gemeingut in BürgerInnenhand:

„Nach wie vor bedeutet die Krankenhausreform massenweise Krankenhausschließungen. Zudem bleibt unklar, wie viel die Länder bei der Krankenhausplanung mitentscheiden werden. Lauterbachs scheinbares Entgegenkommen bei den Leveln ist ein Täuschungsmanöver und die Länder machen es bereitwillig mit. Denn sowohl Laumann, Holetschek als auch ihren KollegInnen kommt es sehr gelegen, durch Schließungen Investitionsfördermittel für Krankenhäuser zu sparen. Nur will niemand dafür verantwortlich sein. Deswegen gibt es einerseits den Scheinwiderstand der Länder gegen die Reform und andererseits das Scheinentgegenkommen von Lauterbach. Am Ende wollen sie alle das gleiche – Krankenhausschließungen.“

Laut der Reform wird die zukünftige Krankenhausplanung von der Ausgestaltung der Leistungsgruppen und der Zuordnung von Kliniken zu Leveln abhängen. Mit dieser Aufgabe hat Lauterbach die Unternehmsberatungen Oberender AG und BinDoc beauftragt, die außerdem für das Bundesgesundheitsministerium eine Auswirkungsanalyse der Krankenhausreform erstellen sollen. Ein Vorstandsmitglied und eine Beirätin der Oberender AG sind bzw. waren beruflich mit der Rhön-Klinikum AG verbunden. Auch Lauterbach selbst war dort Aufsichtsratsmitglied. Für die Stiftung des Rhön-Kliniken-Gründers Eugen Münch fertigte die Oberender AG inmitten der Pandemie zusammen mit Prof. Dr. Boris Augurzky eine Studie an, die Klinikschließungen empfahl.(1) Derselbe Boris Augurzky sitzt nicht nur im Vorstand der Münch-Stiftung, sondern auch als Experte in Lauterbachs Regierungskommission zur Krankenhausreform.


Dazu Jorinde Schulz, Sprecherin
Bündnis Klinikrettung:

„Die Entscheidung über Krankenhauslevel und Leistungsgruppen ist Bestandteil der Krankenhausplanung und damit eine ureigene Aufgabe der öffentlichen Hand. Sie sollte Gegenstand breiter, öffentlicher Debatte sein. Stattdessen beauftragt Herr Lauterbach zwei Beraterfirmen mit Verbindungen zu einem der größten Krankenhauskonzerne Deutschlands und Kunden aus der Pharmaindustrie. Dass er gleichzeitig davon spricht, eine „Entökonomisierung“ im Krankenhauswesen anzustreben, ist blanker Hohn.“

Das Bündnis Klinikrettung hat eine Petition gestartet, um den aktuellen Reformplänen entgegenzutreten und Alternativen zu präsentieren.
Die Petition „Stoppen Sie Lauterbachs katastrophale Reformpläne – für eine echte Krankenhausrevolution“ kann auf der online Plattform openpetition.de unterzeichnet werden: https://www.openpetition.de/petition/online/stoppen-sie-lauterbachs-katastrophale-reformplaene-fuer-eine-echte-krankenhausrevolution


Klaus Emmerich,
Klinikvorstand i.R., Mitbegründer der Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern kritisiert:

„Kliniken sind nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines Netzes der Gesundheitsversorgung. Die aktuelle Reform ist von GesundheitsökonomInnen vorbereitet worden, die Kliniken als Einzelunternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachten. Sie haben keine Ahnung, wie die Gesamtstrukturen auf dem Land funktionieren. Deswegen wird in dieser Reform bundeseinheitlich diktiert, basierend auf Statistiken, ohne Rücksicht auf die Spezifika vor Ort.“

Klaus Emmerich weiter:

„Sowohl Lauterbach als auch seine MinisterkollegInnen gehen die Ursachen der Misere nicht an. Viele Probleme wären gelöst, wenn wir die Fallpauschalenfinanzierung abschaffen und mit der Selbstkostendeckung ersetzen sowie die Renditen in Krankenhäusern begrenzen würden. Es ist ein Skandal, dass es verschwiegen wird: Für die Abrechnung komplexer DRG-Fallpauschalen sitzen jährlich 145 Tausend klinische MitarbeiterInnen am Computer, statt sich um die Behandlung der PatientInnen zu kümmern. In Zeiten akuten Personalmangels ist dies schlicht und einfach inakzeptabel.“

(1) https://www.kma-online.de/aktuelles/management/detail/studie-empfiehlt-umwandlung-von-kleinen-klinken-nicht-schliessung-48385

Energieversorgung ist Daseinsvorsorge

Broschüre zur Vergesellschaftungskonferenz

Im Oktober 2022 fand in Berlin die Vergesellschaftungskonferenz statt. Als eine der Trägerorganisationen war Gemeingut in BürgerInnenhand auch an der Veröffentlichung einer Broschüre zu Vergesellschaftungsperspektiven im Energiesektor beteiligt. In seinem Beitrag „Ausbruch aus dem Teufelskreis“ befasst sich Carl Waßmuth mit der Frage, wie man Privatisierungszyklen mit überteuerten Rückkäufen im Energiebereich verhindert und Energieversorgung öffentlich und demokratisch organisi

Die Broschüre steht hier zum Download bereit:

Broschüre

Protest gegen Krankenhausschließungen und Lauterbachs Reform in Dresden

Am Freitag, dem 21. April, protestierten Aktive vom Dresdner Bündnis für Pflege, Mitglied im Bündnis Klinikrettung, gegen Lauterbachs Reformpläne. Mit einem Krankenhausfriedhof machten sie auf die über 500 Krankenhausschließungen seit 1991 aufmerksam und skandalisierten, dass mit der Krankenhausreform 600 weitere Schließungen drohen. Krankenhausbeschäftigte forderten in Redebeiträgen eine bedarfsgerechte und gemeinwohlorientierte Gesundheitsversorgung, denn: Gesundheit ist keine Ware!

DRG – Diese Reform ist Gefährlich! Protestkundgebung für eine gemeinwohlorientierte Alternative zur geplanten Krankenhausreform

Pressemitteilung GiB/Bündnis Klinikrettung

Gesundheitspolitische Initiativen verleihen Schmähpreis „Goldene Abrissbirne“ an Gesundheitsökonom Boris Augurzky

Unter dem Motto „DRG – Diese Reform ist Gefährlich!“ protestierten heute sechs gesundheitspolitische Initiativen vor dem DRG-Forum im Estrel Hotel in Berlin-Neukölln. Ein Schwerpunkt des diesjährigen Forums ist die angestrebte Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und seiner Regierungskommission. Die Initiativen kritisierten die Reformvorschläge scharf und forderten stattdessen ein Gesetz, das eine bedarfsgerechte, gemeinwohlorientierte und vollständig ausfinanzierte Gesundheitsversorgung sichert.

Für seine besondere Rolle bei der Förderung der neoliberalen Kürzungs- und Schließungsstrategien im Krankenhauswesen wurde der Gesundheitsökonom Boris Augurzky mit dem Schmähpreis die „Goldene Abrissbirne“ bedacht.

Anja Voigt, Intensivpflegerin, aktiv in der Berliner Krankenhausbewegung und dem Berliner Bündnis Gesundheit statt Profite:
„Die geplante Krankenhausreform ist ein Etikettenschwindel. Die DRGs werden nicht abgeschafft, der Kostendruck beim Personal bleibt bestehen und die vorgesehene Mischung aus Vorhaltepauschalen und DRG-Fallpauschalen setzt neue finanzielle Anreize, statt das tatsächlich Notwendige zu finanzieren. Als Intensivpflegerin fordere ich eine bedarfsgerechte Planung und kostendeckende Finanzierung aller Personalkosten als Mindeststandard für jede Krankenhausreform.“

 

Michael Friedrichs, Facharzt für Anästhesiologie und Mitglied im Verein Demokratischer Ärzt*innen (vdää*):
„Als Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin habe ich in den letzten 30 Jahren die Veränderungen in den Krankenhäusern hautnah miterlebt. Es war schon bei Einführung der DRG-Systematik klar, dass es zu massiven Fehlsteuerungen kommen würde. Zudem ist ein bürokratischer Wasserkopf entstanden. Controller der Konzerne versuchen mit kreativ verfeinerter Codierung den Erlös zu steigern. Die Krankenkassen versuchen dagegenzuhalten, und so bläht sich die Bürokratie weiter auf. Das Fallpauschalensystem ist vollständig gescheitert. Es muss abgeschafft und durch die Selbstkostendeckung ersetzt werden.“

Friedrichs weiter: „Die Regierungskommission zur Krankenhausreform hat nicht einmal den Mut, die Personalkosten insgesamt aus der DRG-Systematik herauszunehmen, wie es bei den Pflegekräften bereits als Notmaßnahme erfolgt ist.“

Laura Valentukeviciute, Sprecherin des Bündnis Klinikrettung:
„Lauterbach behauptet, seine Regierungskommission sei Lobby-frei. Tatsächlich sitzen die privaten Krankenhauskonzerne und die Versicherungen mit am Tisch. Besonderen Dank für die Entwicklung der Reformvorschläge widmete Lauterbach dem Berater Boris Augurzky. Augurzky setzt sich seit fast zwei Jahrzehnten für Renditeoptimierung und Zentralisierung im Krankenhaussektor ein. Als Vorreiter des Klinikkahlschlags hat er unseren Schmähpreis,  die „Goldene Abrissbirne“ mehr als verdient.“

