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Der Streit um das Autobahnnetz geht weiter.

© dpa

Bundesautobahngesellschaft: Machtkampf um die Fernstraßen

Bei der Neuordnung der Straßenbauverwaltung ist die Bundesregierung zerstritten. Im Mittelpunkt des Konflikts: Finanzminister Schäuble und Wirtschaftsminister Gabriel.

Die Bundesregierung findet keine Linie: Seit mittlerweile fünf Wochen warten die Länder auf einen abgestimmten Vorschlag aus Berlin, in welcher Form die geplante Zentralisierung der Fernstraßenverwaltung umgesetzt werden soll. Zwar hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der vorigen Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt. Den beteiligten Kollegen im Kabinett, vor allem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), gab er Zeit bis zum Freitag, um Stellung zu nehmen.

Doch Gabriel stoppte die Ressortabstimmung, weil er Schäubles Pläne nicht mittragen will – oder nicht mitmachen kann, weil die SPD-Bundestagsfraktion erhebliche Vorbehalte hat. Damit dürften die Länder auch im Gespräch an diesem Donnerstag, zu dem Kanzleramtsminister Peter Altmaier die Chefs der Staatskanzleien geladen hat, wieder rätseln, was man in Berlin denn nun konkret will. Ob ein Spitzengespräch von Schäuble und Gabriel am Montag eine Klärung brachte, war zunächst unklar.

Der Bund möchte künftig die ihm gehörenden Bundesautobahnen und einige autobahnähnliche Bundesstraßen selber verwalten. Bisher sind, im Auftrag des Bundes, die Länder für das Planen, Bauen und Betreiben der Fernstraßen zuständig. Der Streitpunkt ist, ob und wie weit mit der geplanten Eigenverwaltung eine Privatisierungspolitik umgesetzt werden kann. Zwar lehnen alle Beteiligten einen direkten Verkauf der Autobahnen an private Konzerne oder Finanzinvestoren ab.

Unstrittig ist auch, dass das „unveräußerliche Eigentum des Bundes“ im Grundgesetz verankert wird. Allerdings plant der Bund, die Verwaltung der Fernstraßen nicht einer Bundesbehörde zu übertragen, sondern einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft. So wurde es auch im Beschlussprotokoll vom 14. Oktober mit den Ländern vereinbart.

Schäuble will eine Aktiengesellschaft

Und hier beginnt nun der Streit zwischen Schäuble und Gabriel, den beiden mächtigsten Ministern im Kabinett. Dazu kommt, dass der mindermächtige Minister Dobrindt stets darauf achten muss, was der CSU- und Bayern-Chef Horst Seehofer mitzutragen bereit ist. Schäuble möchte die Bundesautobahngesellschaft am liebsten als Aktiengesellschaft gründen, mit der Option, eine Minderheitsbeteiligung (also bis zu 49,9 Prozent) an Private zu verkaufen. Der Grund: Der Finanzminister will die Gesellschaft möglichst staatsfern positionieren, weil dann die Schulden, die diese Gesellschaft aufnimmt, nicht dem Bundeshaushalt zugerechnet werden. Und damit weder unter die europäische Schuldengrenze fallen noch unter die nationale. Genügen würde Schäuble allerdings wohl auch, wenn die Gesellschaft als GmbH gegründet würde.

Eine öffentlich-rechtliche Organisationsform, als quasi-staatlich, lehnt er ab. Der Finanzminister ist der Auffassung, dass eine privatrechtlich aufgestellte Gesellschaft wirtschaftlicher arbeiten kann als eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, auch weil damit der Einfluss der Politik, vor allem des Parlaments, geringer wäre. Der Wert der Gesellschaft läge darin, dass sie mit den Fernstraßen Erträge erwirtschaften kann (Juristen nennen das Nießbrauchsrecht) und das Eigentumsrecht an den Mauteinnahmen bekommen soll.

Gabriel: Für und gegen Privatkapital

Gabriel dagegen fordert, wie die SPD-Fraktion, dass im Grundgesetz auch die Unveräußerlichkeit der Gesellschaft festgeschrieben wird. Damit wäre eine doppelte Privatisierungsbremse etabliert – für die Straßen und ihre Verwertungsgesellschaft. Freilich verhindert das nicht, dass eine andere Form von Privatisierung stattfinden kann: nämlich die zeitlich befristete über öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) und die Verpachtung von Autobahnen.

Solche Projekte betreibt das Verkehrsministerium schon seit 2005, Dobrindt hat mittlerweile elf weitere Vorhaben auf den Weg gebracht. In diesen ÖPP werden sehr große Autobahnstrecken auf 20 oder 30 Jahre an Private vergeben. Zu den Befürwortern groß angelegter ÖPP gehört Gabriel; er plant offenbar auch, weitere Infrastrukturprojekte des Bundes, etwa die Schulhaussanierung, an eine eigene ÖPP-Gesellschaft zu übertragen. Im Finanzministerium lehnt man ÖPP zwar nicht ab, sieht aber Gabriels Herangehensweise mit Skepsis.

Privatisierung über "Mammut-ÖPP"

Kritiker sagen, dass mit „Mammut- ÖPP“ im Straßenbau schrittweise eine Quasi-Privatisierung an die großen Baukonzerne stattfindet, die allein in der Lage sind, zusammen mit potenten Finanzinvestoren, etwa Versicherungen, solche Großprojekte zu stemmen. Zu den Kritikern gehören daher auch die mittelständischen Straßenbauunternehmen. Deren Verbandschef Hans-Hartwig Loewenstein verweist darauf, dass der Staat sich immer günstiger verschulden könne als Private und daher Autobahnprojekte in staatlicher Eigenregie billiger seien. Erst recht, wenn in den ÖPP „internationale Finanzartisten“ beteiligt würden, die hohe Renditeerwartungen haben. Auch der Bundesrechnungshof sieht aus diesem Grund ÖPP kritisch.

In der SPD scheint man dafür mittlerweile Verständnis zu entwickeln. Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann und seine Kollegen in den Ländern fassten am Montag einen Beschluss: Die neue Autobahngesellschaft „soll die künftigen Vergabeverfahren vor allem im Hinblick auf die Losgrößen so gestalten, dass die Chancen der mittelständisch geprägten Bauwirtschaft im Wettbewerb gewahrt bleiben.“ Freilich hat der Bundestag darauf relativ wenig direkten Einfluss, wenn die Gesellschaft privatrechtlich organisiert ist.

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