Diskussion Autobahnreform – Grundgesetzänderung für eine Privatisierung?

von Carl Waßmuth

Sven-Christian Kindler, Dr. Werner Reh, Malte Kreutzfeldt, Laura Valentukeviciute, Alexander Möller

Unter dem Titel „Autobahnreform: Grundgesetzänderung für eine Privatisierung?“ fand am Mittwoch, dem 08. März 2017 im großen Saal der  Heinrich-Böll-Stiftung eine Podiumsdiskussion statt.  Es  diskutierten miteinander Johannes Kahrs, MdB, Haushaltspolitischer Sprecher SPD, Sven-Christian Kindler, MdB, Haushaltspolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen, Alexander Möller, Geschäftsführer ADAC, Dr. Werner Reh, Leiter Infrastruktur und Verkehr, BUND und Laura Valentukeviciute von Gemeingut in BürgerInnenhand. Die Veranstaltung war eine Kooperation von Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) mit der Heinrich-Böll-Stiftung.

Der Saal war gut gefüllt, es waren etwa 90 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer gekommen. In das Thema eingeführt wurde mit einem Kurzvideo von GiB sowie mit einem Impulsvortrag von Laura Valentukeviciute. Die anschließende Diskussion war sehr lebhaft und teilweise kontrovers. Das Publikum beteiligte sich intensiv, was auch durch eine kluge Gesprächsführung von Moderator Malte Kreutzfeldt von der Tageszeitung taz ermöglicht wurde. Es gab Applaus und zuweilen auch lauteres Murren, vor allem aber engagierte und kenntnisreiche Redebeiträge, aus denen deutlich wurde, dass dieses Thema den Anwesenden wirklich wichtig ist.

Laura Valentukeviciute beim Impulsvortrag am 8. März 2017, Böll-Stiftung Berlin

Alexander Möller vom ADAC begrüßte das mit der Reform verfolgte Anliegen von der Idee und der Richtung her. Gelingen könne es aber nur, wenn alle Privatisierungs-Optionen ausgeschlossen würden. Er fand eine GmbH als Rechtsform eine gute Idee, eine Aktiengesellschaft dürfte es hingegen hier auf keinen Fall geben. Schattenhaushalte müssten ebenfalls ausgeschlossen werden. ÖPP bezeichnete er generell als „Quatsch“.

Johannes Kahrs betonte mehrfach, dass sich der Bundestag die Zeit nehmen würde, die man für die Beratung solch eines Vorhaben brauche. Wörtlich sagte er, dass deswegen „nicht im März“ entschieden werden könne. ÖPP hält Kahrs für verzichtbar, sieht sich allerdings in Zwängen mit dem Koalitionspartner CDU/CSU, die ÖPP nach Kahrs unbedingt wollen. Auch Kahrs lehnt eine Aktiengesellschaft als Rechtsform ab. Dass mit dem Bund-Länder-Finanzausgleich  und der Autobahnprivatisierung ein Koppelungsgeschäft vorgeschlagen wird, findet Kahrs nicht per se problematisch. Als Haushälter braucht Kahrs aber laut eigener Aussage weder die vorgeschlagene Vereinbarung zum Bund-Länder-Finanzausgleich noch die Pkw-Maut. Und nicht zuletzt ist Kahrs dafür, mit Blick auf Schulprivatisierung den derzeitigen Passus zu ÖPP im Schulbereich herauszustreichen.

Sven-Christian Kindler forderte, alle Privatisierungsmöglichkeiten und darin insbesondere alle ÖPPs auszuschließen. Wie Möller und Kahrs lehnt er eine Aktiengesellschaft ab. Wenn eine GmbH als Rechtsform gewählt würde, müsste man Sondergremien schaffen, die die GmbH kontrollieren.  Über diese Sondergremien sowie über die Satzung der Gesellschaft müsse der Bundestag abstimmen. Zudem forderte Kindler, eine Gründungsverschuldung der Gesellschaft auszuschließen.

Sven-Christian Kindler, Dr. Werner Reh, Malte Kreutzfeldt, Johannes Kahrs, Alexander Möller, Laura Valentukeviciute

Dr. Werner Reh vom BUND kritisierte das Vorhaben aus verkehrs- und infrastrukturpolitischer Sicht. Es müsste generell gestoppt werden. Dr. Reh  befürchtete ein fragmentiertes Netz und erwartete durch die neue Organisationsform keinerlei Effizienzgewinne. ÖPP wäre in dieser Frage übrigens auch eine Form von Fragmentierung. Vor allem aber drohe das Ende der integrierten Verkehrsplanung, für Reh „eine schlimme Sache“. Ganz große Probleme brächte das Vorhaben auch im Hinblick auf Bürgerbeteiligung und Straßenerhalt mit sich. Wie eine für eine sinnvolle Verkehrsorganisation notwendige Länderbeteiligung geregelt werden könne, sei völlig unklar. Im Grunde müsste man ins Grundgesetz schreiben, dass die neue Gesellschaft Verträge mit allen 16 Ländern abschließt. Hinsichtlich des Aufhaltens des Vorhabens hoffe der BUND auf die Grünen in den Ländern.

 

3 Kommentare

  1. Das Thema ist brisant. Auch wenn Herr Kahrs dazu nein sagt, heißt das nicht, dass die SPD, in welcher Konstellation auch immer, gefallen an diesen weiteren Modell findet, Kosten auf zukünftige Generationen zu verlagern. So etwas geschieht ja fortlaufend und ist betrügerisch. Es schränkt auch den Spielraum zukünftiger Akteure ein, etwas selbst zu gestalten. Im Hintergrund als Motivation steht die schwarze NULL, die ohnehin schon gemogelt ist, denn sie wird nur möglich durch die Zurückstellung von Erhaltungsinvestitionen, womit sich der Kreis schließt.

  2. Warum ist es nicht gelungen, einen der vielen Befürwortern der GG-Änderung aufs Podium zu bekommen.
    Die stimmen lieber durch stilles Votum im Bundestag ab, und einige wissen sicherlich auch schon, welches auf ÖPP beruhende Finanzprodukt ihnen später per Mundfunk empfohlen wird.

  3. Nun ja, die stillen Befürworter scheuen das Rampenlicht. Nichts desto trotz sind die SPD und die Grünen mitentscheidend, ob die Autobahnprivatisierung kommt oder nicht. Lehnt Johannes Kahrs das ganze Paket ab, kann er als der führende Haushälter in der SPD und maßgeblicher „Seeheimer“ sicher viele hinter sich scharen, es ihm gleichzutun.

    Ähnlich bei den Grünen: Im Bundestag werden sie aller Voraussicht nach dagegen stimmen. Aber was ist mit den Bundesländern? Die Grünen sind an elf Landesregierungen beteiligt. In jeder einzelnen davon können sie eine Enthaltung erzwingen. Um das Paket zu kippen, reichen fünf oder sechs Bundesländer. Dazu könnte es helfen wenn die Grünen bundesweit zu der Auffassung gelangen, dass das Mitmachen bei einer Allparteienkoalition mit dem Ziel, eine große Privatisierung durchzusetzen, im September an der Urne kaum belohnt werden wird.

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