Valentukeviciute weiter: „Die Reformvorschläge müssen von den Beschäftigten, den Patient*innen und den Vertreter*innen kommunaler Krankenhäuser und nicht von Berater*innen aus der Privatwirtschaft entwickelt werden. Sonst hat – wie sich jetzt zeigt – Gewinn statt Gemeinwohl Vorrang.“

 

Frieder Hummes, Assistenzarzt und aktiv bei den Bunten Kitteln:
„Ich habe keine Lust mehr in einem System zu arbeiten, in dem das Geld vor den Menschen kommt. Auch der aktuelle Reformvorschlag ändert nichts an den ökonomischen Zwängen, denen ich als Arzt im Krankenhaus täglich ausgeliefert bin. Ich habe keine Lust mehr, von der Politik ignoriert zu werden, obwohl ich Ideen und Vorschläge habe, was geändert werden muss. Diese Reformvorschläge sind ein Flickwerk am gescheiterten DRG-System, das auch diesmal nicht funktionieren kann. Wir brauchen endlich ein kostendeckendes, gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem und an den Vorschlägen dazu müssen Menschen mitwirken, die täglich davon betroffen sind.“

Die satirische Laudatio für Preisträger Boris Augurzky: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2023/03/Laudatio_Augurzky_end.pdf

Pressekontakte:
Anja Voigt: 0172-3182206
Michael Friedrichs: 0157-77569063
Laura Valentukeviciute: 0176-23320373, info@klinikrettung.de

Organisatoren der Protestkundgebung:
• Berliner Bündnis Gesundheit statt Profite
• Bündnis Klinikrettung
• Bunte Kittel
• Schluss mit Kliniksterben Bayern
• Solidarisches Gesundheitswesen
• Verein demokratischer Ärzt*innen – vdää*

Hintergrund:
Das DRG-Forum ist nach eigener Darstellung das jährliche „Familientreffen der Gesundheitsbranche“ – zwei Tage lang treffen sich Krankenhausmanager*innen und Gesundheitslobby, während Firmen „Entscheidungsträger*innen“ umwerben. Dieses Jahr steht die Krankenhausreform an, die auch beim DRG-Forum Thema ist. Die Reform soll zu gravierenden Einschnitten in der Krankenhausversorgung führen. Es drohen: massiver Klinik- und Bettenabbau, gefährlich verlängerte Fahrzeiten zur nächsten Klinik, Engpässe und lange Wartezeiten in den verbleibenden Krankenhäusern und erhebliche Arbeitsverdichtung für die Krankenhausbeschäftigten.
Die Organisator*nnen der heutigen Kundgebung fordern deswegen die Rücknahme der bisherigen Reformvorschläge und die Ausarbeitung einer Krankenhausreform im Sinne von Patient*nnen und Beschäftigten:
• Orientierung an der Bedarfsgerechtigkeit in der Versorgung
• Gemeinwohlorientierung und Gewinnverbot
• Stopp der Privatisierung von Krankenhausträgern
• Abschaffung des Fallpauschalensystems (DRG, Diagnosis Related Groups)
• Kostendeckung in der Krankenhausfinanzierung
• Verbindliche Personalschlüssel für alle Bereiche im Krankenhaus
• Demokratisierung von Krankenhausplanung und Steuerung
• Erhalt der flächendeckenden wohnortnahen Krankenhausversorgung

Bündnis Klinikrettung zieht Bilanz: Klinikschließungen 2022, Versorgungsengpässe und die Probleme der Krankenhausreform

Mit den Level 1i-Krankenhäusern werden ländliche Gebiete zu Gesundheitsregionen zweiter Klasse

Auf seiner heutigen Pressekonferenz hat das Bündnis Klinikrettung zum dritten Mal in Folge eine Jahresbilanz der erfolgten und geplanten Klinikschließungen gezogen. Außerdem legte das Bündnis eine kritische Analyse der Vorschläge der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ dar und präsentierte dringend notwendige Reformalternativen.
Beispielhaft für die Misere der örtlichen Gesundheitsversorgung bei einer drohenden Krankenhausschließung berichtete einer der Initiatoren des erfolgreichen Bürgerbegehrens in Eckenförde.

Die vollständige Bilanz 2022 mit Schließungsliste: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2022/12/1_Bilanz_BKR_Krankenhausschliessungen_2022-1.pdf
Die Analyse der Krankenhausreform: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2022/12/2_Beurteilung_BKR_Krankenhausreform_2022-12.pdf

Laura Valentukeviciute, Bündnis Klinikrettung:
„Die Zahl unserer Krankenhäuser sinkt dramatisch weiter. Im Jahr 2022 schließen bis Jahresende insgesamt 13 Krankenhäuser, hinzu kommen 11 Krankenhäuser mit Teilschließungen, hauptsächlich Geburtshilfen. Unterfinanzierung und geplanter Abbau der Krankenhäuser spitzen sich weiter zu. Die Anzahl der drohenden Schließungen liegt rekordhoch bei 68.“

 

Valentukeviciute weiter:
„Die geplante Krankenhausreform hilft uns keinen Deut weiter. Lauterbachs Deckelung des Gesamtbudgets bedeutet, dass die knappen vorhandenen Ressourcen lediglich umverteilt werden. Deswegen wird es auch weiter ökonomisch bedingte Schließungen von Allgemeinkrankenhäusern geben. Die Probleme des DRG-Systems werden nicht wie versprochen überwunden, sondern teilweise sogar verschärft.“

Eine gravierende, bisher in der Öffentlichkeit wenig beachtete Folge der Reform ist die Aufteilung von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung in die Level 1n und 1i. Nur Krankenhäuser des Levels 1n sollen noch eine Notfallversorgung bereitstellen. Krankenhäuser des Levels 1i hingegen sollen nicht unbedingt ärztlich, sondern von speziell ausgebildeten Pflegekräften geleitet werden, sie sollen lediglich über stationäre Pflegebetten verfügen und ambulante ärztliche Behandlung nur auf Abruf leisten.

Klaus Emmerich, Klinikvorstand i.R.:
„Man muss es deutlich sagen: Level 1i, das sind keine Krankenhäuser mehr. Ihnen fehlt die ärztliche Verfügbarkeit rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche, eine stationäre Notaufnahme sowie eine Intensivstation für klinische Notfälle. Wir reden hier von circa 650 der knapp 1.900 verbliebenen Krankenhäuser, die geschlossen und im Grunde in „bessere Pflegeheime“ umgewandelt werden sollen. Die Folge wird sein, dass ländliche Regionen zu Gesundheitsregionen zweiter Klasse degradiert werden.“

 

Henning Brien, Bürgerbegehren Eckernförde:
„In den ländlichen Regionen brauchen die Menschen wohnortnahe Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung mit Geburtsstation, einer zentralen Notaufnahme und idealerweise einer Kindermedizin. Das gehört zur Daseinsvorsorge und muss gewährleistet werden. Dies entlastet obendrein den regionalen Schwerpunkt- und den überregionalen Maximalversorger.“

Brien weiter: „Auch bei uns in Eckernförde wird die Krankenhausschließung mitunter damit begründet, dass das knappe Personal besser in wenigeren Kliniken konzentriert werden sollte. Das beste Beispiel, dass das reines Wunschdenken ist, zeigt sich an den Hebammen. Die Geburtsstationen schließen seit Jahren – und im Vergleich zu anderen Stationen überproportional häufig. Deswegen gibt es aber nicht mehr Hebammen die geburtshilflich arbeiten – im Gegenteil. Die meisten Hebammen gehen nach dem Wegfall ihres Arbeitsplatzes nicht in die großen Zentren und stehen dem „Geburtsmarkt“ nicht mehr zur Verfügung. Somit steigt die Anzahl der betreuten Geburten pro Hebamme an den weiterhin bestehenden Geburtsstationen an. In Folge entsteht eine Verdichtung der Arbeit und die direkte Betreuungszeit für die einzelne Schwangere reduziert sich. Alleine im Kreißsaal zu liegen hat wenig mit Qualität zu tun.“

Kontakte für Rückfragen
Laura Valentukeviciute: laura.valentukeviciute@gemeingut.org, 0176 23320373
Klaus Emmerich: klaus_emmerich@gmx.de, 0177 1915415


Weitere Materialien

Folien zur Bilanzpressekonferenz:
https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2022/12/3_Krankenhausreform_Klaus-Emmerich_Folien-1.pdf

Wenn der versprochene Ersatz ausbleibt, 3 Beispiele: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2022/12/4_Wenn-der-versprochene-Ersatz-ausbleibt-1.pdf

Das Bündnis Klinikrettung hat eine ausführliche Studie zur Selbstkostendeckung als Finanzierungsmodell vorgelegt: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2022/12/2022-10_Studie_Selbstkostendeckung_Buendnis_Klinikrettung_aktualisierte_Ausgabe_2022-12-12.pdf

Die Bewertung der Reform durch die Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern: https://www.gemeingut.org/wordpress/wp-content/uploads/2023/01/Grosse-Krankenhausreform-Bewertung-der-dritten-Empfehlung-der-Regierungskommissison_KE_12-2022.pdf

GiB-Infobrief: Wir sammeln Beispiele und brauchen Ihre Hilfe

Liebe Freundinnen und Freunde der Daseinsvorsorge,

immer häufiger erreichen uns Nachrichten von lebensgefährlichen Situationen und vermeidbaren Todesfällen, die nur deshalb zustande kommen, weil ein wohnortnahes Krankenhaus geschlossen wurde. Zwei Beispiele der letzten Wochen aus Baden-Württemberg:

  • Ein Patient auf dem Land kommt in die Hausarztpraxis. Er hat heftige Bauchschmerzen. Es besteht dringender Verdacht auf Blinddarmentzündung. Bis vor drei Monaten hätte er noch im örtlichen Krankenhaus versorgt werden können. Jetzt muss er ins 40 Kilometer entfernte nächste Krankenhaus mit Allgemeinchirurgie gebracht werden. Unterwegs perforiert der Blinddarm.

