Die Schuldenbremse im Grundgesetz schränkt den finanzpolitischen Handlungsspielraum der Regierung im Fall eines Abschwungs deutlich ein. Dies geht aus einem Schreiben von Bettina Hagedorn, Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, an die Bundestagsfraktion der Linken hervor, das ZEIT ONLINE vorliegt.

Demnach wäre im laufenden Jahr "eine grundgesetzkonforme zulässige Nettokreditaufnahme" in Höhe von 6,314 Milliarden Euro möglich. Auch wenn die Konjunktur einbricht, dürfte sich der Staat nicht mehr Geld leihen. "Eine Variation der Annahmen für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 wirkt sich auf die grundgesetzkonforme Nettokreditaufnahme nicht mehr aus", schreibt Hagedorn.

Die Aussagen dürften die Kritik an der Schuldenbremse noch einmal verstärken. Das Regelwerk zur Begrenzung der staatlichen Kreditaufnahme wurde vor zehn Jahren im Grundgesetz verankert. Inzwischen plädieren aber immer mehr Ökonomen für eine Reform. Sie argumentieren, dass die Schuldenbremse notwendige Investitionen behindert. Diese Woche sich der ehemalige Wirtschaftsweise und Regierungsberater Bert Rürup im Handelsblatt diesem Argument angeschlossen. "Die vorhandenen Spielräume sind viel zu gering, um die Investitionslücke zu schließen. Eine vorausschauende Finanzpolitik, die sich frühzeitig gegen die Konjunktur lehnt und auch fiskalische Kosten begrenzt, ist somit nicht möglich", sagt Fabio de Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linken.

Die Schuldenbremse sieht vor, dass die um konjunkturelle Effekte bereinigte Kreditaufnahme des Bundes 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten darf. Die genauen Grenzwerte werden mit Hilfe eines komplizierten Verfahrens berechnet.

Laut Hagedorn dürfte der Bund nach heutigem Stand im kommenden Jahr 9,83 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen. Sollte die Konjunktur tatsächlich einbrechen, würde sich der finanzpolitische Spielraum dann aber möglicherweise erhöhen. Ein niedrigeres Wachstum erhöhe "unter sonst gleichen Bedingungen die Obergrenze für die zulässige Nettokreditaufnahme", schreibt Hagedorn.

Allerdings ist unklar, was das in der Praxis bedeutet. Der Grund: Bei der Berechnung der Grenzwerte für die Verschuldung spielt der Auslastungsgrad der Wirtschaft eine zentrale Rolle. Wenn die Wirtschaft stark ausgelastet ist – wenn also Arbeitskräfte knapp und alle vorhandenen Maschinen in Betrieb sind – dann darf der Bund weniger neue Schulden machen. Wenn die Wirtschaft hingegen kaum ausgelastet ist, dann wird der Grenzwert erhöht.

Der Auslastungsgrad kann allerdings nicht direkt gemessen werden. Er ist das Ergebnis von ökonomischen Berechnungen. Dabei kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Fehleinschätzungen: Die verwendeten Modelle zeigten an, dass die Wirtschaft ausgelastet ist, obwohl die Unternehmen in der Realität mangels neuer Aufträge Leute entlassen mussten. Das kann dazu führen, dass der Staat weniger neue Schulden machen darf, als es aus konjunktureller Sicht eigentlich angemessen wäre.