  • Eine Patientin wird morgens von ihrer Katze gebissen. Abends schmerzt die Wunde stark, und Fieber kommt dazu. Das Zentralklinikum ist 45 Minuten entfernt. Es fährt kein öffentlicher Personennahverkehr mehr, der Ehemann hat bereits drei Bier getrunken und möchte nicht mehr fahren. Am nächsten Morgen ist die Patientin bewusstlos im septischen Schock. Sie hat eine schwere Blutvergiftung.

Oft sind es ganz alltägliche Unfälle und Erkrankungen, die lebensgefährlich werden. In den geschilderten Fällen ist glasklar: Ein wohnortnahes Krankenhaus hätte die Gefahr abwenden können. Ambulante Alternativen helfen hier nicht weiter. Sepsis, Koma oder Gasbrand können die Folge ganz alltäglicher Missgeschicke sein, zum Beispiel ein Sturz von der Treppe, ein Fahrradunfall oder eine kleine Verletzung. All diese Fälle eint, dass eine sofortige Versorgung unabdingbar ist. Auch bei einem Herzinfarkt muss die Erstversorgung unverzüglich erfolgen und nicht erst in einigen Stunden, nach langer Fahrt zum Zentralkrankenhaus. Das alles kann eine wohnortnahe ambulante Einrichtung nicht leisten. Denn sie ist eben nicht 24 Stunden erreichbar und mit allen notwendigen Geräten ausgestattet.

Trotzdem wollen Gesundheitsminister Lauterbach, seine Regierungskommission und Lobbyorganisationen wie die Münch-Stiftung uns weismachen, dass Ambulantisierung die Lösung für alle Probleme sei. Tatsächlich aber führen die Vorschläge der Kommission zum Abbau der Kapazitäten: Die Krankenhäuser sollen weniger Geld bekommen, damit sie gezwungen sind, das Personal zu reduzieren. Lauterbach hält 25 Prozent aller heutigen stationären Behandlungen für ambulant leistbar. Die geplanten Streichungen werden vor allem die schon jetzt unter Finanznot leidenden ländlichen Krankenhäuser der Allgemeinversorgung treffen. Auch Geburtskliniken und Kinderstationen sollen ausgedünnt werden. Die Schließungslobby strebt an, Geburtsstationen an Zentralkliniken zu konzentrieren, die auch über eine Frühgeborenenstation verfügen.

Für uns heißt es daher jetzt: Wir müssen die Öffentlichkeit aufrütteln. Es darf nicht sein, dass Lauterbach und seine Regierungskommission die menschenverachtende Krankenhauspolitik fortsetzen.

Dazu brauchen wir Sie! Haben Sie auch schlechte Erfahrungen wegen unzureichender Krankenhausversorgung gemacht oder kennen Sie konkrete, aktuelle Beispiele aus Ihrem Umfeld, wo Menschenleben in Gefahr waren, weil die Gesundheitsversorgung nicht funktioniert? Dann schreiben Sie uns. Wir sammeln die Fälle und stellen sie anonymisiert in einem bundesweiten Ticker der Presse zur Verfügung. Außerdem veröffentlichen wir sie in den sozialen Medien, denn die Folgen der verantwortungslosen Politik von Lauterbach und seinen MinisterkollegInnen in den Ländern müssen bekannt werden.

Schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff „Ticker Krankenhaus-Kahlschlag“ an info@gemeingut.org. Beschreiben Sie, wie und wo der Vorfall stattgefunden hat und warum ein wohnortnahes Krankenhaus oder eine ausreichende Notfallversorgung einen Unterschied gemacht hätte. Geben Sie an, ob wir die Geschichte anonymisiert für unsere Öffentlichkeitsarbeit verwenden dürfen.

Lassen Sie uns Beispiele und Erfahrungen zusammentragen und sie öffentlich machen. Wir müssen gemeinsam den Protest aufbauen und so auf die Krankenhausreform Einfluss nehmen, sonst wird eine drastische Verringerung der Zahl der Krankenhausstandorte bald gesetzlich vorgeschrieben – eine folgenschwere politische Entscheidung für die nächsten Jahrzehnte.


Freundlich grüßen

Laura Valentukeviciute und Jorinde Schulz
für die Aktiven von GiB

Finanziell unterstützen

 

Presseschau (Auswahl)

Pressemitteilungen und Beiträge von GiB und unseren Bündnissen

24. Oktober: Eine neue GiB-Studie zeigt, dass die Privatisierung des Schulbaus Berlin zusätzlich 1,6 Milliarden Euro kostet. Die vom Land beauftragte Wohnungsbaugesellschaft Howoge baut für 90.000 Euro pro Schulplatz, der Bundesdurchschnitt liegt bei 40.000 Euro. Während Land und Bezirke 25.000 Schulplätze geschaffen haben, herrscht bei der Howoge Stillstand. GiB fordert den sofortigen Stopp des Modells. Das Geld soll an die Bezirke gehen, damit dort Schulen saniert werden können. https://www.gemeingut.org/studie-zeigt-16-mrd-euro-mehrkosten-durch-auslagerung-im-schulbau/

20. Oktober: Das Bündnis Klinikrettung veröffentlicht eine neue Studie zur Selbstkostendeckung als alternatives Finanzierungsmodell für die deutschen Krankenhäuser. Damit steht in der Debatte um die Krankenhausreform nun ein konkreter Vorschlag für die Abschaffung der breit kritisierten Finanzierung über Fallpauschalen im Raum. Das Bündnis Klinikrettung hat die Studie an Bundesgesundheitsminister Lauterbach und seine Regierungskommission geschickt. https://www.gemeingut.org/buendnis-klinikrettung-veroeffentlicht-studie-zur-selbstkostendeckung-als-alternative-zu-fallpauschalen/

17. Oktober: Im ARD-Bericht aus Berlin stellt Bundesgesundheitsminister Lauterbach fest: „Wenn wir da nicht schnell und auch wirklich drastisch reagieren, kommt es zu Schließungen.“ In einer Pressemitteilung fordert das Bündnis Klinikrettung daraufhin schnelle Finanzhilfen vor allem für die ländlichen Allgemeinkrankenhäuser, die Einführung des Selbstkostendeckungsprinzips und die Auflösung der mit der Schließungslobby besetzten Regierungskommission. https://www.gemeingut.org/buendnis-klinikrettung-fordert-abschaffung-der-regierungskommission-und-ein-ende-der-krankenhausschliessungen/

17. Oktober: Auf ihrem Oktober-Parteitag schlägt die Berliner SPD vor, die Wohnungsbaugesellschaft Berlinovo in den Schulbau einzubeziehen. In einer Pressemitteilung kritisiert GiB den Vorschlag scharf. https://www.gemeingut.org/berlinovo-spd-will-noch-mehr-schattenhaushalte-im-schulbau/

15. Oktober: Immer wieder ziehen PolitikerInnen und GesundheitsökonomInnen Dänemark mit seiner geringen Krankenhausdichte als Vorzeigebeispiel für eine effiziente Gesundheitsversorgung heran. Ein näherer Blick zeigt jedoch, dass die Krankenhauskonzentration die Gesundheitsversorgung in Dänemark spürbar verschlechtert und kolossale Mehrkosten verursacht hat. Denn während unzählige Krankenhäuser geschlossen wurden, verschleppt sich der Neubau versprochener Zentralkrankenhäuser, stellt Jorinde Schulz von GiB in ihrem Beitrag fest. https://www.gemeingut.org/krankenhausreform-in-daenemark-die-unendliche-geschichte-der-superkrankenhaeuser/

13. Oktober: In Schleswig-Holsteins größtem Kreis droht der Verlust der wohnortnahen stationären Grund- und Regelversorgung, inklusive zentraler Notaufnahme und Geburtshilfe. Die Initiative „JA! im Land“ erwirkte einen kreisweiten Bürgerentscheid zur Verhinderung dieser politischen Fehlentscheidung. Termin ist der 6. November. In einem Artikel informieren die Initiatoren des Bürgerentscheids über die Situation vor Ort. https://www.gemeingut.org/eckernfoerder-klinik-wird-demontiert-buergerbegehren-am-6-november-2022/

30. September: Mit einer neuen Veröffentlichung drängt sich die private Stiftung Münch in die aktuelle Debatte um die Krankenhausreform. Die Stiftung regt an, dass ambulante Kliniken, „Überwachungskliniken“ oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) die Krankenhäuser der Allgemeinversorgung ablösen. In einer Pressemitteilung analysiert das Bündnis Klinikrettung, dass die Vorschläge weder eine ärztliche Verfügbarkeit rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche gewährleisten noch eine stationäre Notfallversorgung bieten. https://www.gemeingut.org/krankenhausschliessungen-heissen-jetzt-umwandlung/

29. September: Der Sozialverband VdK Bayern und das Bündnis Klinikrettung übergaben in Berlin mit Unterstützung von GiB 6.540 Unterschriften für den Erhalt der Krankenhäuser im Landkreis Passau an ihren Bundestagsabgeordneten. Die BürgerInnen wünschen sich ein Drei-Standorte-Konzept mit Kliniken in Vilshofen, Rotthalmünster und Wegscheid. Die Unterschriften überreichte Helmut Dendl, VdK Vorsitzender OV Vilshofen, an Johannes Schätzl, MdB aus dem Landkreis Passau. https://www.gemeingut.org/umstrukturierung-ist-schliessung-menschen-aus-passauer-landkreis-ueberreichen-die-unterschriften/

27. September: Die öffentliche Hand hat eine Verantwortung im Bereich des Wohnens. Ein wichtiges Instrument dazu sind Wohnungen in öffentlichem Eigentum, die MieterInnen kostengünstig bereitgestellt werden können. In Berlin kaufte der Senat in der letzten Legislaturperiode vormals privatisierte Wohnungen zurück. In diesem anlässlich der Vergesellschaftungskonferenz vom 7. bis 9. Oktober neu veröffentlichten Archiv-Beitrag nimmt Carl Waßmuth von GiB die Rückkäufe unter die Lupe und bewertet sie kritisch. https://www.gemeingut.org/skandaloese-wohnungsrueckkaeufe-in-berlin-2/

14. September: Häufig wird bei Krankenhausschließungen Ersatz in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) versprochen. Doch kann ein solches überhaupt die Funktion einer regionalen medizinischen Grundversorgung erfüllen? Eine neue Expertise von Dr. Rainer Neef vom Bündnis Klinikrettung widmet sich der Entstehung und Entwicklung von MVZ, ihren rechtlichen Grundlagen und ihrer Rolle in der Gesundheitsversorgung. https://www.gemeingut.org/kann-ein-mvz-ein-geschlossenes-krankenhaus-ersetzen/

9. September: Angesichts der hohen Inflation und Energiepreise fordert das Bündnis Klinikrettung in einer Pressemitteilung neben einem Inflationsausgleich für Krankenhäuser vor allem die Einführung der Selbstkostendeckung als Finanzierungsmodell. Andernfalls droht ein Kollaps der Krankenhäuser mit vielen Insolvenzen. Die Selbstkostendeckung würde sowohl die Kosten im Krankenhausbereich senken als auch die Engpässe beim Personal mildern. https://www.gemeingut.org/selbstkostendeckung-rettet-die-krankenhaeuser-vor-inflation-steigenden-energiepreisen-und-personalnot/
 

Presseberichte über GiB und Bündnisse, in denen GiB aktiv ist

29. Oktober, rbb: Die rbb24-Abendschau berichtet über die Verzögerungen beim Berliner Schulbau. Sie werden durch das Einbeziehen der Howoge verursacht. Im sechsminütigen Beitrag kommt auch Carl Waßmuth von GiB zu Wort, und die Autoren zitieren die neue GiB-Studie zu den überhöhten Baukosten der Howoge pro Schulplatz. https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20221029_1930/schulbau_howoge_krueger_louis.html

7. Oktober, junge Welt: In einem Interview erklärt Jorinde Schulz von GiB, warum Lauterbachs Reformpläne für Deutschlands Krankenhäuser den Klinik-Kahlschlag noch verschärfen werden. Stattdessen müssen endlich das Gewinnprinzip und die Fallpauschalenfinanzierung in Frage gestellt werden: „Im Moment steuern finanzielle Zwecke fast das gesamte Gesundheitswesen. Dazu kommt, dass das System der Fallpauschalen nirgendwo so gnadenlos ist wie in Deutschland.“ https://www.jungewelt.de/artikel/436116.lobbydruck-im-gesundheitssystem-man-muss-die-gewinnabschöpfung-abstellen.html

14. September, MainPost: In Bad Brückenau erzielt eine Petition vom Bündnis Klinikrettung gegen die Schließung der Notaufnahme im örtlichen Klinikum mehr als 3.000 Unterschriften. (Bezahlschranke) https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/petition-fuer-notaufnahme-an-franz-von-pruemmer-klinik-von-hoffnung-bis-realitaetsverlust-art-10911613

12. September, Berliner Zeitung: Nach der Schließung der Wenckebach-Klinik ist die Zukunft der Gebäude unsicher. Die Wenckebach-Initiative, Mitglied im Bündnis Klinikrettung, fürchtet deren Übernahme durch Investoren und kämpft weiter: „Wir fordern, dass das Wenckebach-Krankenhaus erhalten und die stationäre Versorgung wieder aufgebaut wird“, so die Aktive Charlotte Rutz-Sperling. https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/wenckebach-krankenhaus-vor-dem-aus-doch-wie-geht-es-in-tempelhof-weiter-berlin-rettungsstelle-li.266181


Weitere Medienbeiträge zum Thema Krankenhäuser

24. Oktober, ZDF: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigt eine Überwindung des Fallpauschalensystems an, bleibt aber halbherzig. Einzig Kinderkliniken sollen wohl aus dem desaströsen Finanzierungsmodell herausgelöst werden, während andere Bereiche den Fehlanreizen der Fallpauschalen überlassen bleiben. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/lauterbach-klinik-krankenhaus-reform-entlastung-100.html

12. Oktober, Kontext: Wochenzeitung: Wie die ambulanten MVZ als Einfallstor für Gronßinvestoren in der Gesundheitsversorgung dienen, legt eine gut recherchierte Analyse von Florian Kaufmann dar. https://www.kontextwochenzeitung.de/wirtschaft/602/spielwiese-fuer-grossinvestoren-8443.html

12. Oktober, BibliomedManager: Mehr als 30 Minuten zur nächsten Klinik ist für die meisten BürgerInnen inakzeptabel, das belegt eine neue Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Sie zeigt auch, dass die Menschen sich eine bessere personelle Ausstattung in den Krankenhäusern wünschen. https://www.bibliomedmanager.de/news/mehr-als-30-minuten-zur-naechsten-klinik-ist-fuer-die-meisten-buerger-inakzeptabel

7. Oktober, Nachdenkseiten: Eine eindrückliche Analyse der Zustände im Krankenhauswesen und eine kritische Bestandsaufnahme von Lauterbachs Expertenkommission liefert Ralf Wurzbacher in seinem Artikel „Kehraus im Krankenhaus“. https://www.nachdenkseiten.de/?p=88914

30. September, Deutsches Ärzteblatt: Die voranschreitende Ökonomisierung der Medizin führt zu einer Sinnentleerung ärztlichen Tuns. Das stellt ein neues Thesenpapier der Bundesärztekammer fest. https://www.aerzteblatt.de/archiv/227769/Oekonomisierung-der-Medizin-Sinnentleerung-aerztlichen-Tuns

19. Oktober, taz: „Muss erst ein Kind sterben?“ fragt die Kinderärztin Songül Yürek, die von den unhaltbaren Zuständen in Deutschlands Pädiatrien berichtet und die Politik zum Handeln auffordert. https://taz.de/!5889471

27. September, Zeit online: Bundesgesundheitsminister Lauterbach möchte jede vierte stationäre Behandlung im Krankenhaus ambulantisieren. Die Vergütung für die Tagesbehandlungen soll geringer sein, so dass ein Abbau von Betten und Personal absehbar ist. Statt Verbände und BürgerInnen zu hören, will Lauterbach die Reform bereits ab Januar 2023 umsetzen. https://www.zeit.de/gesundheit/2022-09/karl-lauterbach-tagesbehandlungen-krankenhaus-klinik, Ein Eckpunktepapier dazu liegt nun vor, berichtet das Ärzteblatt am 25. Oktober. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/138370/Umsetzungsplanung-fuer-Tagespauschalen-auf-dem-Weg

5. Oktober, SWR: In einem Brandbrief klagen ÄrztInnen die Missstände in der privaten Helios-Klinik in Rottweil an. Die Privatisierung sei die Ursache des Problems, sie fordern daher die Kommunalisierung. https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/aerzte-kritisieren-missstaende-in-der-helios-klinik-rottweil-100.html

17. September, Arzt und Wirtschaft: Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ist desaströs, 70 Prozent schreiben rote Zahlen. https://www.arzt-wirtschaft.de/topthema/prognose-fuer-2022-70-prozent-der-krankenhaeuser-machen-verlust/

16. September, BibliomedManager: Angesichts von Preissteigerungen, systematischer Unterfinanzierung und drängendem Personalmangel kündigt die Deutsche Krankenhausgesellschaft zivilen Ungehorsam an. https://www.bibliomedmanager.de/news/kliniken-kuendigen-zivilen-ungehorsam-an

In ganz Deutschland schlagen Krankenhäuser im September und Oktober Alarm: In Bayern sind die Kliniken durch die Energiekrise am Limit. https://www.br.de/nachrichten/bayern/bayern-befuerchtet-wegen-energiekrise-notstand-an-kliniken,TJjkFhL Die Kliniken in Sachsen-Anhalt fordern einen Rettungsschirm. https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/landespolitik/kliniken-in-sachsen-anhalt-fordern-rettungsschirm-3468684 Die Berliner Kliniken stehen wegen der Inflation kurz vor dem Aus. https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/berlins-krankenhaeuser-schlagen-alarm-weil-sie-ihre-kollaps-fuerchten-li.271770. Die Rettungsstellen sind ohnehin überlastet. https://www.tagesspiegel.de/berlin/uberlastete-rettungsstellen-in-berlin-zwei-drittel-der-notaufnahmen-patienten-sind-keine-notfalle-8673979.html In Hessen stehen die Kliniken finanziell mit dem Rücken zur Wand. https://www.fuldainfo.de/spd-hessische-kliniken-stehen-finanziell-mit-dem-ruecken-zur-wand/ In Thüringen meldet sich eine Klinik aufgrund der Überlastung durch Corona für einen Tag ganz ab. https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/schmalkalden-meiningen/corona-neuaufnahmen-helios-klinik-notaufnahme-100.html


Krankenhauschließungen und drohende Schließungen nach Bundesländern

Baden-Württemberg:

28. Oktober, Schwäbische: Die private Sana-Klinik in Bad-Laupheim schließt zum Ende des Jahres die Geriatrie. Es war die einzige Abteilung, die nach der Schließung des Krankenhauses 2021 geblieben war. https://www.schwaebische.de/home_artikel,-sterben-mit-ansage-_arid,11570486.html

27. Oktober, SWR Früher als erwartet schließen die Krankenhäuser in Bad Saulgau und Pfullendorf. Wie so häufig wanderte auch hier das Personal schon lange vor dem offiziellen Schließungsdatum ab. https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/kliniken-bad-saulgau-und-pfullendorf-schliessen-frueher-100.html

5. Oktober, Badische Neueste Nachrichten: Mit dem Klinikum Ettenheim schließt zum Jahresende ein weiteres Krankenhaus im Landkreis Ortenau, nachdem bereits in Gegenbach und Oberkirch die Kliniken dichtgemacht haben. https://bnn.de/mittelbaden/ortenau/das-krankenhaus-in-ettenheim-schliesst-was-danach-mit-der-klinik-passiert

26. September, Badische Zeitung: Der private Betreiber Mediclin beschließt, die Klinik in Bad Peterstal-Griesbach zum Jahresende 2022 zu schließen. https://www.badische-zeitung.de/mediclin-plant-klinikschliessung-in-bad-peterstal-griesbach

20. September, Südwest Presse: Die Nachnutzung der geschlossenen Helfenstein-Klinik in Geislingen ist immer noch nicht geklärt. (Bezahlschranke) https://www.swp.de/lokales/geislingen/helfenstein-klinik-geislingen-schmerz-ueber-klinik-aus-in-geislingen-sitzt-noch-immer-sehr-tief-66641363.html

16. September: Im Landkreis Konstanz herrscht Streit darüber, wer die Schließung des Krankenhauses Radolfzell zu verantworten hat. https://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/radolfzell/wer-ist-schuld-am-radolfzeller-krankenhaus-desaster-es-hagelt-schuldzuweisungen-im-gemeinderat;art372455,11291954

September, worabia: Nach der Schließung des Krankenhauses in Bad Waldsee kündigen etliche MitarbeiterInnen der Oberschwabenklinik. Nicht nur die Krankenhaus-, sondern auch die ambulante Versorgung der Region ist in Gefahr. https://latest.worabia.com/die-kundigungswelle-in-bad-waldsee-schwappt-auf-das-krankenhaus-bad-waldsee-uber/284493/

Bayern:

28. Oktober, pnp.de: Der Kreistag im Berchtesgardener Land stimmt gegen ein Bürgerbegehren zum Erhalt der Krankenhäuser. In Freilassing soll das akutstationäre Krankenhaus schließen, in Berchtesgarden das Krankenhaus zur orthopädischen Fachklinik ohne Notfallversorgung werden. https://www.pnp.de/lokales/berchtesgadener-land/Buergerantrag-Update-zu-emotionaler-Diskussion-im-Kreistag-4470039.html

19. Oktober, MainPost: Das Klinikum in Lohr im Landkreis Main-Spessart schreibt hohe Defizite und ist von der Schließung bedroht. (Bezahlschranke) https://www.mainpost.de/regional/main-spessart/schwere-zeiten-fuer-das-klinikum-in-lohr-defizit-von-57-millionen-euro-bereits-im-ersten-halbjahr-art-10944261

11. Oktober, Onetz: Im Landkreis Tirschenreuth fürchten BürgerInnen die Schließungen mehrerer Kliniken zugunsten eines Zentralklinikneubaus. https://www.onetz.de/oberpfalz/tirschenreuth/freie-waehler-befuerchten-schliessung-krankenhaeuser-landkreis-tirschenreuth-id3772997.html

3. Oktober, Wiesentbote: In Bayreuth wird die Schließung der Höhenklinik Bischofsgrün besiegelt. https://www.wiesentbote.de/2022/10/03/bayreuth-endgueltiges-aus-fuer-die-hoehenklinik-bischofsgruen/

30. September, BR24: In Bobingen schließt die Geburtshilfe. https://www.br.de/nachrichten/bayern/nach-18-700-babys-aus-fuer-geburtshilfe-bobingen,TIuSaPV

30. September, Merkur.de: Im Landkreis Weilheim-Schongau protestieren BürgerInnen gegen eine Schließung der Krankenhäuser durch Zentralisierung. https://www.merkur.de/lokales/weilheim/weilheim-ort29677/zentralkrankenhaus-weilheim-schongau-krankenhaus-gmbh-infostaende-widerstand-91820478.html

23. September, pnp.de: Im Landkreis Passau kämpft der Sozialverband VdK für den Erhalt dreier Krankenhäuser. https://www.pnp.de/lokales/stadt-und-landkreis-passau/vilshofen/Fuer-Erhalt-der-Landkreis-Krankenhaeuser-Erste-Unterschriften-uebergeben-noch-bis-Mittwoch-4437472.html

September, Arbeitsgemeinschaft Krebsbekämpfung: In Freyung schließt die Bavaria Reha-Klinik Ende September. https://www.argekrebsnw.de/bavaria-klinik-freyung-schliesst-ende-september-2022/

Hessen:

29. Oktober, HNA: Ausgerechnet im Wahlkreis von Lauterbachs Staatssekretär Edgar Franke soll das Krankenhaus schließen und durch ein ambulantes Gesundheitszentrum ersetzt werden. Die Folgen seiner schließungsfreundlichen Politik erreichen jetzt seine eigenen WählerInnen. https://www.hna.de/lokales/melsungen/melsungen-ort45520/melsungen-aus-fuer-klinik-steht-fest-landkreis-plant-gesundheitszentrum-91881644.html

Niedersachsen:

13. Oktober: In Oldenburg schließt eine Klinik für psychosomatisch Erkrankte aus betriebswirtschaftlichen Gründen. (Bezahlschranke) https://www.nwzonline.de/plus-oldenburg-stadt/oldenburg-gesundheitswesen-klinik-am-stadthafen-schliesst_a_51,10,748725182.html

Nordrhein-Westfalen:

5. Oktober, RP Online: Schon bald schließt die Geburtshilfe am Ratinger Krankenhaus. https://rp-online.de/nrw/staedte/ratingen/personal-an-ratinger-krankenhaus-wechselt-schneller_aid-77845387

Saarland:

4. Oktober, Saarbrücker Zeitung: In Saarbrücken organisieren BürgerInnen eine Mahnwache gegen die Schließung des evangelischen Stadtkrankenhauses. https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/saarbruecken-mahnwache-gegen-schliessung-des-evangelischen-stadtkrankenhauses_aid-77804311

Schleswig-Holstein:

17. Oktober, Medconweb: Zum 31. Dezember schließt die Psychiatrie der DRK-Fachklinik Hahnknüll. https://www.medconweb.de/blog/kliniknews/drk-fachklinik-hahnknuell-schliesst/

13. Oktober, Hamburger Abendblatt: Gegen die Schließung der Geburtshilfe und Gynäkologie der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg regt sich Protest. https://www.abendblatt.de/region/norderstedt/article236665149/Aus-fuer-Geburtshilfe-Ministerin-nimmt-Resolution-entgegen.html

Krankenhausreform in Dänemark: Die unendliche Geschichte der Superkrankenhäuser

von Jorinde Schulz

Immer wieder wird Dänemark mit seiner geringen Krankenhausdichte als Vorzeigebeispiel für eine effiziente Gesundheitsversorgung herangezogen. Ein näherer Blick zeigt, dass die Krankenhauskonzentration die Gesundheitsversorgung spürbar verschlechtert und kolossale Mehrkosten verursacht hat. Denn während unzählige Krankenhäuser geschlossen wurden, verschleppt sich der Neubau versprochener Zentralkrankenhäuser.

Die dänische Krankenhausreform begann im Jahr 2007. Damals schlug die regierende Koalition aus Liberalen (Venstre) und Konservativen (Det Konservative Folkeparti) eine radikale Reduktion der bestehenden Krankenhäuser vor. Fortan, so der Plan, sollte jedes Krankenhaus ein Gebiet mit mindestens 200.000 EinwohnerInnen abdecken. Die Strukturreform sollte zu weniger, dafür spezialisierteren Krankenhäusern führen. Teil des Konzepts waren neue, maximalversorgende „Superkrankenhäuser“. In Zahlen sah das folgendermaßen aus: Die Anzahl der Krankenhäuser mit 24-Stunden-Notfallversorung sollte von 40 im Jahr 2007 auf 21 im Jahr 2020 reduziert werden.1

Die anschließende Debatte um die Schließungen war lang und heftig. 2011 stand schließlich die Platzierung der neuen Superkrankenhäuser fest. Im Zusammenhang mit der Reform wurden an folgenden Orten Krankenhäuser geschlossen: Kalundborg, Ringsted, Nakskov, Haderslev, Fredericia, Grenaa, Skanderborg, Brovst, Helsingør. Die Krankenhäuser in der Metropolregion in Frederikssund, Hillerød und Helsingør sollten in einem Superkrankenhaus zentralisiert werden. Insbesondere das Krankenhauspersonal und lokale Initiativen stellten sich gegen die Reformpläne.

Die geplanten Superkrankenhäuser waren entweder Neubauprojekte mit Kosten im dreistelligen Millionenbereich oder wurden als Ausbauten existierender Krankenhäuser geplant. Die veranschlagten Kosten dafür lagen in alleine in der Metropolregion Kopenhagen zwischen 16-17 Milliarden Kronen, umgerechnet zwischen 2,2 und 2,3 Milliarden Euro.2

Was ist der Stand 15 Jahre später? Von den sechs Superkrankenhäusern, die bis 2021 neu gebaut werden sollten, ist nur eines fertiggestellt worden, das in Gødstrup.3 Es kostete 100 Millionen Kronen, umgerechnet 13,4 Millionen Euro, mehr als ursprünglich veranschlagt. Alle anderen Großbauprojekte (in Ålborg, Århus und Odense, Nordseeland und Køge) leiden unter massiven Verspätungen, bestenfalls haben einzelne Abteilungen eröffnet (siehe auch Liste unten). In allen Fällen gibt es aufgrund steigender Baukosten und erheblichen Pannen der Megaprojekte beträchtliche Mehrkosten für die öffentliche Hand, teilweise in Milliardenhöhe.4 Dadurch entstehen Sparzwänge beim Krankenhausbetrieb sowie eine Erhöhung der Arbeitsbelastung des Personals.5

Der Kahlschlag der Krankenhäuser hat die Gesundheitsversorgung in Dänemark in der Fläche verschlechtert. So gingen die Sozialdemokraten im Jahr 2021 mit der Forderungen nach neuen „Nahkrankenhäusern“ in den Wahlkampf.6 Diese sollten die mangelnde Gesundheitsversorgung in der Fläche ausgleichen. Das Ziel: kürzere Transportzeiten und regionale Anbindung. Außerdem, so der Vorschlag, sollen 5-10 neue Bereitschaftsdienste für AkutpatientInnen eingerichtet werden, und der ÄrtzInnenmangel in unterversorgten Regionen bekämpft werden. Kritik an dem Vorschlag der Nahkrankenhäuser gab es aus allen politischen Lagern. Bemängelt wurde die fehlende Finanzierung.7 Außerdem beanstandete die linke Partei Enhedslisten, dass die angeblichen Nahkrankenhäuser vielmehr sogenannten „Gesundheitshäusern“ ohne 24-stündige Notfallversorgung ähneln würden.8 Aktuell werden diese Reformen noch verhandelt.

Klar wurde durch die Debatte allerdings, dass der Mangel in der Gesundheitsversorgung, der ja gerade durch den radikalen Kahlschlag der Krankenhauslandschaft herbeigeführt wurde, bereits wenige Jahre später deutlich spürbar wurde. Die in den 2000ern durch die liberal-konservative Koalition eingeführte (Teil-)Finanzierung von Krankenhäusern über die Fallpauschalen (englisch DRG, Diagnosis Related Groups) und die damit einhergehende Forderung nach Produktivitätssteigerungen, gefördert unter Anderem durch einen „Aktivitätsfond“, steht aufgrund ihrer Fehlanreize auf dem Prüfstand. So ersetzte die Region Kopenhagen 2019 die DRG-Finanzierung durch eine ökonomische Rahmensteuerung der Krankenhäuser, einhergehend mit einem neuen Leitbild der Qualitäts- und PatientInnenorientierung.9

Hintergrund der Krankenhauszentralisierungen war die Kommunalreform (auch bekannt als „Strukturreform“) 2005, die ebenfalls von der VK-Regierung unter Lars Loekke Rasmussen durchgeführt wurde. Die KritikerInnen befürchteten schon damals negative Folgen des angestrebten Zentralisierungsprozesses.10 Die Befürchtungen haben sich offenbar bestätigt: In den letzten Jahren versuchen sich die dänischen Regierungen immer wieder mit „Regionalisierungen“, um das angebliche Übergewicht der Hauptstadt und die Infrastrukturprobleme der ländlichen Regionen auszugleichen. Beispielsweise sollen Universitäten einzelne Abteilungen außerhalb der Metropolregion ansiedeln, Verwaltungen werden ebenfalls dazu angehalten.

Stand der Superkrankenhäuser (Stand 14. Oktober 2022)

    1. Sjællands Universitetshospital, Køge (Umbau): nicht fertiggestellt.
    2. Det Nye Odense Universitetshospital (Neubau): sollte 2022 eröffnen, nicht fertiggestellt. Ursprüngliches Budget 6,3 Mia. Kronen, Budgetüberschreitung von 1 Mia..
    3. Det Nye Universitetshospital i Århus, Teileinweihung 27.02.2017, Budgetüberschreitung von 1. Mia. Kronen.
    4. Nybyggeriet Aalborg Universitetshospital, geplante Fertigstellung 2020, früheste Fertigstellung 2024, Budgetüberschreitung 572 Mio. Kronen.
    5. Regionshospitalet Gødstrup, eröffnet am 13.02.2022, Budgetüberschreitung von mehreren Hundert Mio. Kronen.
    6. Nordsjælland, Hillerød: nicht fertiggestellt, eröffnet frühestens 2024.

 

2Ebd.

Kann ein MVZ ein geschlossenes Krankenhaus ersetzen?

Von Rainer Neef

Zur Entwicklung Medizinischer Versorgungszentren und der Frage der Grundversorgung

Rund 30 Krankenhausschließungen verzeichnet das Bündnis Klinikrettung zwischen 2020 und 2022. Immer häufiger ist dabei zu beobachten, dass ganze Gebiete durch die Schließung beeinträchtigt werden, da sich die Entfernung zum nächsten grundversorgenden Krankenhaus gravierend erhöht. Für Pkw-BenutzerInnen und Rettungswagen steigt die Fahrzeit auf über 30 Minuten (die quasi-amtliche Maximalentfernung), für Menschen, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, noch weitaus mehr. Immer häufiger wird daher ein ambulanter Versorgungs-Ersatz angekündigt, benannt als Gesundheitszentrum, Gesundheitscampus o.ä. Bei den dem Bündnis Klinikrettung bekannten Schließungen war der angekündigte Ersatz meist auch nach zwei Jahren nicht zustande gekommen. Nur in Einzelfällen entstanden Medizinische Versorgungszentren (MVZ), wie es sie seit 2004 gibt – aber sie bieten lediglich Einzelelemente einer Grundversorgung.

Die (ökonomische) Gefährdung von Krankenhäusern hat in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen, ihre politische Gefährdung erst recht – die Pläne, 400 bis 700 Krankenhäuser zu schließen1, werden derzeit aktualisiert. Die Frage ist: Kann der betroffenen Bevölkerung in Form von MVZ eine Grundversorgung geboten werden, wie sie der Spitzenverband gesetzlicher Krankenversicherungen (GKV) in Abstimmung mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss Gesundheitswesen formuliert hat, nämlich eine Einrichtung mit Innerer Medizin und Chirurgie sowie Anästhesie, mit durchgängig geöffneter („24/7“-) Notaufnahme, und mit Pkw erreichbar in spätestens 30 Minuten2? Kann also ein MVZ überhaupt ein geschlossenes Krankenhaus und dessen medizinische Grundversorgung ersetzen?

Die Entwicklung von MVZ

Seit 2004 können alle Erbringer medizinischer Leistungen MVZ gründen oder erwerben. Damit ist neben Arzt- oder auch Gemeinschaftspraxen ein zweiter ambulanter Versorgungstypus mit stärker unternehmerischer Ausrichtung entstanden. MVZ müssen eine ärztliche Leitung und einen von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zugeteilten Sitz haben. Sie bringen den dort tätigen ÄrztInnen (90% sind Angestellte) den Vorteil einer administrativen Entlastung, besser und flexibler gestaltete Arbeitszeiten und gute Kooperationsmöglichkeiten. Sie sind aber auch ein attraktives Feld für Kapitalanleger, denn das deutsche Gesundheitswesen gilt als stabiler, expandierender und durch Krankenversicherungen gut gesicherter Markt.

Die Zahl der MVZ wuchs sehr rasch auf 1.700 im Jahr 2010 an. 2012 wurde die Trägerschaft durch Änderung von § 95 Abs. 1 SGB V auf Erbringer „ärztlicher Leistungen“ eingeschränkt. Die Begründung dafür lautete, es bestehe die „Gefahr, dass medizinische Entscheidungen von Kapitalinteressen beeinflusst werden.“3. Interessierte Kapitalinvestoren bewältigten jedoch das neue Hindernis, indem sie ein möglichst kleines, eventuell notleidendes Krankenhaus günstig kauften und zum Träger („Plattform“) für den Einstieg ins MVZ-Geschäft machten. Bis 2015 mussten MVZ mindestens zwei Fachgebiete beinhalten, seitdem können sie sich auch auf ein Spezialgebiet beschränken. Dies gab einen erneuten Wachstumsschub auf 3.826 Ende 2020. MVZ vereinigen heute weniger Fächer als zehn Jahre zuvor, und diese sind stärker auf ertragreiche Behandlungen bezogen.4

MVZ-Träger und MVZ-Praxis

Zu den größten Trägern von MVZ zählen die privaten Krankenhauskonzerne. Die neun größten halten durchweg eine große Zahl von MVZ, zusammen mindestens sechs Prozent aller MVZ. Ihre Fächerstruktur ist abgestimmt auf die der jeweiligen Trägerklinik, und sie sind ganz überwiegend auf deren Gelände angesiedelt. Erkennbar handelt es sich um ein Zuarbeitsverhältnis: Stationäre PatientInnen werden für die Klinik akquiriert bzw. vorbehandelt und nach deren Verlassen nachbehandelt – vorzugsweise in kapitalintensiven und ertragreichen Fächergruppen wie z.B. Orthopädie-Endoprothetik oder Neurochirurgie5. Zwischen Klinik und MVZ werden dabei Kosten und Abrechnung optimiert.

In den deutschen „Gesundheitsmarkt“ sind große, hauptsächlich transnationale Private-Equity-Unternehmen eingestiegen. Als reine Profitmaschinen akquirieren sie ohne Ansehen von Inhalten und Branche, aber mit strategischem Blick, ganze Unternehmen. Sie richten sie so zu, dass sie nach 6-10 Jahren mit hohem Profit weiterverkauft werden können. Vehement sind Private-Equity-Unternehmen nach 2016 in das Geschäft mit MVZ eingestiegen. Nach Erwerb einer (kleinen) Klinik als zugelassenem Träger kauften sie teils einzelne MVZ, die sie zu einer Kette zusammenschlossen; vor allem ab 2018 wurden ganze Ketten erworben6. Fast alle dieser MVZ haben nur eine, maximal zwei Spezial-Fachgruppen der besonders kapital- bzw. ertragsstarken Art. Sie werden über Personalkostensenkung und Praxis-Vorgaben (z.B. Diagnose- und Behandlungshäufigkeit) auf raschen Gewinnkurs gebracht7. Ca. 15 Prozent aller MVZ sind heute im Besitz von Private Equity, der Einfluss von Kapitalinteressen auf die Gesundheitsversorgung ist erkennbar gewachsen. So titelte die FAZ im Juni 2022 in Bezug auf investorengetragene MVZ: „Finanzinvestoren gefährden das Patientenwohl“. (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/aerzte-warnen-finanzinvestoren-gefaehrden-das-patientenwohl-18113108.html)

MVZ im Besitz sonstiger privater Träger (vor allem Dialyse und Labormedizin) sind auf deren medizinischen Aktivitätsbereich zugeschnitten und kommen für die Frage nach Grundversorgung ohnehin nicht in Betracht.

Die großen freigemeinnützigen Krankenhausgesellschaften verfügen über deutlich weniger eigene MVZ (zwei bis drei Prozent). Sie verfolgen überwiegend ein Zuarbeitsverhältnis zum Träger-Krankenhaus, vergleichbar den Privaten. Bei einem kleineren Teil sind die MVZ auf eine spezifische karitativ-soziale Haltung zu Gesundheit ausgerichtet, einzelne sollen wohl lokale stationäre oder ambulante Versorgungsdefizite ausgleichen.

MVZ von Kommunen bzw. Landkreisen gibt es als solche nur vereinzelt, die meisten sind den Krankenhausverbünden größerer Städte und Landkreise zugeordnet. Soweit über Internet ermittelbar, halten sie vielleicht drei bis vier Prozent aller MVZ. Auch diese stehen zu den Krankenhäusern überwiegend in einem Zuarbeitsverhältnis. Ein kleinerer Teil aber dient auch als fachlich-ambulante Ergänzung am Ort, manchmal auch außerhalb, etliche wurden eingerichtet zur Behebung ambulanter Defizite in einigen ländlichen Gebieten, oder als Ersatz nach Klinikschließungen. Große öffentliche Träger sind teils Psychiatrien mit wenigen und eher ergänzenden MVZ, einige andere (z.B. Vivantes, Berlin) suchen durch MVZ eine kohärente ambulante Versorgung anzubieten.8.

Neben diesen auf Krankenhäuser ausgerichteten MVZ werden ebenso viele von (GKV-) Vertragsärzt:innen getragen. Auch diese wollen und müssen in unserem ambulanten System Gewinne erwirtschaften, um sich zu halten. Sie sind im Schnitt kleiner, weniger kapitalstark und bieten weniger, aber offenbar breiter gestreute Fachgebiete9.

„Gesundheitszentren“ als Grundversorger?

Wir gehen aus von der quasi-amtlichen Definition stationärer Grundversorgung (s.o.). Dieser wäre hinzuzufügen: Allen Bewohner:innen des deutschen Territoriums, auch in seinen dünnbesiedelten Teilen, steht eine gesundheitliche Grundversorgung zu. Diese Leistungen und Standortqualität müsste ein Gesundheitszentrum aufweisen, wenn es ein Akutkrankenhaus spätestens zum Zeitpunkt seiner Schließung ersetzen sollte. Das impliziert Vorhaltekosten für 24/7-Notaufnahmen, für stationäre Betten, und für eine hinreichende Infrastruktur in Chirurgie und Innerer Medizin. Unter dem Abrechnungssystem der Fallpauschalen, unter dem seit 2005 alle Akutkrankenhäuser und speziell ihr Personal leiden, bedeutet das immer: dauerhafte Verluste, die von ertragreichen Fachgebieten sicher nicht ausgeglichen werden können. Eine 24-stündige-Notaufnahme erfordert einen erheblichen Pool an ärztlichem und Pflegepersonal mit Einsatz- und Bereitschaftspflichten; die kassenärztlichen Notdienste (bei Klinikschließungen immer wieder als Ersatz genannt) sind hierfür zu beschränkt. Rechtlich und finanziell ist ein solches Zwischending zwischen ambulanter und stationärer Behandlung bislang ohnehin nicht machbar, da die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen, Abrechnungssysteme und zugeordneten Institutionen bisher nicht auf einen Nenner gebracht werden konnten.

Erstmals gesetzlich festgelegt wurden „Regionale Gesundheitszentren“ (RGZ) im Niedersächsischen Krankenhausgesetz von 28.6.2022 (§ 2, Abs. 2 und 3 und § 3 Nr. 12) mit (unbestimmter) „ambulanter fachärztlicher Versorgung“, „bettenführender Pflegeeinheit“ und 24/7-„Erreichbarkeit“ – aber eben keine durchgängige ärztliche Präsenz. Die begleitende Enquêtekommission schlug einen Start in MVZ-Form vor, als obligatorisch wurden nur kooperierende Gesundheitsdienste, Betten-Vorhaltung, und Arztpraxen in Allgemeiner und Innerer Medizin vorgesehen – aber keine Chirurgie mit Anästhesie, keine 24/7-Notaufnahme (nur eine Rettungswache), und keine Erreichbarkeitsgrenze. Die gesetzlichen und institutionellen Regelungen für ein RGZ seien aber so unterschiedlich, dass es nicht als eigenständige Versorgungsstufe der geplanten Krankenhaus-Neuordnung (Grund- und Regel-, erweiterte und Maximalversorgung, daneben Fachkrankenhäuser) gefasst werden könnten. Die Kommission, und im Anschluss PolitikerInnen behaupteten, MVZ könnten Versorgungslücken nach Krankenhausschließungen schließen, aber sie genügen nicht einmal der eigenen Definition einer Grund- und Regelversorgung.10 Ein Beispiel für reales Scheitern ist der „Gesundheitscampus Säckingen“, der nach Schließung des Krankenhauses Anfang 2018 „die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in der strukturschwachen Region durch Etablierung eines neuen sektorenübergreifenden Versorgungsangebots sicher“ stellen sollte. Übrig geblieben ist ein Ärztehaus. Mietverträge mit örtlichen Praxen und Gesundheitsdiensten und einem Altenpflegeheim wurden abgeschlossen, ambulante OP s sollen möglich werden, eine Notaufnahme nicht. Die Integration (gemeinsames „Case Management“) mit der letzten am Ort verbliebenen Rehaklinik scheiterte; wegen enorm gestiegener Baukosten steht ganze Projekt nun vor dem Scheitern.11

Fazit

Mit der Entwicklung von MVZ sind Konstellationen entstanden, die wenig mit Bedarf und Grundversorgung zu tun haben und viel mit Ertragsmaximierung, besonders durch Spezialisierung auf einzelne ertragsstarke Fächer bzw. deren Kombination. Seitens privater Betreiber ist keine Entwicklung von grundversorgenden MVZ zu erwarten. Für die großen privaten Träger dienen MVZ nur der Ertragsmaximierung in Kooperation mit eigenen Kliniken. Für freigemeinnützige Träger und die große Mehrheit öffentlicher Träger spielen MVZ eine ähnliche Rolle der gezielten Ertragsstärkung. Einige öffentliche (Krankenhaus-)MVZ-Träger brachten immer nur einen unvollständigen und offensichtlich zuschussbedürftigen Versorgungsersatz für geschlossene Krankenhäuser zustande. Vertragsärztliche MVZ haben für die Verpflichtungen einer Grundversorgung ein zu kleines fachliches und finanzielles Potenzial und kein hinreichendes Eigeninteresse. Auch die niedersächsische Enquêtekommission brachte kein realisierbares hinreichendes Konzept zustande. Unter Bedingungen einer gewinnorientierten Krankenversorgung und angesichts der überkomplexe Regelungssysteme und -Institutionen im Krankenhausbereich ist nirgends die Chance für ein funktionierendes System grundversorgender ambulant-stationärer Gesundheitszentren zu erkennen.

______________________________________________

3 Zitiert nach Pavlovic, Andreas, 2021: Finanzinvestoren aus den MVZ heraushalten. In: KVB-Forum 03/ 2021, S. 32

4 Bobsin, Rainer, 2019: Finanzinvestoren in der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Hannover: Offizin 4. erw. u. aktualis. Aufl., S. 34 ff.; KVB-Forum 03/ 2021 – Sonderausgabe MVZ, S. 10 ff.

5 KVB-Forum a.a.O., S. 13

6 Bobsin, a.a.O. und derselbe, 2021: erw. u. aktualis. Aufl., 2021, 5. Aufl., Anhang (pdf)

7 Scheuplein, Christoph, 2021: Übernahme von MVZ durch Private-Equity-Investoren in Bayern. In: KVB-Forum 03/ 2021, S. 28-30

8 Eigene Recherche, z.T. nach Bobsin, a.a.O.; KVB-Forum 2021, a.a.O. S. 22f. u. 32ff.

9 Zi-MVZ-Panel, Jahresbericht 2020. Berlin Jan. 2021

10 Enquêtekommission „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen“ – für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung“: Bericht. Nds. Landtag, Drs. 18/8650 (22.2.2021). Hannover, S. 93 ff. und S. 149 ff.

Offener Brief an Prof. Dr. Augurzky – Erhalt für Kliniken statt „schöpferische Zerstörung“!

Das Bündnis Klinikrettung dokumentiert einen offenen Brief an Boris Augurzky, der in Interviews Kliniken als „Ramsch“ bezeichnet und „schöpferische Zerstörung“ in der deutschen Kliniklandschaft gefordert hat.

 

An
Prof. Dr. Boris Augurzky
Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am RWI

 

Oberkrämer, Himmelskron, Breisach und Göttingen, den 09. August 2022

 

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Augurzky,

in einem Interview mit der Online-Plattform „Digitales Gesundheitswesen“ bescheinigen sie 13 Prozent der deutschen Kliniken „Ramsch-Status“. In einem anderen Gespräch fordern sie für das Jahr 2022 eine „schöpferische Zerstörung“ der Krankenhauslandschaft in Deutschland. Sie scheinen dabei zu vergessen oder bewusst zu ignorieren, dass in den von Ihnen als Ramsch betitelten Krankenhäusern täglich Menschen arbeiten, die anderen Menschen helfen gesund zu werden und dabei häufig Leben retten. Ihre Aussage verkennt diese Leistungen, ja will sie gar „schöpferisch zerstören“. Das Argument fokussiert auf Kennzahlen und basiert auf einer engen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung. Sie werden kaum mehr als 0,1 Prozent der Kliniken von innen kennen, die Sie sich anmaßen, zu „Ramsch“ zu erklären und abwickeln zu wollen. Das kann man auch betriebswirtschaftliche Arroganz nennen – oder, wie Sie es selbst ausdrücken: Banken-Jargon, angewandt auf die Gesundheitsversorgung.

Die Prämisse ihrer Argumentation, nämlich Krankenhäuser ausschließlich als Renditeobjekte zu betrachten, grenzt an Menschenverachtung. Sie widerspricht außerdem dem Grundgesetz, welches im Artikel 2 Absatz 2 das Recht der Menschen auf körperliche Unversehrtheit festhält. Weiter zur Erinnerung: Das Menschenrecht auf den „höchsten erreichbaren Stand an körperlicher und geistiger Gesundheit“ gehört zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten nach dem UN Sozialpakt von 1966, Artikel 12. Dieses Recht haben PatientInnen wie MitarbeiterInnen. Dazu gehört auch der Artikel 31 der Europäischen Grundrechtecharta: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen! Soweit die moralischen Aspekte einer sozialen und gerechten Gesellschaft, die Sie bei Ihrer Betrachtung der Krankenhäuser nicht berücksichtigen. Nun zu Ihrem Fachgebiet: die Betriebswirtschaft. Leider unterschlagen Sie auch in Ihren betriebswirtschaftlichen Einschätzungen der Krankenhauslandschaft zentrale Aspekte der Krankenhausfinanzierung und unterlassen die ausführliche Analyse der wirtschaftlichen Defizite vieler Häuser.

Eine Untersuchung kommunaler Großkrankenhäuser und von der Schließung betroffener mittlerer und kleiner Krankenhäuser ergibt Folgendes: Sämtliche Ergebnisse der Häuser sind durch hohe Abschreibungen, Zinslast, Wertberichtigungen und Rückstellungen belastet, also durch sogenannte buchhalterische (nicht reale) Risikoabwägungen geprägt. Dies führt häufig zu Defiziten, die wiederum als Argumente für Schließungen herhalten. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass die Risiken bei den von uns untersuchten Krankenhäusern häufig äußerst freizügig bewertet werden, so dass im Zweifelsfall hohe Verluste auf dem Jahresabschluss ausgewiesen werden – frei nach dem Motto: „welches Schweinderl hätten‘s denn gern?“ Das findet bei Ihnen keine Erwähnung. In eine seriöse Bewertung der finanziellen Lage der deutschen Krankenhäuser müsste außerdem einfließen, dass schätzungsweise 15 Prozent der Arbeitsleistung der MitarbeiterInnen in den Kliniken von politisch gewollter, meist aber unsinniger administrativer Arbeit blockiert wird. Hinzu als finanzieller Faktor kommen die Schattenwirtschaften, die sich um das Gesundheitswesen herum entwickelt haben – wie etwa Beraterfirmen, MDK oder IT-Branche –, die unsinnige Codiersoftware entwickeln statt sinnvolle Arbeitshilfen für die MitarbeiterInnen.

Wie steht es nun um die Wertschöpfung in den Häusern durch tatsächliche Arbeit an PatientInnen? Aus der oben erwähnten Untersuchung geht hervor, dass die operativen Ergebnisse (EBITDA, Wertschöpfung und Substanzwert) der untersuchten Kliniken meist positiv sind, und sich in den letzten Jahren nach oben entwickelt haben. Das heißt: die Leistung der MitarbeiterInnen ist positiv. Negativ entwickeln sich die Häuser, weil die Politik sich weigert, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zu Finanzierung der Investitionen nachzukommen, und weil das DRG-System falsche Anreize zur Versorgung setzt. Denn in diesem wird vor allen Dingen die hochkomplexe und vieloperative Medizin honoriert. Das tägliche Geschäft hingegen ist völlig unterfinanziert. Nicht die eigentliche Arbeit in den Kliniken ist das Problem, sondern das von Ihnen propagierte reine markt- und renditeorientierte Wettbewerbsmodell. Diese Erwägungen zur Struktur der Krankenhausfinanzierung fehlen in Ihrer leichtfertigen „Ramsch“-Bewertung. Aber Gesundheit ist keine Ware, sondern ein zu schützendes Gemeingut!
Betriebswirtschaftlich nützlich ist nicht der Wettbewerb, sondern die Sicherung der Arbeit (nur so kann das medizinische Knowhow der Menschen erhalten bleiben), die Stärkung der Versorgungsqualität durch mehr Ausbildung, der Einsatz von mehr ArbeitnehmerInnen, die Nutzung bezahlbarer Medizintechnik sowie gesunde Arbeitsumgebungen in sanierten Alt- wie in innovativen Neubauten. Ja, das kostet Geld. Die Gesellschaft hat aber dieses Geld. Es muss nun sinnvoll aus den Krankenkassen, den Pharmakonzernen, den Medizintechnikkonzernen und von allen BürgerInnen demokratisch kontrolliert verteilt werden. Der Wettbewerb zerstört. Solidarität bietet Innovation. BionTech beispielsweise hätte ohne staatliche, solidarische Fördermittel von rund 375 Mio. Euro niemals so schnell einen Impfstoff entwickeln können. Geboten ist die gerechte Verteilung von Leistung und Ertrag.

Wir bitten Sie eindringlich: Basieren Sie Ihre einflussreiche Beratungstätigkeit im Krankenhausbereich nicht auf vorschnellen, von Wettbewerbsideologie und betriebswirtschaftlicher Engstirnigkeit geprägten Schlüssen. Analysieren Sie die Krankenhausfinanzierungsstruktur und ihre Mängel, vergessen Sie die Menschenrechte nicht – und setzen Sie sich ein für den Erhalt der Kliniken!

 

Mit freundlichen Grüßen,

Peter Cremer, Bündnis Klinikrettung
Iris Stellmacher und Joachim Flämig, Bürgerinitiative „Rettet unser Krankenhaus Rosmann-Breisach“
Klaus Emmerich, Klinikvorstand i. R. und Aktionsgruppe „Schluss mit Kliniksterben in Bayern“
Dr. Rainer Neef, medinetz Göttingen